Was haben Sie persönlich zuletzt auf Ricardo verkauft?
Christoph Tonini: Ich habe letztens erfolgreich das «Villiger Silvretta+»-E-Bike meiner Frau verkauft, und ich wünsche der Käuferin viel Spass damit!
Sie feiern das 25-jährige Bestehen von Ricardo, neu integrieren Sie künstliche Intelligenz. Was ist «Ricardo AI» und wie sollen die Nutzer davon profitieren?
«Ricardo AI» macht den Secondhand-Handel auf Ricardo unglaublich einfach und schnell. Tippen Sie auf das AI-Symbol in der Ricardo-App, richten Sie einfach Ihre Handykamera auf einen Gegenstand und mit Hilfe von KI werden Ihnen ähnliche Artikel auf Ricardo zum Kaufen angezeigt. Oder wenn Sie einen Artikel verkaufen möchten, erhalten Sie anhand des Bildes automatisch Angebotsbeschreibungen.
Das tönt alles schön. Die grosse Bedrohung allerdings ist Cyberkriminalität. Laut dem Bund haben die Betrugsfälle 2023 um 30 Prozent zugenommen. Wie sicher ist Onlineshopping? Was tun Sie auf Ihren Plattformen für die Sicherheit?
Cybersecurity ist für uns eine echte Priorität. Gerade bei Ricardo investieren wir sehr viel – jedes Jahr einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Auf unseren Marktplätzen sorgen Massnahmen wie die Multi-Faktor-Authentifizierung, passwortlose Logins und der Ricardo-Sicherheits-Service «MoneyGuard» dafür, dass unsere Nutzer sicher unterwegs sind. Und dies mit anhaltendem Erfolg, denn die Betrugsfälle bewegen sich auf unseren Plattformen im Promillebereich.
Jeder hinterlässt im Internet Spuren. Wie gehen Sie mit unseren Daten um? Können Sie den Konsumenten versichern, dass ihre Daten nicht an Dritte weitergegeben werden?
Datenschutz ist enorm wichtig, und wir stellen sicher, dass unsere Datenschutzstandards den höchsten Anforderungen entsprechen.
Die Konsumgesellschaft produziert immer mehr Abfall und CO2. Hand aufs Herz – beschleunigen Plattformen diese Entwicklung nicht noch zusätzlich?
Ganz im Gegenteil: Über 70 Prozent aller Verkäufe auf Ricardo sind Secondhand-Artikel, die Abfall reduzieren, Ressourcen schonen und CO2-Emissionen vermeiden. Im Jahr 2023 wurden beispielsweise 4,6 Mio. Secondhand-Artikel verkauft, was über 160’000 Tonnen CO2 eingespart hat. Jede Secondhand-Transaktion verlängert die Lebensdauer von Produkten und trägt aktiv zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft bei.
Sie sagen, dass Ricardo ein grünes Unternehmen ist?
Ricardo fördert bewusst den nachhaltigen Konsum. Über Ricardo, tutti.ch und anibis.ch wird alle fünf Sekunden ein gebrauchter Artikel verkauft, wodurch schon heute so viel CO2 eingespart wird, wie ca. 15’000 Menschen jährlich produzieren. Wenn wir von rund 200 ungenutzten Dingen pro Haushalt ausgehen, denen ein zweites Leben geschenkt werden könnte, sehen wir noch grosses Potenzial, die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz weiter zu stärken.
Hier sind Sie gross, im internationalen Vergleich immer noch klein. Wie behaupten Sie sich im globalen Wettbewerb mit Plattformen wie Amazon und Tiktok?
Ricardo steht tatsächlich in einem sehr harten Wettbewerb mit internationalen Giganten wie Amazon, Temu und Alibaba. Im Internet gibt es keine Schweizer Grenzen, und diese grossen Player drängen unaufhaltsam in unseren Markt. Wir behaupten uns, indem wir uns ständig neu erfinden, gezielt in Innovationen und Sicherheit investieren und den Fokus auf die Bedürfnisse unserer Nutzer legen.
Was bringt es den Schweizer Konsumenten überhaupt, eine Marktplattform im Inland zu haben?
Ricardo ist mit der Schweiz digital erwachsen geworden. Während globale Riesen auf Masse setzen, bietet Ricardo eine starke, lokale Alternative, die auf bewussten Konsum setzt und nachhaltig handelt. Im Vergleich sind wir der David, der sich mutig gegen die Goliaths behauptet.
Mit Ihren Preiserhöhungen bei Homegate und ImmoScout24 haben Sie heftige Kritik geerntet – bis hin zu Boykottaufrufen und einer Ermittlung des Preisüberwachers. Sind Sie zu teuer?
Alle unsere Preise sind leistungsbezogen und spiegeln kontinuierliche Investitionen in die Sicherheit, technologische Weiterentwicklungen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Plattformen wider. Damit schaffen wir Mehrwert für unsere privaten Nutzer und Immobilienprofis gleichermassen.
Wer 40 Franken pro Monat zahlt, kann sich früher auf Wohnungen bewerben als Gratisnutzer. Das Abo muss für mindestens drei Monate gelöst werden. Sie können aber schon nachvollziehen, dass das die Leute nicht erfreut?
Sie meinen das «MieterPlus»-Abonnement, das wir ab 2023 bei ImmoScout24 und Homegate eingeführt haben und jeweils kostenlos eine Woche getestet werden kann. Es entstand auf Kundenwunsch und bietet umfangreiche Vorteile: Dank einem Bewerbungsvorsprung und weiteren enthaltenen Leistungen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich ein neues Zuhause zu finden. Das bewerten auch Vermieter positiv, eine Win-win-Situation also.
Sie erhöhen Geschwindigkeit und Preise, gleichzeitig kürzen Sie beim Personal: Die SMG hat im Frühling den Abbau von 80 Stellen angekündigt. Putzen Sie das Unternehmen für den geplanten Börsengang heraus?
Dies war kein eigentlicher Abbau, sondern eine Verlagerung von Stellen in Investitionsbereiche. Wie gesagt, wir stehen in einem harten nationalen und internationalen Wettbewerb, der uns zwingt, stetig in die Produkte, Sicherheit und Technologie zu investieren. Unsere Produkte müssen im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleiben, was erhebliche Mittel erfordert. Um diese Investitionen zu ermöglichen, müssen wir auch unsere Effizienz verbessern.
Die Plattformen der SMG wie AutoScout24, Homegate, Ricardo oder Anibis sind alle hochprofitabel!
Wenn ich beim Hochsprung zwei Meter überspringe, ist das beeindruckend, aber verglichen mit der Weltelite fehlen noch 40 Zentimeter. Das beschreibt unsere Situation: Wir sind profitabel im Vergleich zu anderen Branchen, aber im internationalen Wettbewerb mit führenden digitalen Marktplätzen müssen wir zur Spitze weiter aufschliessen.