Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler über die Verpflichtung von Doris Leuthard
«Es ist zum Wohle des Steuerzahlers!»

Peter Spuhler (60) holt Doris Leuthard (56) in den Verwaltungsrat von Stadler Rail. Ein Engagement, für das es nicht nur Applaus gibt. Im exklusiven Interview mit SonntagsBlick schildert Patron Spuhler seine Sicht der Dinge.
Publiziert: 23.11.2019 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2019 um 10:25 Uhr
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Kennen sich schon länger: Peter Spuhler und Doris Leuthard.
Foto: Thomas Grabka/laif
Interview: Thomas Schlittler

Peter Spuhler (60) holt Doris Leuthard (56) in den Verwaltungsrat von Stadler Rail. Die ehemalige Bundesrätin verdient ihr Geld also in Zukunft in einer Branche, auf die sie in ihrer Zeit als Verkehrsministerin direkten Einfluss hatte. Im SonntagsBlick spricht Spuhler nun zum ersten Mal über das aufsehenerregende Engagement. Wir treffen den Unternehmer in einer Hotellobby am Flughafen Zürich.

SonntagsBlick: Herr Spuhler, Sie kommen direkt aus dem Flugzeug. Wo waren Sie?
Peter Spuhler: Ich war mit Bundespräsident Ueli Maurer und einer Wirtschaftsdelegation in Kasach­stan. Nächstes Jahr gibt es dort eine Ausschreibung für 900 bis 1200 Schlafwagen.

War die Reise ein Erfolg?
Das lässt sich noch nicht sagen. Wir haben harte Konkurrenz aus Russland und China.

Auch mit Doris Leuthard, Ihrer neuen Stadler-Rail-Verwaltungsrätin, waren Sie schon im Ausland unterwegs – als diese noch im Bundesrat sass.
Ich war mit Frau Leuthard einmal in Indien und einmal in Moskau. Als Unternehmer erwarte ich von Schweizer Politikern, dass sie die Wirtschaft unterstützen. Und zwar nicht nur, wenn sie im Amt sind, sondern auch danach. Ich verstehe nicht, wie man an der Tatsache, dass Doris Leuthard in den Stadler-Rail-Verwaltungsrat kommt, etwas Negatives sehen kann.

Gegen Wirtschaftsdelegationen im Schlepptau von Bundesräten sagt ja niemand etwas. Ein Thema wird es erst, wenn Bundesräte nach ihrer Amtszeit bei den gleichen Unternehmen im Verwaltungsrat sitzen. Da muss doch die Frage erlaubt sein, ob die entsprechenden Leute allenfalls auf so ein Amt spekuliert haben.
So ein Blödsinn! Frau Leuthard war in keinen Vergabeentscheid an Stadler Rail involviert. Nicht einmal der SBB-Verwaltungsrat entscheidet, welche Züge bestellt werden. Beim Giruno haben wir den SBB ein Dossier von 29'000 Seiten eingereicht. Meinen Sie, ein Verwaltungsrat liest das alles durch? Der Entscheid liegt alleine bei der Konzernleitung. Eine Geschichte wäre es demnach höchstens, wenn ich SBB-CEO Andreas Meyer in den Stadler-Verwaltungsrat holen würde. Aber Schieberei ist sowieso unmöglich, denn öffentliche Aufträge werden absolut transparent nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO ausgeschrieben, bewertet und vergeben.

Dennoch: Frau Leuthard hätte in jedes andere Unternehmen wechseln können. Aber sie ging genau zu Stadler Rail. Ein Unternehmen, das in ihrem früheren Tätigkeitsbereich aktiv ist. Ist das nicht zumindest unsensibel?
Nein, überhaupt nicht. Ich brauche für Stadler unabhängige Verwaltungsräte, die der Geschäftsleitung und mir auf die Finger schauen. Sie müssen Kompetenzen mitbringen, die in einem unserer Tätigkeitsbereiche wertvoll sind. Ich kann doch nicht irgendeinen Chefarzt einstellen. Der nützt dem Unternehmen nichts!

Was versprechen Sie sich konkret von Frau Leuthard?
Frau Leuthard hat in der europä­ischen Verkehrspolitik grosses Know-how erworben. Davon kann Stadler Rail bei strategischen Entscheiden profitieren. Wir haben auch CDU-­Politiker Friedrich Merz an Bord, der die globalen Verhältnisse, speziell auch Deutschland, sehr gut kennt. Unternehmen brauchen solche Verwaltungsräte, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Wo ist Frau Leuthard wichtiger für Sie: im Inland oder im Ausland?
Die Schweizer Verhältnisse kennen wir sehr gut. Lücken bestehen in den ausländischen Märkten und bei der Digitalisierung auf der Schiene. Das ist ein riesiges Thema, bei dem wir noch Lücken zu schliessen haben. Dort wird uns Frau Leuthard helfen können.

Sollte ein Bundesrat nach seiner Amtszeit unverzüglich jedes Mandat übernehmen können?
Nein, es braucht eine Cooling-off-Periode. Im Falle von Frau Leuthard und Stadler Rail werden das fast ­eineinhalb Jahre sein. Aber wenn man unseren Bundesräten nach ihrer politischen Karriere praktisch ein Berufsverbot auferlegen will, dann ist das falsch. Wir müssen doch für unser Land und unseren Werkplatz schauen und auf dieses Know-how zurückgreifen. Sonst verstehe ich die Welt nicht mehr!

Von einem Berufsverbot spricht ja niemand. Aber die Frage, welche Nähe noch zulässig ist, muss doch erlaubt sein.
Nochmals: Wir haben klare WTO-Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen. Frau Leuthard konnte nie sagen: Diesen und diesen Zug muss die SBB kaufen. Wenn es wirklich so wäre, dass wir hier versucht haben, von langer Hand etwas vorzubereiten, dann hätten wir ja auch den Doppelstöcker-Auftrag gewinnen müssen, der an Bombardier ging. Zumal wir sogar günstiger waren!

Und was ist mit den Reisen? Das kann man schon so lesen: Leuthard hat Spuhler mit nach ­Indien genommen und wird jetzt mit einem Verwaltungsrats­mandat belohnt.
Ich war mit Schneider-Ammann ­sicher zehn Mal im Ausland. Ich war mit Ogi unterwegs. Jetzt gerade mit Ueli Maurer.

Aber die sitzen jetzt nicht bei Ihnen im Verwaltungsrat …
Meinen Sie, weil ich dem indischen Premierminister Modi die Hand geschüttelt habe, kriegen wir jetzt ­einen Auftrag aus Indien? Vergessen Sie es. Kommt hinzu: Die Wirtschaftsdelegationen werden nicht von den Bundesräten zusammengestellt, sondern von Economiesuisse.

Wann sind Sie denn auf die Idee gekommen, dass Frau Leuthard für Stadler Rail interessant sein könnte?
Das weiss ich nicht mehr. Es ist aber auf jeden Fall noch nicht so lange her. Zudem möchte ich nochmals betonen: Es ist zum Wohle des Werkplatzes Schweiz – und zum Wohle des Steuerzahlers! Denn das Verwaltungsratshonorar wird Frau Leuthard von der Bundesrats-Pension abgezogen. Wollen wir Bundesräte, die vom Staat einfach ihre Pension bekommen und sich nicht mehr für das Wohl des Landes einsetzen? Als Steuerzahler sage ich: sicher nicht! Alt Bundesräte sollen sich weiter engagieren.

Wie viel kriegt Frau Leuthard für ihr neues Mandat?
Frau Leuthard bekommt wie alle anderen Verwaltungsräte 90'000 Franken pro Jahr. Für ein börsennotiertes Unternehmen liegen wir damit an der unteren Limite.

Sie sind ein gemachter Mann. Sie sind nicht mehr in der Politik und müssen deshalb niemandem mehr Rechenschaft ablegen. Trotzdem scheint Sie öffentliche Kritik noch immer zu beschäftigen. Wieso?
Ich bin nach wie vor mit viel Herzblut Unternehmer und wehre mich deshalb, wenn ungerechte Behauptungen aufgestellt werden – auch zum Schutze meiner Mitarbeiter. Neben Stadler habe ich auch Aebi Schmidt saniert sowie Rieter wieder auf Kurs gebracht. Ich habe mich immer für den Werkplatz eingesetzt und werde das auch weiterhin tun. Das ist mein Ziel, das ist mein Leben. Wenn ich dann das Gefühl habe, dass ich zu Unrecht kritisiert werde, dann nerve ich mich. Wenn es mich einmal nicht mehr nervt, dann muss ich aufhören.

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