Der Bundesrat hatte das Steuerabkommen vor zwei Jahren in Riad unterzeichnet. Wie andere ähnliche Abkommen soll es eine Doppelbesteuerung bei Einkommens- und Vermögenssteuern verhindern.
Nach dem Mord am saudischen Journalisten Khashoggi hatte die vorberatende Kommission die Beratung des Abkommens jedoch für ein Jahr sistiert. Sie wartete einen Bericht des Bundesrats ab, der offene Fragen rund um Menschenrechtsverletzungen im Königreich klären sollte.
Im vergangenen Herbst - nach Erklärungen des Bundesrats - zeigte sich die Mehrheit der Kommission überzeugt, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus politischer Sicht wichtig sei. Die Schweiz könne sich nur für die Menschenrechte und die Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, wenn sie den Dialog mit Saudi-Arabien fortsetze, lautete der Tenor.
Dieser Argumentation folgte am Montag eine Mehrheit der grossen Kammer. Am Ende stimmte der Rat mit 111 zu 78 Stimmen bei 5 Enthaltungen für die Vorlage. Damit das Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft treten kann, muss es noch vom Ständerat genehmigt werden.
Bei einer ersten Abstimmung hatte die Ratslinke zusammen mit der SVP die Vorlage noch abgelehnt. Letztere machte danach mit einem erfolgreichen Ordnungsantrag geltend, bei der ersten Gesamtabstimmung mehrheitlich den falschen Knopf gedrückt zu haben. Bei der zweiten Gesamtabstimmung kamen die meisten SVP-Nationalräte auf ihren ablehnenden Entscheid zurück und stimmten für das Doppelbesteuerungsabkommen.
Das war insofern überraschend, als dass SVP-Fraktionssprecherin Céline Amaudruz (GE) in ihrem Votum klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass ihre Fraktion das Abkommen mehrheitlich ablehnen werde. Es verletze die finanzielle Privatsphäre. Zudem liefere die Schweiz bei ähnlichen Abkommen erfahrungsgemäss mehr Informationen ins Ausland als umgekehrt.
SP und Grüne kritisierten das Abkommen aus anderem Grund. Der Bundesrat verfolge in erster Linie wirtschaftliche Ziele, ohne über eine solide politische Strategie gegenüber Saudi-Arabien zu verfügen, sagte Jacqueline Badran (SP/ZH). Die Vorlage solle deshalb an die Regierung zurückgewiesen werden. Dieser Antrag scheiterte mit 120 zu 66 Stimmen.
Finanzminister Ueli Maurer gab zu bedenken, dass der Bundesrat an einer Gesamtstrategie für die Region Mittlerer/Naher Osten arbeite. Zudem müssten die offenen Fragen zu Saudi-Arabien im Rahmen des laufenden Menschenrechtsdialogs geklärt werden. «Sie sollten kein Grund sein, ein technisches, formales Abkommen nicht zu abzuschliessen.»
Die Mehrheit des Nationalrats verliess sich darauf. Er sei überzeugt, dass ein solches Abkommen sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus politischer Sicht wichtig sei, sagte Markus Ritter (CVP/SG) im Namen der Kommission. Die Schweiz könne sich nur für die Menschenrechte und die Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, wenn sie den Dialog mit Saudi-Arabien fortsetze.
Beat Walti (FDP/ZH) bezeichnete Saudi-Arabien als «wichtigen Akteur in einem uns fremden Kulturraum". Es gälten dort andere Regeln. Ein Doppelbesteuerungsabkommen fälle aber kein Urteil über gut und schlecht zu wirtschaftlichen Beziehungen. Es gehe um Rechtssicherheit auf beiden Seiten.
Nach Angaben des Bundes gehört Saudi-Arabien zu den wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartnern der Schweiz in der Golfregion. Auf Einladung Saudi-Arabiens nimmt die Schweiz im November 2020 am Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen in der saudischen Hauptstadt Riad teil. Es ist die erste Teilnahme der Schweiz an einem G-20-Gipfel.
Zum regelmässigen Austausch gehören auch Dialoge im politischen Bereich. Die Schweiz ist in der Region im Rahmen ihrer Guten Dienste engagiert, unter anderem hat die Schweiz 2017 Schutzmachtmandate für Saudi-Arabien in Iran und für Iran in Saudi-Arabien übernommen.
(SDA)