Herr Vranckx, warum dauert es so lange, Ihre Nachfolge als Swiss-CEO zu bestimmen?
Dieter Vranckx: Eine Nachfolge zu bestimmen, ist immer eine wichtige Angelegenheit. Und es ist auch für Swiss wichtig, dass ab dem 1. Juli die richtige Person kommt. Es wird bald eine Entscheidung geben.
Swiss ist meine Heimat, sagen Sie oft. Warum wollen Sie weg aus Zürich?
Ich habe 17 Jahre Erfahrung bei Swissair und Swiss gesammelt und da kann man schon von Heimat sprechen. Ich bleibe mit meiner Familie in der Schweiz zu Hause. Aber ich habe auch Lust, neue Sachen zu lernen, neue Erfahrungen zu machen und mich weiterzuentwickeln. Und darum ist diese neue Stelle beim Lufthansa-Konzern eine gute Möglichkeit.
Sie wohnen in Herrliberg am Zürichsee. Pendeln Sie bald täglich nach Frankfurt am Main statt nach Kloten?
Nein, ich werde nicht jeden Tag nach Frankfurt pendeln, da ich auch weltweit viel unterwegs sein werde. Ich verantworte unter anderem verschiedene Joint Ventures, die der Konzern hat: mit Air China, All Nippon Airways in Japan, Singapore Airlines, Air Canada und mit United. Zudem arbeiten viele Lufthansa-Group-Teams nicht nur in Frankfurt, sondern zum Beispiel auch in München und in Zürich.
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Bisher sind Sie CEO. Neu werden Sie Kommerzchef der Lufthansa. Ist das ein Schritt seitwärts oder aufwärts auf der Karriereleiter?
Ich werde die Verantwortung für alle kommerziellen Aktivitäten und unter anderem das Kundenerlebnis der Lufthansa Group Hub Airlines haben. Dazu zählen Swiss, Lufthansa, Austrian und Brussels Airlines. Das sehe ich als einen weiteren Schritt in meiner Karriere.
Sie waren dreieinhalb Jahre Swiss-Chef. Was waren die Highlights?
Ein Highlight war, gemeinsam mit unserem Management und dem Swiss-Team den Turn-around zu schaffen, vor allem nach dem schwierigen 2021, und die Restrukturierung nach der Corona-Krise erfolgreich abzuschliessen. Ebenso die schwarze Null, die wir im 2022 geschafft haben. Das war die Basis, um wieder investieren zu können und die Transformation weiter voranzutreiben. Zudem konnten wir erfolgreiche Gesamtarbeitsverträge abschliessen mit dem Bodenpersonal, den Pilotinnen und Piloten sowie den Kabinenmitarbeitenden.
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Wir dachten, Sie sagen, der Jahresgewinn 2023 – der grösste in der Firmengeschichte – sei das Highlight gewesen.
Natürlich ist das auch ein Highlight. Aber statt ein einmaliges Resultat zu erzielen, ist es für mich wichtiger, dass es Swiss mittelfristig und langfristig gut geht und sie stabil und konkurrenzfähig aufgestellt ist.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagt, die Swiss sei eine Perle im Konzern, denn sie liefere den grössten Gewinn ab.
Das freut uns. Aber wichtiger, als eine Perle zu sein, ist, eine Perle zu bleiben. Daran arbeiten wir.
Und was lief nicht ideal während Ihrer Zeit als Swiss-Chef?
Eine Restrukturierung bietet stets Möglichkeiten für Verbesserungen. Im Nachhinein ist es natürlich immer einfach, Entscheidungen von damals kritisch anzuschauen. Wir haben während der Krise wegen Corona die Investitionen fast komplett zurückgeschraubt und eigentlich hätten wir in bestimmten Bereichen weiter investieren müssen.
Sie meinen, neue Flieger zu kaufen?
Nein, wir haben sogar während der Krise Maschinen des Typs Airbus A320 Neo eingeflottet. Das war mutig, wenn man unsere damalige finanzielle Situation mit 1 Milliarde Franken Verlust über zwei Jahre betrachtet. Aber bei anderen Investitionen wie zum Beispiel neue Sitze, hatten wir den Pausenknopf gedrückt und eigentlich hätten wir da investieren sollen. Aber die Situation war speziell, wir hatten kein Geld und waren tief verschuldet. Und im Rückblick waren gewisse Entlassungen vielleicht etwas zu drastisch, zumal sich das Geschäft schneller als erwartet erholte. Insgesamt würde ich die Restrukturierung jedoch wieder ähnlich gestalten, denn in Europa waren wir die Fluggesellschaft, die am schnellsten und effizientesten aus der Krise gekommen ist. Und wir waren zwei Jahre früher als geplant schuldenfrei.
Dieter Vranckx, Jahrgang 1973, ist seit Anfang 2021 Chef der Swiss. Der schweizerisch-belgische Doppelbürger hat bereits eine langjährige Karriere im Swiss-Mutterkonzern Lufthansa hinter sich und wird ab 1. Juli dieses Jahres als Chief Commercial Officer der Lufthansa Group arbeiten.
Bei der Swiss wird er als Vizepräsident des Verwaltungsrats weiterhin tätig sein. In seiner neuen Rolle auf Konzernebene ist er als Vorstand «Globale Märkte und kommerzielle Steuerung Hubs» der Lufthansa Group aktiv. Dazu zählen auch die Bereiche «Customer Experience» und «Konzernmarkenführung».
Dieter Vranckx, Jahrgang 1973, ist seit Anfang 2021 Chef der Swiss. Der schweizerisch-belgische Doppelbürger hat bereits eine langjährige Karriere im Swiss-Mutterkonzern Lufthansa hinter sich und wird ab 1. Juli dieses Jahres als Chief Commercial Officer der Lufthansa Group arbeiten.
Bei der Swiss wird er als Vizepräsident des Verwaltungsrats weiterhin tätig sein. In seiner neuen Rolle auf Konzernebene ist er als Vorstand «Globale Märkte und kommerzielle Steuerung Hubs» der Lufthansa Group aktiv. Dazu zählen auch die Bereiche «Customer Experience» und «Konzernmarkenführung».
War es eine gute Idee, einen Impfzwang fürs fliegende Personal durchzusetzen?
Die Impfquote beim Kabinenpersonal war bei uns damals unter 40 Prozent. Andere Airlines in Europa waren bei 80 Prozent. Wenn man 80 Prozent geimpfte Mitarbeitende hat, kann man seinen Flugbetrieb viel zuverlässiger und stabiler planen. Wir waren kurz davor, mehrere unserer Langstreckenflüge zu streichen, weil wir zu wenig geimpfte Mitarbeitende hatten, die diese Flüge durchführen konnten. Ausserdem wäre es für die geimpften Mitarbeitenden zu einer unfair hohen Zuteilung der Flüge nach China gekommen. Daher war die Impfpflicht wichtig.
Nun steht Ihr neuer Job an. Was werden konkret Ihre Aufgaben sein?
Meine neue Rolle betrifft die gesamte Reisekette, vom Flugangebot über den Verkauf und die Distribution bis hin zur Digitalisierung der Angebote und zur Markenführung der jeweiligen Hub-Airlines im Konzern.
Derweil ist die Kundenzufriedenheit bei Swiss und dem Lufthansa-Konzern schlecht.
Für mich ist eines der Hauptthemen die Stabilität unseres Angebots. Dass wir die Flüge, die wir verkaufen, auch tatsächlich durchführen. Und dafür sorgen, dass unsere Dienstleistungen transparent und fair gegenüber den Kunden sind. Auch im Kundendienst und in Sachen Pünktlichkeit wollen wir uns noch verbessern.
In der Schweiz gibt es zurzeit häufig Berichte über mysteriöse Flugticket-Stornierungen, oder dass sich Leute aus anderen Gründen an die Swiss wenden und dass es zu keinem Ergebnis kommt. Was läuft schief?
Wenn man Millionen Tickets verkauft und Millionen Umbuchungen macht, dann geht auch mal etwas schief. Das sollte natürlich nicht sein, aber es passiert. Das ist aber nur ein ganz kleiner Teil, und für uns ist es immer wichtig, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Nach Corona haben sich die Flugticketpreise deutlich erhöht, auf manchen Strecken zum Teil sogar verdoppelt. Ist das fair gegenüber den Kunden?
Unsere Preise sind im 2023 gegenüber 2022 um 2 Prozent gesunken. Das heisst, wir haben im letzten Jahr durchschnittlich weniger pro Passagier eingenommen als im Jahr zuvor.
Wie werden sich die Preise langfristig entwickeln?
In diesem Jahr gehe ich davon aus, dass die Preise für Flugtickets weiter sinken werden.
Warum? Weil weniger Leute fliegen oder das Angebot stark erhöht wird?
Weil es immer mehr Angebot im Markt gibt und die Nachfrage nicht gleich stark ansteigt wie direkt nach der Corona-Krise. Langfristig gesehen werden die Flugpreise aufgrund erhöhter Kosten und Investitionen in Nachhaltigkeit jedoch steigen.
Ab 2025 wollen Sie neue Sitze in der Eco, Premium Economy, Business und First Class offerieren. Verzögert sich das wie bei vielen anderen Projekten oder halten Sie den Zeitplan ein?
Daran halten wir fest. Bei anderen neuen Sitzen hat es tatsächlich Verzögerungen gegeben, weil es an Ersatzteilen mangelte und es zudem Lieferengpässe beim Material gab.
Das neue Sitzkonzept wird unter dem Begriff «Swiss Senses» lanciert. Doch letztlich ist es ziemlich genau das, was Lufthansa mit den neuen Allegris-Sitzen offeriert. Wo ist die Unterscheidung zur Swiss?
Wenn wir damit am Start sind, werden Sie sehen, dass es zwei unterschiedliche Produkte sind, im Sinne von Look and Feel, Herkunft und Swissness.
Es wird sicher nicht komplett anders als Allegris bei Lufthansa aussehen.
Es sieht nicht komplett anders aus, aber die Materialien, Farben, das Ambiente sind Aspekte, die sehr stark auf Swissness ausgelegt sind. Ab Mitte 2025 können unsere Passagiere das in unseren neuen Flugzeugen des Typs Airbus 350 erleben, in der Economy, Premium Economy, Business und der First Class. Zudem werden wir bereits im Laufe dieses Jahres Verbesserungen auf der Langstrecke in der Economy Class einführen, unter anderem im Getränkeservice sowie durch ein viel breiteres Angebot an kleinen Snacks.
Kürzlich hiess es, bei Lufthansa soll es eventuell wieder kostenlos Tee und Kaffee geben. Warum nicht bei der Swiss?
Wir stehen im engen Austausch mit der Lufthansa und sind gespannt auf die Resultate. Basierend darauf werden wir entsprechende Schlüsse für Swiss ziehen. Unser Verpflegungskonzept Swiss Saveur kommt bei jenen Gästen, welche es nutzen, sehr gut an.
Die neue Swiss-Welt wird alles in allem weniger First-Sitzplätze haben, dafür aber mehr Premium-Economy- und ungefähr gleich viele Business- und Eco-Sitze?
Grundsätzlich ist dieser Eindruck nicht falsch, jedoch werden wir weiterhin auf der gesamten Langstreckenflotte First-Class-Sitze anbieten. In unserem Flagship, der Boeing 777-300, werden wir noch immer zwei Reihen First Class haben. Bei den Airbus 350 hingegen und bei den Airbus A330es wird es zukünftig nur eine Reihe First-Class-Sitze geben. Insgesamt bleiben wir aber eine Airline mit viel mehr Business- und First-Class-Sitzen und somit überdurchschnittlich vielen Premium-Sitzen im Vergleich zu anderen.
Haben diese Trends damit zu tun, dass nach Corona das Geschäft mit Geschäftsreisen nicht mehr so stark läuft?
Was das Angebot an Premium-Sitzen angeht, sind wir weiterhin weltweit ganz vorne mit dabei. Aber nach Corona sehen wir, dass es weniger Geschäftsreisende gibt. Dafür fliegen viele Menschen privat, beispielsweise in die Ferien, mit der Business Class – besonders auf der Langstrecke.
In der neuen Lufthansa-Allegris-Business-Class soll es Unterschiede geben: Da gibt es Privacy-Sitze am Fenster und da gibt es welche, die heissen Thron, weil sie mehr Platz haben oder ein extralanges Bett. Zum Teil kostet das einen Aufpreis. Warum schöpfen Sie selbst bei Business-Class-Kunden zusätzlich ab?
Das ist eine Individualisierung des Produkts. Jede Person ist anders. Wenn jemand über zwei Meter gross ist, wird er sich natürlich freuen über einen Sitz mit mehr Platz. Der Thron-Sitz mit mehr Privatsphäre gibt es bei Swiss schon seit Jahren. Die Bedürfnisse unserer Kunden sind vielseitig, dem tragen wir Rechnung.
Sitzt man im Flieger auf dem Thron-Sitz, ist das das neue Statussymbol?
Das gibt es in anderen Branchen auch: In der Hotellerie gibt es spezielle Betten oder spezielle Kissen, für die man gerne etwas mehr bezahlt, um das Erlebnis zu individualisieren.
Egal ob Business-Class oder Holzklasse: Bei der Pünktlichkeit muss die Swiss deutlich zulegen.
Wir haben für dieses und nächstes Jahr ein Programm ins Leben gerufen, um uns beim Thema Pünktlichkeit zu verbessern. Da müssen wir nochmal ein paar Zacken zulegen.
Wie?
Wenn am Flughafen Zürich 30 Prozent der Start- und Landekapazität aufgrund von Bise gekürzt wird, ist es natürlich schwierig, unsere Pünktlichkeitsziele zu erreichen. Unser Ansatz ist jedoch: Alles, was wir selber beeinflussen können, wollen wir auch steuern und dafür übernehmen wir die volle Verantwortung. Wir arbeiten dabei eng mit unseren Flughafenpartnern zusammen und auch beispielsweise mit Meteo Schweiz. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz versuchen wir etwa, die Effekte eines Gewitters viel präziser vorherzusagen.
In der EU gibt es deutlich bessere Entschädigungsregeln für Flugpassagiere, etwa bei Verspätungen. Warum ist die Swiss nicht kulanter?
Wir sind diesbezüglich mit dem Lufthansa-Konzern verbunden und befolgen die Regelungen, wie alle anderen Fluggesellschaften der Gruppe. Wir schauen uns aber natürlich an, bei wem die Verantwortung für die Verspätung liegt. Beispielsweise bei Streiks an Flughäfen als Ursache für Verspätungen liegt die Verantwortung nicht bei den Fluggesellschaften.
Bei Boeing gibt es seit längerer Zeit schon Probleme und zahlreiche Sicherheitsbedenken. Manche Menschen fragen sich, ob sie noch in Boeing-Maschinen einsteigen sollen oder nicht. Was sagen Sie dazu?
Natürlich verfolgen auch wir die Entwicklungen bei Boeing genau. Bei Swiss ist der Typ Boeing 777-300ER im Einsatz, der sehr zuverlässig ist. Ich steige daher ohne Bedenken in Boeing-Maschinen ein.
Apropos Sicherheit: Wo sitzen Sie am liebsten im Flieger?
Das spielt keine grosse Rolle. Gerne am Fenster, aber in welcher Reihe ist weniger wichtig.
Was ist Ihre liebste Destination?
Auf der Kurzstrecke würde ich sagen Malaga. Auf Langstrecken ist es Chicago, Singapur oder Hongkong, weil wir da als Familie gewohnt haben.