Strategiewechsel bei Nestlé
Lokal ist das neue Global

Ausgerechnet Nestlé setzt plötzlich auf gesunde und regionale Erzeugnisse. Die Neuausrichtung betrifft allerdings mehr das Marketing als die Produktion.
Publiziert: 01.10.2017 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:23 Uhr
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Nestlé-CEO Ulf Mark Schneider (52): «Wir wissen, wie der neue Konsument funktioniert.»
Foto: Richard Juilliart
Moritz Kaufmann

Schweizer gehen auf Reisen gern weit weg – um möglichst keinen Landsleuten über den Weg zu laufen. Doch egal, in welchem Winkel der Erde sie sind, früher oder später begegnen sie einem Produkt von Nestlé.

Wenige Schweizer Unternehmen sind so global aufgestellt. Weltweit arbeiten 335’000 Menschen für den Multi aus Vevey VD. Nestlé-Marken wie Kit Kat werden auf jedem Kontinent verkauft. Und ausgerechnet dieser Koloss will nicht mehr global sein?

«Lokalen Produkten vertraut man mehr»

Am Dienstag hielt CEO Ulf Mark Schneider (52) eine bemerkenswerte Rede vor Nestlé-Investoren in London. «Vor 30 oder 40 Jahren war es cool, wenn ein Produkt aus Japan oder Amerika kam», stellte Schneider fest. «Heute ist es umgekehrt. Lokalen Produkten vertraut man mehr.»

Der Deutsche hat erkannt: «Die Lebensmittelindus­trie verändert sich rasant!» Die tonangebenden Konsumenten von heute sind die so genannten Millennials – geboren zwischen 1980 und 2000. Sie stehen kurz davor, die höchsten Einkommensklassen zu erreichen. Und stellen Ansprüche an ihr Essen! Möglichst gesund und ursprünglich muss es sein. «Lokale Marken wachsen mit rund fünf Prozent. Globale Marken mit ein Prozent», bestätigt Jean-Philippe Bertschy. Der Analyst der Bank Vontobel war am Dienstag in London dabei. Er resümiert: «Gesundes Essen ist Mainstream geworden.»

Zuwachs durch Edel-Kaffee-Hersteller

Höchste Zeit also, dass der Konzern umschwenkt. Karin Frick, Forschungsleiterin am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI), stellt fest. «Nestlé ist eher spät dran. Dass Konsumenten mehr Wert auf Re­gionalität legen, zeigt die Forschung seit Jahren.» In welche Richtung die Reise geht, machte Nestlé schon vor zwei Wochen klar.

Das Kaffee-Portfolio, mit Nespresso oder Nescafé bereits prominent bestückt, erhielt Zuwachs durch die kalifornische Kette Blue Bottle. Sie hat viele Fans im Silicon Valley und steht für die «Dritte Kaffeewelle»-Bewegung, für die das Getränk kein einfaches Konsumgut ist, sondern ein Genussmittel, vergleichbar mit Wein.

Allerdings: Wenn Nestlé von lokaler Qualität spricht, bedeutet das keine Abkehr von der industriellen Linie, sondern lediglich eine andere Präsentation seiner Produkte: «Nestlé wird versuchen, glokal zu sein – global und gleichzeitig lokal», sagt Brian Rüeger, Marketing-Spezialist der Zürcher Fachhochschule ZHAW. Regionale Marken würden künftig im Vordergrund stehen. «Nestlé wird nur minimal sichtbar sein.»

Wie das geht, zeigt Nestlé mit dem milden Mineralwasser San Pellegrino – eine Perle im Portfolio. Dass die Marke zu Nestlé gehört, wird auf der Flasche gut versteckt. Der Preis für das Edelwasser ist dafür umso stolzer.

Kann Nestlé die Konsumenten überzeugen?

Die grosse Frage: Nehmen die Konsumenten Nestlé das ab? Nach dem Verkauf des individualistischen Start-ups Blue Bottle an den Lebensmittelmulti gab es einen Shitstorm. «Das Silicon Valley weint», titelte ein Onlinemagazin.

Experten glauben dennoch, dass Nestlé den Spagat meistern kann. «Die meisten Konsumenten sind keine Fundis», sagt Karin Frick. Und Analyst Bertschy stellt fest: «Millennials sind nicht einfach zu fassen. An einem Tag essen sie Quinoasalat, am nächsten gehen sie zu Burger King.»

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