Herr Loosli, in Umfragen sagen 58 Prozent Ja zur Service-public-Initiative. Offenbar sind viele Schweizer unzufrieden mit den Leistungen von Post, SBB und Swisscom.
Solche Zahlen sind Momentaufnahmen. Die Diskussion ist erst angelaufen. Bis jetzt waren die Initianten mit ihren eigenen Zeitschriften am Drücker. Nun muss man den Leuten aufzeigen, dass die Initiative dem Service public eigentlich nur schadet.
Dennoch: Die offizielle Schweiz behauptet, wir hätten die beste Infrastruktur der Welt. Die Bürger sind anderer Meinung. Woher kommt die Kluft?
Es gibt keine Kluft. Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer weiss sehr gut, welche Leistungen beispielsweise die Swisscom bringt. Letzthin war ich mit dem Auto in Deutschland unterwegs.50 Kilometer ausserhalb von München hatte ich bis Passau keine Verbindung mehr. Das ist dort normal. Bei uns gäbe das zu Recht einen Volksaufstand. Dasselbe bei den SBB: Was sie leisten im Personenverkehr, ist absolut top. Aber klar: Es passieren auch bei uns immer Fehler. Und man kann sich immer verbessern.
Die Versorgung ist gut in der Schweiz, doch die Preise sind gesalzen!
Natürlich sind die Preise höher als im Ausland. Aber unsere Einkommen sind im Durchschnitt auch deutlich höher. An der Kaufkraft gemessen liegen die Preise bei der Swisscom im europäischen Mittelfeld.
Die Initiative verlangt, dass der Bund in der Grundversorgung keinen Gewinn machen darf. Wie viel Gewinn erzielt die Swisscom in diesem Bereich?
Die Leistungen, die wir in der Grundversorgung erbringen, sind nicht kostendeckend. Die Forderung der Initiative ist absurd. Was sie unter Service public, Grundversorgung und Gewinnstreben versteht, ist völlig unklar.
Klar ist die Initiative bei den Löhnen: Sie verlangt, dass Angestellte von bundesnahen Unternehmen nicht mehr als Bundesangestellte verdienen dürten. Ihr CEO Urs Schaeppi erhält mit 1,8 Millionen vier Mal mehr als ein Bundesrat. Da hätten Sie ein gröberes Problem!
Wir hätten nicht nur beim CEO ein Problem, sondern in der ganzen Swisscom. Tausende von Angestellten würden weniger Lohn erhalten. Wir könnten Spezialisten nicht mehr anstellen. Die Anforderungen an sie sind ganz andere als für Angestellte der Bundesverwaltung.
Gesetzt der Fall, die Initiative wird angenommen: Wird bei der Swisscom ein Teil verstaatlicht und der Rest privatisiert?
Über solche Konsequenzen will ich nicht spekulieren. Die Initiative ist sehr vage. Klar ist, dass die Unsicherheit enorm wäre und dieInitiative der Swisscom schadet. Die Eigentümer, allen voran der Bund, aber auch private Anleger und Pensionskassen, würden geschädigt. Das gilt auch für den Steuerzahler: Die Swisscom liefert dem Staat über Dividenden, direkte Steuern und Mehrwertsteuern jährlich 1,3 Milliarden Franken ab. Diese Summe steht auf dem Spiel.
Was halten Sie von einer vollständigen Privatisierung der Swisscom?
Es ist nicht an mir, darüber zu entscheiden, das ist Sache der Politik. Aber ich bin überzeugt, dass die Swisscom bei einer Privatisierung innerhalb von fünf Jahren ihre Selbständigkeit verlieren würde. Die Swisscom hat eines der besten Netze weltweit. Sie wäre ein attraktives Übernahmeziel.
Als Bürger können Sie das nicht wollen.
Als Bürger finde ich die Privatisierung fragwürdig. Aber entscheiden muss die Politik. Ich sage nur, was die Folgen wären.
Preisüberwacher Stefan Meierhans zeigt Sympathien für die Service-public-Initiative.
Wenn der Preisüberwacher die guten Leistungen von SBB, Post und Swisscom nicht anerkennt, finde ich das bedenklich. Der Preis war noch nie das alleinige Kriterium dafür, ob ein Produkt gut oder schlecht ist. Die Initiative brächte ein Zurück zum Staatsmonopol wie zu Zeiten der PTT. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Meierhans sagt, Genossenschaften seien auch nicht gewinnorientiert und brächten trotzdem gute Leistungen. Als Coop-Präsident müssen Sie zustimmen!
Es stimmt, Genossenschaften bringen hervorragende Leistungen. Aber auch sie brauchen Gewinne. Das gilt für jede Baugenossenschaft. Sonst baut sie sehr schnell nichts mehr.
Coop und Swisscom spannen bei der E-Commerce-Plattform Siroop zusammen. Beide haben 50 Millionen investiert. Zahlt sich das aus?
Die Zahlen kommentiere ich nicht. Aber ich bin überzeugt, dass sich die Investitionen auszahlen werden. Siroop ist bei weitem nicht nur Swisscom und Coop. Unsere Plattform steht allen offen, auch KMU. Das ist wichtig, damit wir die Leistung und die Arbeitsplätze in der Schweiz halten können.
Die Migros ist mit Digitec und Galaxus klarer Marktleader. Wollen Sie da vorbeikommen?
Siroop hat gute Chancen, zum beliebtesten Online-Marktplatz zu werden Unser Vorteil ist die Vielfalt und die Einfachheit. Bei uns kommt der Konsument mit einem Login zu einem enormen Angebot. Heute muss er über zig Plattformen gehen.
Sie haben Siroop von den europäischen Wettbewerbsbehörden absegnen lassen. Was haben Sie im Ausland vor?
Zuerst wollen wir im Sommer die Westschweiz erschliessen. Dann schauen wir weiter.
Wie ist Coop unterwegs?
In den ersten vier Monaten haben sich die Umsätze stabilisiert. Ende Jahr wollen wir mindestens auf Vorjahreshöhe sein.
Ihre Mutter hat einen Volg geführt. Als Kind halfen Sie im Laden mit. Was haben Sie gelernt?
Der Laden war unser Zuhause. Als Bub habe ich Mehl, Zucker und Reis abgefüllt. Ich war ganz nah bei den Kunden. Das war das Wichtigste: Der Kunde verändert sich. Wenn man das nicht sieht und nicht in die Zukunft investiert, ist man schnell weg vom Fenster. Heute sind wir am gleichen Punkt wie damals. Die Angebote werden auf den Kunden zugeschnitten. Heute läuft dies über die Technologie.
Wann werden die Coop-Supermärkte personalisiert?
Es ist gut möglich, dass Sie im Coop-Supermarkt irgendwann namentlich begrüsst werden. Auch digitale Preisschilder werden kommen. Spätestens in fünf Jahren sind wir so weit. Die Automatisierung geht enorm schnell voran.
Viele haben Angst, sie würden deshalb ihren Job verlieren. Manche Manager befürworten deshalb ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Davon halte ich nichts. Solche Ängste tauchten bei jedem Technologieschub auf, bewahrheitet haben sie sich nie. Das war zu Eschers Zeiten nicht anders wie heute. Revolutionen geschehen nicht von heute auf morgen. Wir müssen die Zeit nutzen, die Ausbildung anzupassen. Dann wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Und wir müssen auch an den Leistungen arbeiten, die wir nicht digitalisieren können. Gute Metzger und Fischverkäufer wird es immer brauchen. Niemand bestellt einen Fisch im Internet.