Ein Pflegebett und ein Nachttisch: Das ist alles, was Bewohnerinnen und Bewohner des Alters- und Pflegezentrums Platten in Meilen ZH künftig in ihrem Zimmer noch als Grundausstattung erhalten. Wer gern einen Tisch und zwei Stühle hat, zahlt 100 Franken Miete – pro Monat.
Wenn es mit einem Lehnstuhl, einem Fernsehmöbel und einem Fernseher noch etwas gemütlicher werden soll, kostet das total 250 Franken monatlich. Das sind 3000 Franken im Jahr.
«Ich finde das Wucher»
Agnes Müller stösst das sauer auf. Sie ist eine enge Angehörige einer Bewohnerin: «Früher war das Mobiliar während Jahren im Preis inbegriffen. Jetzt kosten zwei Stühle und ein Tisch plötzlich 1200 Franken im Jahr. Ich finde das Wucher», erzählt Müller, die in Wirklichkeit anders heisst, dem «Beobachter».
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Es seien zwar gute Möbel, die Stühle aus Holz, mit Armstützen und Kunstleder-Sitzfläche. «Nichts Extravagantes, aber sehr bequem.» Und doch: Der Stuhl, so schätzt sie, sei etwa 20-jährig. Sie sehe nicht ein, warum ihre Verwandte noch so viel zahlen soll. «In zwei Jahren könnte man sich mit dem Geld fast Designermöbel kaufen.»
Das Gesetz schreibt im Heim ein Bett vor
Rein rechtlich handelt das Heim Platten korrekt: Laut Auskunft der Zürcher Gesundheitsdirektion verlangt das Pflegegesetz lediglich, dass Heime ein Bett, Ablage- und Staumöglichkeiten zur Verfügung stellen.
«Wir haben festgestellt, dass einige Leute froh sind, wenn sie die Möbel von uns beziehen können, wenn der Haushalt bereits früher aufgelöst wurde», teilt Marie-Françoise Ruesch, Kommunikationsleiterin des Heims, dem «Beobachter» mit. Aktuell nutzten 8 von 104 Bewohnern Mobiliar des Zentrums.
Oft notfallmässig ins Pflegeheim
Die Bewohnerinnen kämen oft notfallmässig aus dem Spital ins Pflegeheim und benötigten dringend ein Zimmer. «Sie sind froh um ein wohnliches Ambiente.» Dank des Mobiliars des Alterszentrums könne man ab Tag eins ein fertig eingerichtetes Zimmer anbieten.
Nach den ersten beiden Eingewöhnungsmonaten, in denen die Möbel kostenlos sind, entscheide die Bewohnerin, ob sie im Alterszentrum bleiben möchte und allenfalls eigene Möbel mitbringe oder die des Alterszentrums mieten möchte.
«Mietmobiliar als Dienstleistung»
Den Ärger darüber, dass man von den bisherigen Bewohnern plötzlich Miete verlangt, kann Marie-Françoise Ruesch nicht nachvollziehen. «Wir bieten das Mietmobiliar als Dienstleistung an, gleich wie andere kostenpflichtige Angebote wie Coiffeur, Physiotherapie oder Dentalhygiene. Es steht allen Bewohnenden frei, das zu nutzen.» Mit anderen Worten: Wer keine Miete zahlen will für die Möbel, muss sie selbst mitbringen.
Doch warum kostet eine Dienstleistung plötzlich, die zuvor jahrelang gratis war? Eine Erklärung gibt Ruesch nicht. Sie verweist darauf, dass das Alterszentrum im Januar über die Verrechnung des Mietmobiliars informiert und Anfang Juni die Mietpreise bekannt gegeben habe. Andere Produkte kosteten wegen der Teuerung heute auch mehr.
Sie verneint nicht, dass die Möbel teils schon zehn und mehr Jahre alt und deswegen längst amortisiert sind. «Bei einer Automiete hat man auch nicht Anspruch auf das neuste Modell. Wir bieten hochwertige Möbel an.» Der technische Dienst bewirtschafte, pflege und warte die Möbel – diese Arbeit müsse auch vergütet werden. «Nachhaltigkeit ist uns auch beim Mobiliar wichtig.»
Preis laut Beobachter-Expertin zu hoch
Beobachter-Juristin Katrin Reichmuth schätzt die Situation anders ein als die Leitung des Alterszentrums Platten. «Diese teure Mobiliarmiete ist stossend – zumal auch der Zeitwert und die Abnutzung nicht berücksichtigt werden.»
Auch für Agnes Müller ist klar: «So viel Geld ist das Mobiliar nicht wert.»