Swissmem-Geschäftsleiter Robert Rudolph (51) liess sich chippen
Er ist der erste Cyborg des Industrieverbands

Hält Robert Rudolph die Hand an sein Smartphone, öffnet sich direkt die SBB-App. Denn in seiner Hand steckt ein Chip. Während es die meisten davor gruselt, meint es das Geschäftsleitungsmitglied von Swissmem ernst: Er lebt die Digitalisierung vor.
Publiziert: 13.05.2018 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:10 Uhr
Julia Fritsche

Es geschah im März an der Digital-Konferenz XDays in Interlaken BE. Vor grossem Fachpublikum auf einer Showbühne. Bodyhacker Patrick Kramer (47), der sich selbst als Cyborg – eine Mischung aus Mensch und Maschine – bezeichnet, greift zur linken Hand von Robert Rudolph (51). Dann durchstösst die Injektionsnadel die Haut, und schon ist der reiskorngrosse Chip eingepflanzt. 

«Es ging nur ein paar Sekunden», erinnert sich Rudolph, Geschäftsleitungsmitglied des Industrieverbands Swissmem. In dieser kurzen Zeit wurde aus dem Verbandsmann, der bislang mit den über 1050 Mitgliederfirmen über Digitalisierung redete, zum Eisbrecher, der die Digitalisierung vorlebt.

Angeschwollene Hand samt Bluterguss

Beim Besuch von BLICK fährt sich Rudolph immer wieder zwischen Daumen und Zeigefinger über die Haut. Man spürt etwas, das ähnlich wie ein Knorpel sei, sagt er. Der Swissmem-Mann ist seit ein paar Wochen ein «Cyborg». Ihn und die paar Zehntausend Chipträger weltweit nennt man auch Biohacker.

Rudolph hat sich bereits an den Fremdkörper gewöhnt. Doch das brauchte Zeit. In den Tagen nachdem ihm der Chip eingesetzt worden war, schwoll seine Hand an, es bildete sich ein Bluterguss. Zu viel für den Datenträger: Er streikte. Auch Rudolph fand die Idee mit dem Chip nicht mehr ganz so lässig.

Inzwischen sind die rot-violetten Flecken weg, und der Chip ist einsatzfähig. Was kann das Implantat? Und wie kann er damit seinen Verband auf den digitalen Pfad führen? Auf dem Minidatenträger lassen sich Informationen speichern. Oder Apps auf dem Smartphone ruckzuck öffnen, wie Rudolph demonstriert.

Der Chip lässt sich immer wieder neu beschreiben. Etwa mit der Aufgabe, eine bestimmte App zu öffnen. Hält der Chipträger seinen Chip an sein Smartphone, öffnet die betreffende App.
Foto: Blick

Doch noch sind der Platz und die Funktionen stark begrenzt. Ein Foto etwa ist zu gross für den Minidatenträger.

Technisch wäre auch Bezahlen möglich

Richtig froh wäre Rudolph, wenn sich der Lift mit dem Chip bedienen liesse. «Mit Kaffee und Tablet-PC fehlt eine dritte Hand für die Chipkarte», erklärt er mit einem Schmunzeln. Auch bezahlen kann er damit noch nicht, obwohl die Technik eigentlich dieselbe ist wie bei kontaktlosen Kreditkarten.

«Technisch machbar ist das ohne Probleme», heisst es auf Nachfrage bei der Zahlungsabwicklerin SIX. Die Frage sei nur, ob jemand als Individuum das auch möchte. Bei SIX sind denn auch keine Institute bekannt, die bald Zahlen per Implantat anbieten wollen, sagt Sprecher Jürg Schneider. Auch bei der Kreditkartenanbieterin Swisscard sind in nächster Zukunft keine solchen Pläne bekannt.

«Die Chips stecken noch in der Experimentierphase», erklärt Rudolph von Swissmem. Doch die Anwendungsmöglichkeiten werden rasant zunehmen. Das reizt ihn als technikaffinen Menschen und war auch ein Grund, warum er sich das Implantat einpflanzen liess. Lange Vorlaufphasen sei man sich in der Industrie gewöhnt. Es könne schon mal zehn Jahre dauern, bis ein komplett neues Produkt marktreif sei.

Den Robocop kennen wir schon lange

Sie sind keine Roboter, aber sie sind auch keine richtigen Menschen mehr. Oder doch? Seit je faszinieren sie die Literatur und vor allem das Kino: die technisch erweiterten Menschen oder Cyborgs, wie man sie neudeutsch nennt. Sie wecken Furcht und Hoffnung. Weil sie durch ihre Implantate übermenschlich stark und unverwundbar wurden – aber gerade dadurch womöglich ihre Menschlichkeit verloren. Meist sind sie Kämpfer, Polizisten, Soldaten. Nicht selten im Dienste von echten, aber entmenschlichten Menschen. Der Cyborg ist eine romantische Figur. Vielleicht, weil wir jetzt schon Mitleid haben mit unseren umgebauten Nachfahren. Hier sind einige der berühmtesten Figuren aus der Kinogeschichte.

Sie sind keine Roboter, aber sie sind auch keine richtigen Menschen mehr. Oder doch? Seit je faszinieren sie die Literatur und vor allem das Kino: die technisch erweiterten Menschen oder Cyborgs, wie man sie neudeutsch nennt. Sie wecken Furcht und Hoffnung. Weil sie durch ihre Implantate übermenschlich stark und unverwundbar wurden – aber gerade dadurch womöglich ihre Menschlichkeit verloren. Meist sind sie Kämpfer, Polizisten, Soldaten. Nicht selten im Dienste von echten, aber entmenschlichten Menschen. Der Cyborg ist eine romantische Figur. Vielleicht, weil wir jetzt schon Mitleid haben mit unseren umgebauten Nachfahren. Hier sind einige der berühmtesten Figuren aus der Kinogeschichte.

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Polizei-Maschine: In «RoboCop» (1987) wird ein halbtoter Polizist als halbe Maschine wieder zum Leben erweckt – der sich am Ende gegen seine korrupten Chefs wendet.
Foto: imdb.com

Mit Chip eine Lanze für die Digitalisierung brechen

Bei Swissmem hat Rudolph die Rolle eines digitalen Motivators. «Ich rege Unternehmen dazu an, sich mit der Industrie 4.0 auseinanderzusetzen. Da ist es glaubhafter, wenn ich selbst Neues ausprobiere.»

Keine Rolle spiele dabei, dass die wenigsten Schweizer Firmen etwas mit dem Chip anfangen können. «Unternehmen müssen eine Start-up-Kultur entwickeln, mehr Mut zum Risiko haben», fordert Rudolph. Den Chip sieht er dabei als «Eisbrecher».

Die Industrie zeigt sich offen für neue Technologien, stellt Rudolph fest. Allerdings sei die Bandbreite gross. «Wo Unternehmen mit Konsumenten in Kontakt kommen, muss man sich heute dringlicher mit neuen Angeboten differenzieren, und dort sind die Firmen auch aktiver», erklärt Rudolph. Schindler mit seinen Liften oder auch Hersteller von Haushaltsgeräten seien näher am Konsumenten als ein Textilmaschinenhersteller.

Kein Risiko von Datenmissbrauch

Bei Firmen kommt der Chip also an – zumindest als Gesprächsstoff. Wie steht es mit dem Umfeld? Es ist höchst unterschiedlich: Die einen möchten sich auch gleich einen Chip implantieren lassen, die anderen runzeln ungläubig die Stirn, sagt Rudolph. Skeptische Faszination überwiege. Da überrascht das Resultat einer europaweiten Kaspersky-Umfrage von 2016. Nur 29 Prozent schliessen ein solches Implantat aus. Rudolph kann die Angst vor dem Fremdkörper nicht ganz verstehen: «Viele lassen sich tätowieren! Anders als einen Chip kann ich ein Tattoo nicht einfach wieder rausnehmen.»

Swissmem-Geschäftsleitungsmitglied Robert Rudolph lebt mit seinem Chip die Digitalisierung vor. Von Firmen fordert er primär mehr Mut.
Foto: Siggi Bucher

Trotz aller Technikliebe gibt es auch für Rudolph klare Grenzen. Sobald der Chip aktive Fähigkeiten bekomme, etwa GPS-tauglich würde, sei für ihn Schluss. Heute sei der Chip «dumm wie ein USB-Stick». Und das sei gut, denn so müsse man keine Angst vor Missbrauch haben. Wer Zugriff auf seinen Chip will, muss ganz nahe daran herankommen. «Wer Angst vor Datenmissbrauch hat, muss sich vor Facebook und Amazons Sprachassistentin Alexa in Acht nehmen, nicht vor diesen Chips.» 

Ob Chip-Implantate den Durchbruch schaffen, steht in den Sternen. Dass sich Swissmem so schnell von dieser Art der Digitalisierung infizieren lässt wie Rudolph wohl ebenso.

Was Chip-Implantate schon alles können

Die Schweiz ist für Chip-Träger ein Entwicklungsland. Anders die USA. Dort hat vergangenes Jahr etwa die Firma Three Square Market aus Wisconsin für Schlagzeilen gesorgt. Dutzende Mitarbeiter des Unternehmens ­haben sich einen Chip einsetzen lassen.

Diese öffnen den Zugang zum Firmengebäude und dienen zum Log-in auf dem Computer. Auch intern zahlen können die Angestellten mit ihrem Chip. In Europa ist Schweden Vorreiter. Auch beim Start-up Epicenter können gechippte Mitarbeiter so zahlen. Seit 2017 fahren Cyborgs sogar mit der schwedischen Bahn SJ, ihr Chip ist auch ein Ticket. Die Reisenden müssen ihr Billette auf den Chip laden, mit einem Smartphone kann der Kontrolleur dieses aufrufen und kontrollieren.

Von Fitnesscenter bis Nachtclub – überall, wo Zugangskontrollen nötig sind, sind Chips nützlich. Der Vorteil für die ­Nutzer: Ein Implantat ersetzt Schlüssel und Chipkarten. Die Kosten halten sich dabei in Grenzen. Implantate gibt es schon ab 50 Franken.

Die Schweiz ist für Chip-Träger ein Entwicklungsland. Anders die USA. Dort hat vergangenes Jahr etwa die Firma Three Square Market aus Wisconsin für Schlagzeilen gesorgt. Dutzende Mitarbeiter des Unternehmens ­haben sich einen Chip einsetzen lassen.

Diese öffnen den Zugang zum Firmengebäude und dienen zum Log-in auf dem Computer. Auch intern zahlen können die Angestellten mit ihrem Chip. In Europa ist Schweden Vorreiter. Auch beim Start-up Epicenter können gechippte Mitarbeiter so zahlen. Seit 2017 fahren Cyborgs sogar mit der schwedischen Bahn SJ, ihr Chip ist auch ein Ticket. Die Reisenden müssen ihr Billette auf den Chip laden, mit einem Smartphone kann der Kontrolleur dieses aufrufen und kontrollieren.

Von Fitnesscenter bis Nachtclub – überall, wo Zugangskontrollen nötig sind, sind Chips nützlich. Der Vorteil für die ­Nutzer: Ein Implantat ersetzt Schlüssel und Chipkarten. Die Kosten halten sich dabei in Grenzen. Implantate gibt es schon ab 50 Franken.

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