Das gleiche Orange, die gleiche Ordnung – die deutschen Tegut-Filialen sind denen des Schweizer Grossverteilers zum Verwechseln ähnlich. Kein Wunder: Seit sechs Jahren gehört Tegut der Migros Zürich. Es war ein riskanter Schritt für die zweitgrösste von zehn regionalen Genossenschaften – schon mehrmals war der orangefarbene Riese im Ausland gescheitert. Doch weil die Migros im Inland bereits so dominant ist, kann sie fast nur noch ausserhalb der Landesgrenzen wachsen.
Nicht nur optisch gleicht Tegut der Migros. Auch in den Regalen kommt Schweizer Konsumenten manches bekannt vor. Viele Produkte stammen aus der M-Industrie, den zur Genossenschaft gehörenden Produktionsbetrieben, die einen Umsatz von 6,5 Milliarden Franken erwirtschaften. Etwas aber ist anders: der Preis.
«Lässt sich mit Schweizer Bündnerfleisch nicht vergleichen»
SonntagsBlick hat bei Tegut nach «Swiss made»-Produkten gesucht. Und sie mit den Preisen in der Schweiz verglichen. Etwa das Bündnerfleisch von Micarna, dem Migros-Fleischverarbeiter aus Courtepin FR. Vor kurzem gab es eine Bündnerfleisch-Aktion: 2,99 Euro für 80 Gramm. Normal kostet das Pack 3,99 Euro, also rund 4.50 Franken. Das Standard-Bündnerfleisch der Migros in der Schweiz ist rund doppelt so teuer.
Der Grossverteiler wehrt sich: «Das Bündnerfleisch, das bei Tegut erhältlich ist, lässt sich mit dem Schweizer Bünderfleisch nicht vergleichen», sagt Sprecher Francesco Laratta: «Die Migros führt in ihren Supermärkten ausschliesslich Bündnerfleisch aus Schweizer Fleisch.»
Tatsächlich stammt der Rohstoff des Tegut-Trockenfleischs aus der EU. Was aber auch bedeutet, dass die Migros das Fleisch im Ausland einkauft, in die Schweiz zum Trocknen bringt und dann wieder exportiert.
Quersubvention durch Schweizer Konsumenten
Beim Raclettekäse von Tegut jedoch – erkennbar am Label «Suisse Garantie» auf der Packung – stammt der Rohstoff aus der Schweiz. Produziert wird bei der Migros-Käsefabrik Mifroma; 300 Gramm kosten umgerechnet 3.70 Franken. In der Schweiz kosten vergleichbare Produkte 5.20 Franken, sind also rund 40 Prozent teurer.
Bei der Bio-Version – sie liegt im Tegut-Regal gleich nebenan – beträgt der Preisunterschied noch rund 20 Prozent. Gemäss mehreren Experten ist dies noch ein Preisunterschied, der sich rechtfertigen lässt – schliesslich sind auch die Löhne der deutschen Verkäufer geringer.
Trotzdem klagt Konsumentenschützerin Sara Stalder: «Es kann nicht sein, dass Schweizer Konsumenten den Markteinstieg in einem anderen Land quersubventionieren.» Dieser Verdacht dränge sich auf.
Keine Tegut-Filiale an der Schweizer Grenze
Kurz nach der Tegut-Übernahme erzählt Migros-Zürich-Chef Jörg Blunschi in einer PR-Publikation des deutschen Lebensmittelhändlers: «Ich bin ein echter Eigenmarken-Fan. In diesem Bereich sehe ich auch gute Synergie-Möglichkeiten.» Laut Migros-Sprecher Laratta liegt der Anteil der M-Industrie im Tegut-Sortiment im einstelligen Prozentbereich. Er betont: «Der Preis eines Produkts ist von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst.» Etwa Personal- und Transportkosten, aber auch von der Losgrösse, also der Angebotsmenge.
Seit Jahren geht die Migros – auch politisch – gegen den Einkaufstourismus vor. Ist sie aber mit ihrer Preispolitik nicht mitverantwortlich dafür, dass Schweizer ihren Einkauf jenseits der Grenze erledigen? Nein, findet Migros-Zürich-Sprecher Laratta. Schliesslich stünden die Tegut-Filialen nicht an der Grenze: «Tegut ist in Mitteldeutschland tätig und richtet sich an die Kunden aus diesen Regionen.»
Konsumentenschützerin Stalder überzeugt das nicht: «Die Migros darf sich nicht beklagen, wenn die Konsumenten im Ausland einkaufen.»