In dieser Welt sind nur zwei Dinge sicher: der Tod und die Steuern», schrieb Benjamin Franklin einst einem Freund. Man sollte das Bonmot eines der Gründerväter der USA um die steigenden Krankenkassenprämien ergänzen.
Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen belastet die Haushaltsbudgets mehr und mehr. Dagegen sei kein Gras gewachsen, heisst es dann oft. Wir werden halt immer älter – und das kostet. Der Krankenkassenverband Santésuisse hat nun berechnet, welche Auswirkungen auf die Prämien das Alter tatsächlich hat. Das Resultat: Sehr gross sind sie nicht. Zwischen 2012 und 2017 stiegen die jährlichen Gesundheitskosten pro Kopf um 572 Franken (Grafik), aber nur 102 Franken – also rund 20 Prozent – lassen sich auf die steigende Lebenserwartung zurückführen. Der Rest geht laut Santésuisse auf «Fehlentwicklungen» zurück.
«Viel Potenzial Kosten zu sparen»
«Diese Berechnungen scheinen plausibel», sagt der Gesundheitsökonom Willy Oggier. Er gelangte bereits bei früheren Berechnungen zu ähnlichen Resultaten – und spricht auch aus, weshalb dieses Ergebnis so brisant ist: Bequemlichkeit! «Das Alter ist eine gern gebrauchte Ausrede, um Strukturen nicht anpassen zu müssen.» Politiker sprächen gerne vom Alter. «Denn so haben ihre älteren Wähler das Gefühl, dass sie gut umsorgt sind. Aber: Alt ist heute nicht mehr gleich krank.»
Die gute Nachricht: Es liesse sich demnach durchaus etwas gegen die Kostenlawine tun, wenn man nur wollte. «Es gibt viel Potenzial, Kosten zu sparen – bei gleicher Qualität», sagt Santésuisse-Direktorin Verena Nold. Sie zählt auch gleich auf, wo Luft im System ist: Konsequenter auf Generika zu setzen, also auf günstigere Medikamente, wäre eine Idee. Die Margen der Apotheker und Pharmagrosshändler zu senken, eine zweite. Und weniger Eingriffe durchzuführen: «Je mehr Ärzte oder Spitäler behandeln, desto mehr verdienen sie. Diese Fehlanreize müssen wir korrigieren.»
Nold ärgern die faulen Ausreden, mit denen man hohe Kosten rechtfertigt. «Oft wird auch der technologische Fortschritt als Ursache für das Wachstum genannt», sagt sie, «anderswo verdrängen innovative Produkte die alten, deren Preis darauf stark sinkt. Im Gesundheitswesen erhalten neue Methoden dagegen einen höheren Preis.»
Ärzte wollen weniger Bürokratie
Zweifel an den Erkenntnissen der Krankenkassen hat der Ärzteverband FMH. «Die Aussage, dass der grösste Anteil der Kostensteigerung auf Fehlentwicklungen und Mengenausweitungen zurückzuführen sei, ist aus unserer Sicht nicht belegt», schreibt der Verband.
Auch die Ärzte haben Vorschläge, wie der Kostenanstieg zu dämpfen wäre: durch weniger Bürokratie. Und durch Schaffung von fünf bis sieben Gesundheitsregionen, statt dass jeder Kanton ein eigenes Gesundheitssystem betreibt. Es helfe auch, mehr Eingriffe ambulant durchzuführen, Patienten also nach Operationen nicht unnötig im Spital zu behalten.
Ideen gäbe es genug. Aber nicht den Willen – auch nicht bei den Patienten, die am Schluss die Prämien zahlen.
Anfang Februar zum Beispiel lehnte die Basler Bevölkerung eine Fusion ihrer Spitäler mit den Baselbieter Krankenhäusern ab, obwohl die Region hoffnungslos mit Spitalbetten überversorgt ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Schön, dass wir alle länger leben. Aber an den hohen Prämien tragen wir auch aus anderen Gründen eine Mitschuld.