Herr Hayek, schon Ihr Vater legte sich gern mit Analysten an, Sie setzten die Tradition fort. Aber so laut wie in diesem Jahr war es noch nie. Warum?
Im Zentrum meiner Bemühungen stehen unsere Angestellten und unsere Kunden und nicht die Personen, die mit dem Aktiengeschäft Geld verdienen. Die können natürlich ihre Meinung haben. Wenn sie derzeit unzufrieden sind, verstehe ich das. Ich bin ja auch Aktionär und hätte gern einen höheren Kurs.
Zu Jahresbeginn eskalierte die erste Analystenkonferenz, und nach dem starken Einbruch durch die Halbjahreszahlen schwoll die Kritik weiter an. Das tut Ihnen also nicht weh?
Die Finanzcommunity war mit mir schon vor unserer Konferenz im Januar nicht zufrieden. Wir kennen deren Vertreter doch und erleben jedes Jahr das Gleiche. Ihr Geschäftsmodell ist es, Aktien zu verkaufen, meines ist es, schöne Uhren herzustellen und zu verkaufen. Für mich als Unternehmer spielt es keine Rolle, ob ein Analyst eine positive Meinung zur Aktie hat oder nicht, für unser Businessmodell oder die Strategie ist das irrelevant. Das ist die übliche Diskussion. Sie blieb auch im Januar langweilig anständig, bis sich ein Herr einschaltete, der gar nicht dabei sein sollte, da er kein Analyst war, sondern ein Fondsmanager mit einem relativ kleinen Portfolio von Swatch-Group-Aktien.
Und dann ging es los.
Er behauptete, die Aktionäre seien frustriert, und tat so, als würde er für alle Aktionäre sprechen. Das hat mich verärgert. Ich habe ihn energisch unterbrochen und darauf hingewiesen, dass ich selbst mit der Familie Hayek ein sehr grosser Aktionär bin. Ich gab ihm aber recht, dass die Aktie stark unterbewertet ist. Zumal unsere Bilanz unglaublich solid ist: kein Goodwill in den Büchern, keine Schulden, ein Immobilienportfolio mit null Hypotheken. Aber das scheint für die Börse irrelevant zu sein.
Warum spiegelt sich das nicht im Aktienkurs? Die Swatch Group ist am Markt vier Milliarden weniger wert als in ihren Büchern.
Ja, die Bewertung reflektiert sicherlich nicht den wahren Wert des Unternehmens. Wie schon gesagt, deswegen ändern wir jetzt nicht unsere Prioritäten, was das operative Geschäft und unsere Strategie angeht. Was die Finanzcommunity an uns aber gar nicht mag, ist, dass wir keine Roadshows machen und, mit guten Gründen, keine Prognosen und keine Guidance für die Margen abgeben.
Warum machen Sie das nicht?
Roadshows finden bei uns nicht statt, weil wir keine Partikularinteressen bedienen, sondern alle Aktionäre punkto Informationen gleich behandeln wollen und müssen. Gewinnprognosen machen wir keine, weil wir sehr langfristig denken und arbeiten. Und wir sind ja eine komplett vertikalisierte Unternehmung, die inklusive der Uhrenwerke alles selbst herstellt. Wenn es einmal schlechter läuft, behalten wir unsere Festangestellten, auch wenn es halt während einiger Monate den Gewinn massiv schmälert. Für uns haben unsere Mitarbeiter Priorität.
Freiwillig auf Margen verzichten – aus Börsensicht der Horror.
Aus Unternehmersicht macht es aber Sinn. Da nützt unsere Unabhängigkeit: keine Schulden und eine starke Bilanz.
Offenbar können Sie dem Markt Ihr Modell nicht gut verkaufen. Haben Sie ein Kommunikationsproblem?
Wir sehen keine Priorität darin, uns der Börse und dem Finanzmarkt anzudienen. Die Börse ist für uns eine kurzfristige Angelegenheit, und wir sind nicht von ihr abhängig. Wir verkaufen Uhren, keine Aktien. Wenn es um Kommunikation an unsere Kunden geht, sind wir weltweit führend: siehe die MoonSwatch.
Stört es Sie nicht, dass ein Monomarken-Hersteller wie Breitling bei einem Börsengang auf acht Milliarden Franken geschätzt würde und damit gleich hoch bewertet wäre wie Ihr gesamter Konzern mit fast zehnmal so viel Umsatz?
Nein. Die Börse ist für mich wie gesagt kein Gradmesser. Die Börse ist ein Casino. Einen Aktionär zu verlieren, kostet die Gruppe ja nichts. Bei den Mitarbeitern sieht es anders aus. Wir haben im Unternehmen 93 verschiedene Metiers, in denen wir Mitarbeiter beschäftigen. Wenn wir diese Angestellten verlieren, dann kostet uns das viel. Wir haben sie ja rekrutiert, angestellt, aus- und weitergebildet. Also kümmere ich mich doch viel mehr um die Mitarbeiter als um die Aktionäre. Davon werden auch sie am Ende profitieren.
Aber das heisst doch: Sie müssen weg von der Börse.
Müssen nicht, aber es wäre sicher von Vorteil.
Dann hätten Sie Ruhe vor der negativen Presse.
Ach, das bin ich gewohnt. Nur wenn es persönliche Attacken sind, verletzt das schon. Wir werden vor allem aus dem Dunstkreis des Zürcher Finanzestablishments kritisiert. Da gibt es schon lange Ressentiments. Das erste Halbjahr 2023 war ein Rekordhalbjahr. Da gab es viel Lob. Und im ersten Halbjahr 2024 haben wir ein schlechtes Resultat eingefahren. Da ist es ja auch normal und legitim, dass wir kritisiert werden. Wir waren am Anfang des Jahres zu optimistisch.
Nochmals: Wäre es nicht viel besser für Sie, auch für die eigene Seelenhygiene, zu sagen: Ich bin nicht mehr an der Börse, ich tue mir das nicht mehr an. Leisten könnten Sie es sich.
Dann rechnen Sie das mal vor.
Der Börsenwert liegt bei besagten acht Milliarden Franken …
… in der jetzigen Situation müsste man mindestens 30 bis 40 Prozent on top bezahlen. Jeder kann eine Bilanz lesen und einfach herausfinden, was da für Reichtümer in der ganzen Geschichte schlummern.
Sie würden einen Aufpreis zahlen?
Natürlich. Das ist eine Frage der Fairness gegenüber allen Aktionären.
Also sagen wir elf bis zwölf Milliarden Franken. Sie gebieten ja über 42 Prozent der Stimmen und 25 Prozent des Kapitals, wenn man den Zahlen glauben kann.
Inzwischen ein bisschen mehr.
Dann bräuchten sie etwa acht Milliarden. Die liessen sich doch einfach auftreiben mit dieser grossen Substanz in Ihrer Firma, Ihren Weltbrands und Ihrem sehr hohen Eigenkapitalanteil. Warum machen Sie es nicht?
Schon zu Zeiten meines Vaters haben wir immer wieder über eine Dekotierung nachgedacht, und klar: Sie würde die ganzen Strukturen verschlanken.
Sie könnten alles aufrechterhalten, wenn Sie nicht mehr kotiert wären.
Ob wir kotiert sind oder nicht, ändert nichts an unserem Verhalten, wir operieren genau so, wie wenn wir nicht kotiert wären. Damit passen wir nicht in die Landschaft der börsenkotierten Unternehmen. Man sagt uns, wir seien stur. Ich sage, wir sind berechenbar in unserer Unberechenbarkeit: Jeder, der eine Swatch-Aktie kauft, weiss, wie wir operieren. Fragen Sie mal nach bei Blackrock oder anderen, die wissen ganz genau, wie wir agieren – auch gegenüber der Börse –, und sie kennen unsere Prioritäten. Das ist unsere Kultur. Wir zahlen Dividenden, auch zu Covid-Zeiten, weil wir finden, der Aktionär hat das verdient. Aber die Börse, das wissen wir alle, ist ein Casino, an einem Tag heisst es, die Investoren haben den Glauben verloren, am nächsten Tag haben sie ihn wiedergefunden.
Da bleibt eben nur: weg von der Börse.
Da gebe ich Ihnen recht.
Wann ist es so weit?
Wir haben keinen Zeitdruck, denn die Firma ist durch die Situation an der Börse ja nicht bedroht.
Aber zeitnah?
Sie meinen, im nächsten Jahr?
Warum nicht? Die Swatch Group ist eine Familienfirma par excellence. Sie wieder vollkommen in die Hände der Familie zu geben, wäre doch ein Vermächtnis sondergleichen.
Vermächtnis ist nicht das Thema. Aber ja, wir überlegen uns, was wir tun können.
Wenn Sie Geld für ein Going-private benötigten, könnten Sie auch eine Marke verkaufen. Breguet etwa gilt als Juwel, das unter Potenzial läuft. Dort haben Sie gerade einen neuen Chef installiert. Was ist sein Auftrag?
Sicherlich nicht Breguet zu verkaufen. Breguet ist der Uhrmacher schlechthin. Wir haben in Bezug auf unsere Luxusmarken eine andere Philosophie als andere Luxusmarken, werden die Marke nicht pushen, nur weil jetzt alle nach Luxus schreien, sondern an der Substanz arbeiten. Bei einer so exklusiven Marke wie Breguet halte ich es für falsch, unter allen Umständen, zwei, drei, vier Milliarden Franken Umsatz machen zu wollen. Es geht darum, dass man in der Tradition von Breguet agiert, dem grössten Erfinder in der Uhrenindustrie.
Das heisst?
Wir brauchen noch mehr Produkte und eine Distribution, die Breguet gerecht wird. Da schlagen wir unser eigenes Tempo ein. Aber ich gehe mit Ihnen einig, Breguet hat grosses Potenzial.
Sie verfügen über einen riesigen Immobilienbesitz, der mit dem Kerngeschäft auch nicht viel zu tun hat.
Dafür werden wir gern von den Analysten kritisiert. Aber: Das sind alles Immobilien, die unserer Retailstrategie nützen – was in der Finanzbranche nicht verstanden wird. Und es wird auch nicht verstanden, dass es keinen Sinn macht, uns mit Richemont zu vergleichen: Die haben vor allem Marken im oberen Segment und sind im Schmuck sehr gross, wir haben auch Marken im oberen Segment und eine Schmuckmarke, aber dazu auch viele Marken im unteren Bereich plus die ganze Produktion. Und was noch weniger Sinn macht: Wir werden mit Marken verglichen, die ausserhalb der Börse sind und behaupten können, was sie wollen, und niemand kann es überprüfen.
Laut einer Vontobel-Studie hat die Swatch Group zwischen 2019 und 2023 zwei Prozent Wachstum erzielt, bei Audemars Piguet waren es 21 Prozent …
… AP kann ihre Werke nur herstellen dank unseren Assortiments …
… stört es Sie nicht, so schlecht wegzukommen?
Nein, denn diese Studien spiegeln ja nicht die Realität wider. Sie behaupten etwas über AP, aber wissen tun sie es nicht. Es sind nur Annahmen, die oft sehr spekulativ sind. AP publiziert ja keine offiziellen Zahlen. Apropos offizielle Zahlen: Wissen Sie, wie hoch die Eigenkapitalquote von Kering ohne Goodwill ist?
Sagen Sie es.
Für 2023 beträgt sie 13 Prozent ohne Goodwill und ohne Markenwerte, ansonsten aber auch nur 39 Prozent, LVMH hat 43 Prozent mit Goodwill, ohne Goodwill und Markenwerte noch leicht über 20 Prozent. Unsere Eigenkapitalquote ist 86,1 Prozent mit null Goodwill und null Markenwerten in den Büchern. Das ist etwas, wonach Analysten nie fragen, weil sie nur auf Wachstum, Profit und schnelle Steigerung des Börsenwerts fokussiert sind.
Sie erzielen rund ein Drittel des Umsatzes im Markt Greater China. Und da will aktuell kaum jemand Schweizer Uhren kaufen.
Ja, wir haben da Einbrüche von bis zu 50 Prozent. Das ist schwer wettzumachen, auch wenn es andernorts gut läuft. Omega ist dort um rund 30 Prozent eingebrochen, Tissot um rund 20 Prozent und Longines um ebenfalls rund 30 Prozent. Swatch ist ein Prozent im Plus. Diese Ergebnisse sind schlecht, aber nicht selbst verschuldet. Dieser Markt ist für uns sehr wichtig. Wir werden weiter investieren. Ich bin ziemlich sicher, dass wir dort 2025 ein Plus von 10 bis 20 Prozent gegenüber 2024 erreichen können. Die Chinesen haben Geld, aber sie geben es derzeit nicht so schnell aus. Ich persönlich hoffe zudem, dass wir mal jemanden haben mit dem Mut, hinter den Kulissen über den Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu sprechen.
Sie hoffen auf Donald Trump?
Ich bin mir sicher, Trump will unbedingt den Friedensnobelpreis gewinnen. Wenn er es schaffen würde, Frieden zu stiften, hätte das für uns alle einen Nutzen, ausser für die Rüstungsindustrie. In Europa würde die Stimmung umschlagen, was vor allem auch in Deutschland nötig wäre, es ist wirklich ein Sorgenkind.
Sie haben erfolgreich dafür gekämpft, nicht mehr sämtliche Uhrenmarken mit ETA-Werken beliefern zu müssen. Wie hat sich das ausgewirkt?
Heute wählen wir aus, mit wem wir arbeiten – und beliefern nur wenige Drittkunden wie Hermès, Chanel oder Chopard. Vor 2014/15 hat ETA über 750 Millionen Franken mit Drittkunden erzielt, an die wir unsere Produkte verkaufen mussten. Wir haben dann mit der Weko eine Lösung gefunden, wie wir stufenweise unsere Lieferungen reduzieren konnten. Viele haben in guten Zeiten wie wahnsinnig Uhrwerke bestellt und stornierten schon bei einer kleinen Krise wieder die Aufträge. Das wollten wir nicht mehr, und wir haben gesagt, wir verzichten auf diesen Umsatz. Dazu kommt, dass wir der Meinung sind, dass viele unserer Konkurrenten auch in die Entwicklung und Produktion eigener Uhrwerke investieren sollten. Konkurrenz belebt die Innovation. Wir verzichteten also auch im Interesse der Schweizer Uhrenindustrie auf diese Umsätze. Ganz ist uns das aber noch nicht gelungen, dass einige unserer Konkurrenten selbst in ihre Uhrwerke investieren.
Sondern?
Sellita und Kenissi haben die Funktion von ETA übernommen. Und unsere Tochter Nivarox, die die Spirale für viele Uhrwerke herstellt, ist heute noch verpflichtet, jeden zu beliefern, und liefert jedes Jahr fast 900'000 Assortiments an Sellita, die dann daraus Uhrwerke herstellt und an unsere ehemaligen Kunden liefert, darunter viele, viele bekannte Marken. Das ist die Realität in der Uhrenindustrie 2024.
Sie stärken die Wettbewerber.
Klar. Eigene Werke herzustellen, braucht Fabriken, Arbeiter, Investitionen und ist im Interesse der Schweizer Uhrenindustrie. Als Bernard Arnault uns 2012 an der Baselworld besucht hat, als er gerade Bulgari gekauft hatte, haben wir ihm gratuliert und gesagt, es wäre schön, wenn Sie in der Schweiz auch ein paar Milliarden in Fabriken investieren würden, wir brauchen Personen wie Sie, die sich auch industriell engagieren. Er antwortete uns mit einem Kompliment, nämlich, dass die Swatch Group die besten Uhrwerke der Welt herstelle und er sehr glücklich sei, unser Kunde zu sein. Wir dagegen sind seit je davon getrieben, nicht von Dritten abhängig zu sein und uns immer weiterzuentwickeln. 2023 haben wir 226 Patente angemeldet, damit sind wir die Nummer 6 der Schweiz, hinter Nestlé. Die nächste Uhrengruppe ist Rolex auf Rang 29 mit 35 Patenten.
Die Swatch Group hat preislich eine Angebotspalette von rund 50 bis 600'000 Franken. Spitzenreiter ist Ihr Schmuckhersteller Harry Winston. Wie läuft dieses Geschäft?
Im 2023 waren wir bei praktisch einer Milliarde Dollar Umsatz, und dies nur mit eigenen Läden. Pro Laden erzielt Harry Winston mehr Umsatz als Cartier oder Van Cleef & Arpels. Aber ich will hier betonen: Unser Ziel mit der Marke war es nie, durch aggressive Expansion von neuen Läden Wachstum zu generieren. Wir wollen wachsen, aber nur an den richtigen exklusiven Standorten, im richtigen Markt. Harry Winston macht es super, erwirtschaftet einen super Profit. Und wenn ich das Wachstum vergleiche mit den Zahlen von Cartier und Van Cleef & Arpels, sind wir absolut dabei. Aber wir agieren viel konservativer.
Inwiefern?
Van Cleef zum Beispiel hat auch Franchise-Boutiquen. Das wollen wir nicht, uns gehören alle Geschäfte. Das heisst aber auch, dass wir das Lager besitzen. Harry Winston hat 45 Läden. Was denken Sie, wie viele Produkte man in den Boutiquen an Lager haben muss, damit man Geschäfte machen kann? Es braucht eine grosse Auslage von zwischen 20 und 30 Millionen Franken, mindestens. Das sind schon 1,2 Milliarden Franken nur Stock an Produkten in den Läden.
Gutes Stichwort: Der Lagerbestand der Swatch Group ist mit fast acht Milliarden Franken bleischwer.
Knapp 7,7 Milliarden Franken. Aber ja, das hält man uns auch die ganze Zeit vor. Lager ist für uns eine Opportunity. Wir verkaufen ja keinen Fisch, der nach zwei oder drei Tagen weggeschmissen werden muss. Rund ein Drittel des Lagerwerts steckt in Positionen wie Gold und Diamanten. Da wir sämtliche Komponenten für unsere Uhren in unseren eigenen Fabriken herstellen, braucht es auch hier genügend Lager an Rohmaterialien wie Keramik und Biokeramikpulver. Nivarox zum Beispiel braucht eine Spezialstahlreserve im Wert von 100 bis 200 Millionen Franken. Ebenfalls Teil des Lagerbestandes sind die Produkte in Arbeit, Halbfertigerzeugnisse und Fertigprodukte. Aber die Lagerwerte sind nicht nur in der gesamten Produktionspipeline, sondern auch über das gesamte Logistiknetzwerk für den Export und den Vertrieb, bis hin zu den rund 1500 eigenen Boutiquen an der Verkaufsfront. Im Customer Service haben wir die Garantiezeit für unsere Uhren von zwei auf fünf Jahre erhöht. Allein der Lagerbestand für diese Komponenten beträgt rund 500 Millionen Franken.
Das muss man sich leisten können.
Lager zu haben, bedeutet für uns nicht ein Risiko, sondern erlaubt uns, schnell in der Produktion zu agieren. Meine Schwester als Verwaltungsratspräsidentin und auch unser gesamter Verwaltungsrat haben die gleiche Kultur und vertreten die gleichen Werte. Da heisst es nie, wir müssen die Lager reduzieren, um den Aktienkurs zu pflegen.
Aber auch die Corporate Governance wird von Analysten als schwach taxiert – sie seien umgeben von Ja-Sagern, heisst es.
Wir sind umgeben von Leuten, die unsere Werte teilen und starke Persönlichkeiten sind. Darum war es möglich, als damals mein Vater unerwartet verstorben ist, innert zwei Tagen meine Schwester Nayla als Verwaltungsratspräsidentin zu bestimmen. Wir haben eine VR-Sitzung abgehalten, waren zwar traurig, aber ohne kontroverse Diskussionen.
Das war vorgespurt?
Natürlich sind wir auf alles vorbereitet, und wir haben gezeigt, dass wir schnell und ohne Konflikte agieren können. Wenn ich oder meine Schwester aus irgendeinem Grund nicht mehr in unseren Funktionen sein können, weiss der Verwaltungsrat genau, wie er agieren muss, aber das kommunizieren wir natürlich nicht nach aussen.
Sind Sie der grösste Einzelaktionär?
Nein, meine Schwester, mein Neffe und ich haben unsere Aktien gepoolt und sind alle gleichberechtigt.
Sie sind 69 Jahre alt und noch voll engagiert dabei. Werden Sie bald kürzertreten?
Ich kann mir vorstellen, nicht mehr jeden Tag in die Firma zu kommen. Es fasziniert mich, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Wir haben grossartige Produkte in der Pipeline und fantastische Kollaborationen, die wir in den kommenden Jahren bringen. Darauf freue ich mich sehr.
Läuft die MoonSwatch weiter so gut?
Swatch hat im letzten Monat ein Rekordergebnis erzielt.
Dank der MoonSwatch?
Die «Mission to the Super Blue Moonphase» war innert 19 Tagen ausverkauft. Wir wachsen aber auch in den normalen Core-Kollektionen. Wissen Sie übrigens, wofür Swatch steht?
Swiss Watch?
Nein, Second Watch. Und die Idee dahinter war damals, dass die Leute die Gewohnheit ablegen, nur eine einzige Uhr zu tragen und immer die gleiche. Das hat den gesamten Markt erweitert.
Swiss Banking besteht inzwischen nur noch aus einer einzigen Grossbank.
Bedauerlicherweise. Ich glaube, man hätte das besser lösen können. Und zwei Grossbanken zu haben, wäre besser als nur eine. Wenn ich die UBS gewesen wäre, hätte ich die CS behalten und nach einer gewissen Zeit 30 Prozent oder mehr an die Börse gebracht, um sicherzustellen, dass sich nicht eine Konkurrenz aus dem Ausland hier etablieren kann. Stattdessen hat man die CS nun einfach verschwinden lassen, alles wird UBS. Ich habe diese Meinung auch einmal Herrn Ermotti gegenüber erwähnt bei einer offenen Diskussion bei einem Mittagessen. Ich bin aber kein Banker, es hätte aber noch interessante zusätzliche Aspekte gehabt.
Nämlich?
Dass einige Schweizer Industrielle wie wir, Lindt & Sprüngli und vielleicht andere wie Schindler, Stadler Rail oder Ems-Chemie sich engagieren können und sich am Kapital einer CS Schweiz beteiligen. Wir als Swatch Group waren bereit dazu.
Was ist daraus geworden?
Ich habe mit zwei Industriellen telefoniert, beide haben positiv reagiert, allerdings zum Zeitpunkt, da es noch Turbulenzen gab. Schliesslich ging das mit der UBS sehr schnell, und als es durch war, habe ich die Finger davon gelassen.
Wie investieren Sie persönlich eigentlich Ihr Geld?
Ich bekomme von der Bank immer mal wieder eine automatisierte Meldung: «Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Sie ein grosses Klumpenrisiko haben, weil Sie nur Aktien einer Firma haben, der Swatch Group.»
Also Sie haben keine anderen Aktien?
Ich besitze keine einzige Aktie eines anderen Unternehmens. Warum auch?