Swiss-CEO Thomas Klühr (53)
«Pünktlichkeit können wir bei der SBB lernen»

Im Februar übernahm der Deutsche Thomas Klühr (53) die Swiss. Im BLICK nimmt er erstmals Stellung zu seinen Plänen mit der Swiss, seinem Leben in Zürich - und warum er Elektrovelo fährt.
Publiziert: 26.06.2016 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:41 Uhr
«Der Franken wird damit noch stärker.»
Foto: Sabine Wunderlin
Moritz Kaufmann und Guido Schätti

Herr Klühr, die Briten haben für den Brexit gestimmt. Wie tief sitzt der Schock?
Sehr tief. Der Franken wird damit noch stärker. Nach Januar 2015 erleben wir nun wahrscheinlich den nächsten Frankenschock.

Aber ein starker Franken ist doch gut für die Swiss. Sie können billiger im Ausland einkaufen. Und die  Schweizer reisen mehr. 
Das stimmt so leider nicht ganz, da wir unsere Erträge grösstenteils in Fremdwährungen erzielen und auf der Kostenseite der Schweizer Franken dominiert. Unsere Wettbewerber haben dadurch weiteren Spielraum für Preissenkungen. Und durch den starken Franken wird die Schweiz für Touristen noch teurer.

Fürchten Sie um die Schweizer Wirtschaft?
Die Schweizer Wirtschaft ist sehr robust. Dennoch stellt der Brexit eine grosse Herausforderung dar. 

Sie sind Deutscher und EU-Bürger. Was halten Sie persönlich von dem Entscheid?
Ich bin sehr enttäuscht. Ich bin seit jeher überzeugter Europäer. Das ist ein weiterer Dämpfer für die Idee, dass wir als Kontinent alle zusammenhalten wollen.

Was bedeutet der Brexit für die EU?
Der Brexit erfolgt nicht unmittelbar. Es wird nun mehrere Jahre dauern, bis klar ist, wie der Brexit effektiv ausgestaltet sein wird. Diese Phase der Unsicherheit ist ungünstig für die Wirtschaft und die Wirtschaftsbeziehungen auch zwischen der Schweiz und dem vereinigten Königreich.

Könnte die Schweiz einen Beitrag leisten?
Sicher. Die Schweiz kann als Vorbild dienen, wie in einer dezentralen Struktur gute Entscheidungen gefällt werden. Man muss aber auch sehen: In der Schweiz ist diese politische Kultur über Jahrhunderte gewachsen.

«Die Schweiz kann als Vorbild dienen.»
Foto: Sabine Wunderlin

Sie sind vor Kurzem ins Nicht-EU- Land Schweiz gezogen. Was ist anders für Sie?
Das hat zwar nichts mit der EU zu tun, aber in der Schweiz fahre ich mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit. Ich bin beeindruckt von der Pünktlichkeit und Sauberkeit. Beim Bahnhof Zürich-Stadelhofen habe ich am Morgen drei Minuten zum Umsteigen. Das ist knapp, aber es klappt meistens.

Dann ist die Zürcher S-Bahn pünktlicher als die Swiss?
Eine Airline und ein Bahnunternehmen kann man schwer vergleichen. Aber wir können sicherlich lernen von den SBB. Zum Beispiel, wie die SBB Verspätungen abbaut. Wenn es am Flughafen zu Verspätungen kommt, tun wir uns schwer, das wieder aufzuholen. 

Sie müssten sich mal mit SBB-Chef Andreas Meyer unterhalten. 
Das habe ich fest vor. Man kann immer lernen voneinander.

Ein Viertel aller Swiss-Flüge ist beim Abflug mindestens eine Viertelstunde verspätet. Wie machen Sie die Swiss wieder pünktlich?
Oft sind diese Verspätungen nicht alleine durch die Swiss verursacht. Es sind viele Massnahmen notwendig, um das zu stabilisieren. Das geht nur zusammen mit dem Flughafen und der Flugsicherung Skyguide. Das sind lange Prozesse. Das habe ich in den vier Monaten hier gelernt.

Dass die Situation in Zürich so kompliziert ist, liegt auch an den einseitigen Massnahmen, die Deutschland ergriffen hat. 
Ja, da machen die Nachbarn Druck. Aber die Resultate der kürzlich von den deutschen Landkreisen in Auftrag gegebenen Lärmstudie kann ich nicht ganz ernst nehmen. Bei 20 bis 30 Dezibel kann man nicht von Lärm sprechen. Das ist reine lokalpolitische Stimmungsmache. Dabei profitiert gerade der süddeutsche Raum von der Flughafenregion Zürich und unseren Verkehrsanbindungen!

Das müssen Sie der deutschen Seite sagen! 
Das tun wir. Ich habe einen sehr guten Zugang zur deutschen Politik. Aber ich bin Realist. Deutsche Politiker müssen in Deutschland gewählt werden. Da sieht es schlecht aus, wenn sie sich für Schweizer Anliegen stark machen.

Die Swiss nimmt 2016 mit der Boeing 777 und der Bombardier C-Series gleich zwei neue Flugzeuge in Betrieb. Ist die Swiss dem gewachsen?
Die Arbeitsbelastung ist hoch. Da ich allerdings auf ein sehr gutes Team zählen kann, habe ich keinen Zweifel, dass wir das erfolgreich bewerkstelligen.

Die Swiss ist die erste Airline überhaupt, die mit der C-Series fliegt. Was überwiegt: Der Stolz oder die Sorge, dass etwas schief geht?
Natürlich der Stolz! Das gilt für die ganze Mannschaft. Nicht viele können in ihrer Karriere einen brandneuen Flugzeugtyp in Betrieb nehmen. 

Mit den neuen Flugzeugen haben Sie auf einen Schlag hunderte zusätzliche Plätze zur Verfügung. Wie wollen Sie die verkaufen?
Kurzfristig wird die Auslastung leicht zurückgehen. Aber dank des hohen Komfortangebots der neuen Flugzeuge rechne ich damit, dass sie in einem Jahr wieder gleich hoch ist wie heute.

Golfairlines wie Emirates oder Qatar bedrängen die traditionellen Airlines mit Top-Service und tiefen Preisen. Kann die Swiss auf Dauer mithalten? 
Die Golf-Airlines können nur so günstig fliegen, weil sie massiv subventioniert werden von ihren Regierungen. Mit einem fairen Wettbewerb hat das nichts zu tun. Deshalb brauchen wir politische Unterstützung. Es kann nicht sein, dass die Golf-Airlines Direktflüge von europäischen Hubs nach Übersee anbieten dürfen.

Ist eine Rückkehr der Swiss an den Euro-Airport in Basel ein Thema?
Nein, das steht nicht zur Diskussion.Es würde uns unverhältnismässig viel Geld kosten, da wieder anzugreifen. Dafür wollen wir in Genf Flagge zeigen. Den Marktanteil von 15 Prozent wollen wir halten.

Das Online-Reservationssystem hat viele BLICK-Leser verärgert. Haben Sie die Probleme im Griff?
Manche Kritik war berechtigt, aber insgesamt ist es gut gelaufen. Das im Februar neu eingeführte System hatte teilweise Anlaufschwierigkeiten. Mir ist es sehr wichtig, dass wir diese schnellstmöglich vollständig beheben. Vieles konnten wir schon lösen.

Ihr Vorgänger Harry Hohmeister ist heute bei der Lufthansa Chef der Qualitäts-Airlines. Ist er der heimliche Swiss-Superchef?
Mein Chef ist der Verwaltungsrat. Harry Hohmeister mischt sich nicht ein, aber er unterstützt uns. Auch wenn er jetzt in Frankfurt ist, schlägt sein Herz für die Swiss.

Was machen Sie, wenn Sie nicht Swiss-Chef sind?
Momentan dominiert das Swiss-Chef-Sein. Daneben fahre ich gerne Fahrrad, gehe gerne in Kinos oder kleinere Musikklubs. Die muss ich in Zürich noch finden. Gerade habe ich mir ein E-Bike gekauft. Einen Flyer. In Zürich gehts einfach so oft rauf und runter.

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