Swisscom-CEO Schaeppi überzeugt nicht nur seine Freunde
«Urs kann beissen, leiden, durchhalten»

Er stand im Schatten seines Vorgängers. Aber nach einem halben Jahr als Chef der Swisscom hat Urs Schaeppi alle Skeptiker überzeugt.
Publiziert: 09.02.2014 um 12:31 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2018 um 00:36 Uhr
Von Jenni Thier

Das grelle Scheinwerferlicht stört Urs Schaeppi (53). Es blendet ihn, er blinzelt, wenn er ins Publikum schaut. Der Swisscom-Chef steht am Rednerpult, vor ihm eine Schar Journalisten in Erwartung der Unternehmenszahlen für 2013. Konzentriert beginnt Schaeppi seinen Vortrag im Raum «Exchange» in der Börse Zürich. Seine Stimme ist ruhig und monoton, er bewegt sich kaum.

Schaeppi ist kein geborener Redner, der die Massen mitreisst. Er möchte es wohl auch gar nicht sein. «Das Rampenlicht liegt mir weniger», antwortet er auf die Frage nach seiner grössten Schwäche. «Ich ziehe einen gemütlichen Abend im Freundeskreis einer pompösen Gala jederzeit vor.»

Das Gegenteil seines Vorgängers

Ganz anders sein Vorgänger. Carsten Schloter (†49) war ein Charismatiker. Er konnte seine Zuhörer für sich einnehmen, wirkte omnipräsent, oft visionär. Seine Selbsttötung am 23. Juli 2013 war ein Schock für die Swisscom, auch für Schaeppi.

Er war ein Vertrauter und Freund Schloters, mit dem er 2010 die «Patrouille des Glaciers» bestritten hatte, das wohl härteste Skitourenrennen der Welt. So unterschiedlich Schloter und Schaeppi charakterlich tickten, in ihrer Begeisterung für den Wintersport waren sie gleich.

Nach Schloters Tod übernahm Schaeppi das Ruder des Swisscom-Tankers, zunächst nur ad interim. Zwar war er in seiner vorherigen Position als Leiter des Schweiz-Geschäfts bereits für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich, doch damals hielt er sich im Hintergrund.

Schloter dagegen wirkte als Stratege, übernahm die grossen Präsentationen vor Medien und den Telekom-Analysten der Banken. Im Vergleich dazu muteten Schaeppis erste Gehversuche auf diesem für ihn ungewohnten Terrain zaghaft an. Zweifel kamen auf, ob der Berner für den Chefposten geeignet sei. Ihm fehle «das gewisse Etwas», raunten Beobachter.

«Ich habe mir gut überlegt, ob ich den Job machen will»

Doch Verwaltungsratspräsident Hansueli Loosli (58) hob ihn aufs Schild. Er wusste: Mit Schaeppi hat er einen Mann, dem alle Seiten grosse fachliche Kompetenz bescheinigen, der intern als nahbar gilt und im persönlichen Gespräch auch mal einen Spruch macht. Mit ihm, dem Swisscom-Urgestein, konnte Loosli die eingeschlagene Firmenstrategie sichern.

Schaeppi selbst war sich zunächst gar nicht so sicher, ob er den Schritt auf die oberste Sprosse der Karriereleiter überhaupt wollte. «Ich habe mir gut überlegt, ob ich den Job machen will», sagt er. «Erstens: Traue ich mir das zu? Kann ich das? Und zweitens: Will ich das?» Schaeppi beriet sich mit seiner Partnerin, mit der er in Kehrsatz BE lebt. Er wollte weiterhin Zeit für Sport und Familie haben. Am Ende stand der Entschluss, die Chance zu packen.

Am 6. November wählte ihn der Verwaltungsrat zum Chef. Am darauffolgenden Tag dann die offizielle Verkündung seiner Amtsübernahme – im Raum «Decision» (Entscheidung) der Börse Zürich. Zum Start übergab Loosli dem neuen Chef eine Glücksmünze, die er als Coop-Chef 20 Jahre im Hosensack getragen hatte.

Er habe viel Glück gehabt

Looslis Goldvreneli habe er immer im Portemonnaie, erzählt Schaeppi. Hat es ihm Glück gebracht? «Das ist schwierig zu sagen», meint er. Es sei eine nette Geste gewesen. «Aber ich bin nicht abergläubisch. Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben.» Immer wieder hätten sich gute Chancen aufgetan, sagt er. «Einige davon konnte ich nutzen.»

Ein halbes Jahr führt Schaeppi nun den Telekomriesen, seine erste Jahresbilanz stellte die Analysten zufrieden. Und ausgerechnet das, was ihm anfangs als Schwäche ausgelegt wurde, scheint nun eine Stärke zu werden. Zum einen hat sein Auftreten an Sicherheit gewonnen. Zum anderen sehen es viele positiv, dass Schaeppi nicht versucht, Vorgänger Schloter zu imitieren.

«Er ist authentisch», so der Tenor in der Branche. Dass Schaeppi eher im Schweizerdeutschen als im Englischen zu Hause ist, wird ihm nachgesehen. Dafür kann er mit Fachkompetenz und als Mannschaftsspieler punkten. «Die Jahreskonferenz hat sich nicht nur auf ihn konzentriert», sagt ein Analyst. Im Gegensatz zu anderen

Unternehmen, wo der Chef seinen Untergebenen schon mal ins Wort falle, spiele Schaeppi ihnen die Bälle zu. «Da bekommt man das Gefühl, dass es eine breit abgestützte Linie im Unternehmen gibt.» So entstehe Vertrauen.

Schaeppi, der Teamplayer

Auch seine Sportkameraden beschreiben Schaeppi als Teamplayer. Doch im Wettkampf zeigt er auch die Leaderqualitäten, die er sonst nicht so offen ausspielt. «Er ist sehr ehrgeizig», erzählt André Lüthi (53), Chef des Reiseveranstalters Globetrotter. «Er möchte eine gute Zeit erreichen und gewinnen.»

Lüthi hat mit Schloter, Schaeppi und Swisscom-Finanzchef Mario Rossi (53) 2010 und 2012 für die «Patrouille des Glaciers» trainiert. Dieses Jahr geht Schaeppi erneut an den Start. Mit Rossi und Roger Wüthrich-Hasenböhler (52), dem Leiter des KMU-Bereichs, läuft er den Abschnitt von Arolla nach Verbier VS – immerhin 28 Kilometer. «Da muss ich noch trainieren», stapelt der frühere Skirennfahrer Schaeppi tief.

Doch sein Freund Lüthi meint: Schaeppi wird bereit sein und die Führung der Truppe übernehmen. Dort oben, in den Walliser Alpen, gibt es kein Rednerpult und keine Präsentation. Dort zählen Taten, nicht Worte. Das ist Schaeppis Terrain. «Der Urs», sagt Lüthi, «der kann beissen, leiden, durchhalten.»

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