Die ganze Schweiz streitet darüber, wie der finanzielle Gau bei den Stilllegung- und Entsorgungskosten der Atomkraftwerke noch abgewendet werden kann. Die AKW-Branche wehrt sich mit Händen und Füssen gegen höhere Beiträge. Atomkritische Kreise dagegen warnen vor den Folgekosten für die nächste Generation. Die Fronten sind verhärtet.
Es geht um viel Geld: 24,6 Milliarden Franken. So viel kosten die Stilllegung- und Entsorgung aller fünf Schweizer AKW. Das sagt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und korrigiert damit die Kostenstudie 2016 des Branchenverbands Swissnuclear um eine Milliarde Franken nach oben.
Ein Blick ins Ausland zeigt: Die Kosten steigen
Wie hoch der Betrag genau ausfällt, ist generell höchst umstritten: Für Marco Buser, Geologe und ehemaliges Mitglied der eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit, sind 24,6 Milliarden noch krass beschönigend: «Die reellen Kosten werden dramatisch unterschätzt.» Buser spricht von Endkosten von bis zu 100 Milliarden Franken. Auch die Eidgenössische Finanzkontrolle hat die Rechnung unter die Lupe genommen. Im Juni will sie einen Bericht vorlegen.
Ein Blick ins Ausland zeigt: In den letzten Jahren wurden die Kostenschätzungen für die Stilllegung und Entsorgung von AKW reihum nach oben korrigiert. Bei den Franzosen allein für die Endlager von 16,5 auf 36 Milliarden Euro. Für Stilllegung und Rückbau der Wiederaufbereitungsanlage im englischen Sellafield stiegen die veranschlagten Kosten von 47 auf 67 Milliarden Pfund.
Den Stromkonzerne Axpo, BKW und den übrigen Betreiber dagegen sind schon die 24,6 Milliarden Franken zu viel, die das Uvek ihnen in Rechnung stellt. Denn als Folge müssen sie jährlich mehr Geld in die entsprechenden Fonds einzahlen. Für die Betreiber kommt die Erhöhung zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, stehen sie doch finanziell bereits unter Druck. Sie haben darum diesen Monat Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen die neue Rechnung des Uvek eingelegt.
AKW-Betreiber torpedieren Sicherheitszuschlag
Auch der sogenannte Sicherheitszuschlag wackelt: Weil eine Finanzierungslücke im Fonds droht, beschloss der Bundesrat 2014 einen Sicherheitszuschlag auf die Stilllegungs- und Entsorgungskosten zu erheben. Damit soll verhindert werden, dass die Kosten des radioaktiven Mülls nicht auf die Steuerzahler abgewälzt werden, sollten die AKW-Betreiber einmal nicht mehr zahlen können.
Für Swisscnuclear-Geschäftsführer Philippe Renault ist der Sicherheitszuschlag «unnötig». «Begründbare Sicherheitszuschläge sind bereits eingerechnet worden», sagt Renault. Noch in diesem Jahr soll nun die Verordnung, in welcher der Sicherheitszuschlag festgelegt ist, revidiert werden. Auch gegen diesen Zuschlag haben die AKW-Betreiber eine Beschwerde eingereicht.
Nils Epprecht von der atomkritischen Schweizerischen Energiestiftung SES befürchtet, dass der politische Druck zunimmt, den Zuschlag zu senken. «Jetzt den Sicherheitszuschlag zu senken, wäre dasselbe, wie wenn man angesichts des drohenden Lochs in der AHV die AHV-Beiträge reduzieren würde.»