Swica geht mit schlechtem Beispiel voran
Boni-Wahnsinn bei den Krankenkassen

Nicht die beste Medizin: Die Krankenkasse Swica zahlt Ärzten in ihren Gesundheitszentren einen Bonus – wenn sie Umsatz bolzen!
Publiziert: 21.11.2011 um 10:37 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:49 Uhr
Von Roman Seiler

Hans-Ueli Regius führt die Swica mit Zuckerbrot und Peitsche. Dies bekommen die 300 Angestellten der 19 Gesundheitszentren des fünftgrössten Krankenversicherers zu spüren.

Der Delegierte des Swica-VR verlangt, dass medizinische Praxisangestellte ab Januar zweieinhalb, Ärzte gar fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten müssen, bei gleichem Lohn!

Dafür unterbreitet Regius seinen Ärzten eine neue «Zielvereinbarung», die BLICK vorliegt. Laut Swica-Sprecherin Gaby Szöllösy geht es darum, die Ärzte zu motivieren, «möglichst viele Patienten zu behandeln».

«Viel Zeit mit Patienten» – höhere Kosten

Dabei sollen die Mediziner in den Gesundheitszentren «viel Zeit mit den Patienten verbringen, sie genau untersuchen, gut beraten und präzise Diagnosen erstellen.» Für diese Leistungen verrechnen Ärzte Taxpunkte, die im Schnitt mit 88 Rappen entschädigt werden.

Schafft es einer, pro Jahr 425000 Taxpunkte aufzuschreiben – 374000 Franken –, kassiert er einen Bonus von 15000 Franken.

Wer mehr Punkte erreicht, erhält bis zu 50 Prozent des zusätzlichen Umsatzes. Ein Arzt kann sich so über 30000 Franken erstrampeln. Als «Startgehalt» bietet Regius Ärzten laut einem Stelleninserat «130- bis 140000 Franken plus circa 10 Prozent Leistungsanteil».

Das Bonussystem ist gesundheitspolitisch ein Unsinn, denn es ist umsatzabhängig. Obendrein ist das Leistungsziel relativ hoch, «aber nicht unerreichbar», sagt Urs Stoffel, Chirurg und Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich.

Auf 425000 Taxpunkte für ärztliche Leistungen kämen rund 30 Prozent der Hausarztpraxen: «Selbst über 465000 Taxpunkte in einem Jahr zu schaffen, ist nicht unmöglich.» Wer diese Anzahl Punkte durchbricht, knackt den Swica-Jackpot.

Ein Bonus widerspricht dem Prinzip von Gesundheitszentren

Verlässt ein Arzt das Gesundheitszentrum vor Jahresende, verfällt der Bonus. Die Kritik von FDP-Ständerat Felix Gutzwiller: «Ein Arzt in einem Gesundheitszentrum sollte keinen Anreiz haben, möglichst viele Einzelleistungen zu verrechnen.»

Ein umsatzabhängiger Bonus widerspreche dem Grundgedanken von Managed Care in Gesundheitszentren, so Gutzwiller. Mediziner sollten Patienten, die solche Versicherungsmodelle wählen, möglichst gut und kostensparend behandeln. Dabei gehe es darum, Doppel- oder gar unnötige Untersuchungen auszuschliessen.

Stoffel bezeichnet die Bonusvereinbarung der Swica gar als «ethisch fragwürdig». Um dieses Leistungsziel zu erreichen, bestehe «ein Anreiz zur maximalen und nicht zur optimalen medizinischen Versorgung».

Für Stoffel unverständlich: «Mit diesen Bonuszahlungen provoziert der Versicherer ja höhere Krankenkassenprämien.»

Diese Vorwürfe weist Swica-Sprecherin Szöllösy zurück: «Mit diesem Anreizsystem soll der Arzt nicht dazu verleitet werden, möglichst viele technische und damit finanziell lukrative Leistungen zu generieren, also Mengenausweitung zu betreiben.» Daher sei das Entlöhnungssystem «ganz im Interesse von Managed Care».

Die Swica zahlt bereits heute Ärzten in Gesundheitszentren einen von der Anzahl der verrechneten Taxpunkte abhängigen Bonus. Regius hat das System nun an die neuen Arbeitszeiten angepasst.

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