Das Interesse an manchen Vorträgen ist so gross, dass die Sitzplätze nicht ausreichen und die Teilnehmer dicht gedrängt im Saal stehen. Viele kamen in der Hoffnung, Geld für die Finanzierung ihrer Geschäftsidee beschaffen zu können. Viel Geld.
Willkommen beim Schweizer Crypto ICO Summit! Bei diesem Treffen geht es um Kryptowährungen, also um Bitcoin und dessen Artverwandte, die auf der sogenannten Blockchain-Technologie beruhen. Der Anlass findet in der Samsung Hall statt, im Nordosten Zürichs. Rund 80000 Franken, umgerechnet etwas mehr als zehn Bitcoin, kostet die Tagesmiete für die Halle mit ihren rund 5000 Plätzen. Damit ist der Ende 2016 eröffnete Tagungsort teurer als das Hallenstadion in Zürich, das dreimal so viele Plätze bietet.
In den Pausen zwischen Vorträgen und Paneldiskussionen unterhalten sich die Teilnehmer in einem Englisch, das gut verständlich, aber nicht Muttersprache ist. Aus Indien, Russland, der Ukraine, Spanien und vielen anderen Ländern sind sie angereist. Nur etwa jeder fünfte Teilnehmer spricht Schweizerdeutsch.
Darauf angesprochen, was sie angelockt hat, lassen viele wissen, sie verfolgten ein Projekt, dessen Geschäftsidee mit Kryptowährungen zu tun habe. Jetzt brauche es nur noch das Geld, um die Idee umsetzen zu können.
Einen Kredit wollen sie dafür nicht aufnehmen, sondern ein sogenanntes ICO machen, ein Initial Coin Offering. Das bedeutet, die Jungunternehmer geben mit ihren Firmen eine Art eigene Währung heraus («Coin» heisst auf Deutsch Münze). Die können die Investoren dann kaufen.
Bisher wurden weltweit von verschiedenen Firmen virtuelle Münzen im Wert von über ei-ner Milliarde Franken verkauft. Viele grosse ICOs fanden in der Schweiz statt. Die Firma Tezos sammelte hier mit dem Verkauf ihrer Münzen über 200 Millionen Franken. Die Firmen The Dao und Bancor konnten weit mehr als 100 Millionen Franken einsammeln, die Firma Status immerhin fast 100 Millionen. Der Wert dieser Münzen schwankt stark. Die von Status sind derzeit etwa dreimal so teuer wie beim ICO, waren aber auch schon mal zwanzigmal so viel wert.
Kryptowährungen und ICOs sind ein grosses Geschäft mit vielen Zukunftschancen, aber auch erheblichen Risiken. Die Schweiz will die Chancen möglichst nutzen und die Risiken minimieren. Zuständig dafür ist Jörg Gasser (48), Vorsteher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF). Er ist in der Samsung Hall leicht zu erkennen.
Herr Gasser, kaum jemand hier trägt Krawatte.
Jörg Gasser: Das ist typisch für die Branche, sie ist dynamisch und gibt sich leger.
Sie selber wollten sie nicht zu Hause lassen?
Ich habe es mir überlegt, aber ich habe eine andere Rolle. Ich arbeite für den Bund, und die Krawatte gehört zu meiner Berufskleidung (lacht).
Wo treffen Sie die Leute aus der Branche?
Ich werde von Unternehmen aus der Branche kontaktiert.
Die können Sie einfach anrufen?
Ja, das läuft so. Oft kommen sie auch an Anlässen auf mich zu.
Die Branche wartet noch immer auf die Banklizenz light. Damit soll es für Jungunternehmen einfacher werden, Bankgeschäfte anzubieten. Wann kommt die vereinfachte Lizenz?
Ende Sommer sollte das Parlament die Banklizenz light verabschieden. Anfang 2019 sollte sie eingeführt werden.
Das klingt zuversichtlich. Was bringt die Kryptowährungsbranche der Schweiz?
Ich glaube, dass die Blockchain, die Digitalisierung allgemein, unseren Alltag grundlegend verändern wird. Von der Branche versprechen wir uns natürlich Arbeitsplätze sowie ein gewisses Steueraufkommen.
Im Moment ist das aber nicht so.
Wenn die Jungunternehmen wachsen, erwarten wir, dass Arbeitsplätze entstehen. Wir müssen schauen, dass sich dieser neue Markt und diese neuen Firmen entwickeln können, müssen aber auch darauf achten, dass die Reputation des Schweizer Finanzplatzes nicht beschädigt wird.
Was heisst das konkret?
Heikel wäre beispielsweise, wenn unseriöse Blockchain-Projekte in der Schweiz durchgeführt würden. Das wollen wir nicht, und auch die Branche will das nicht.
Vor allem ICOs boomen in der Schweiz. Dabei verkaufen Unternehmen eine Art eigene Währung. Genau dieser Vorgang birgt grösste Reputationsrisiken.
Wir wollen sicher nicht, dass Konstrukte angeboten werden, hinter denen keine Substanz ist.
Was würden Sie als Substanz gelten lassen?
Ein Produkt, das Recht an der Nutzung einer Software oder eine Applikation. Wir wollen keine Spekulationsblase, die irgendwann mal platzt.
Was tun Sie dagegen?
Es ist wichtig, die Rahmenbedingungen für solche ICOs festzulegen, damit so etwas nicht passiert. Das ist der Grund, warum das Finanzdepartement Anfang Jahr eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen hat, die sich genau dieser Fragen annimmt.
Das ist schwierig.
Es gibt tatsächlich Risiken um den spekulativen Hype bei Bitcoin oder bezüglich Geldwäschereifragen. Das wollen wir vermeiden.
Was empfehlen Sie jenen, die Bitcoin gekauft haben?
Wir sind ein liberales Land. Wer sich mit Bitcoin nicht auskennt, sollte besser die Finger davon lassen.
Was sind die Risiken?
Bitcoin ist etwas Neues, und es ist völlig offen, in welche Richtung die Entwicklung weitergeht. Wer in den spekulativen Hype einsteigt, tut es auf eigenes Risiko.
Sie besitzen keine Bitcoin oder eine andere Kryptowährung?
Nein, ich muss das neutral regulieren können.
Im Alltag sind Kryptowährungen bisher kaum einsetzbar. Wie kaufen Sie im Internet ein?
Mit Kreditkarte. Ich habe extra eine sehr tiefe Limite festgelegt.
Wie zahlen Sie beim Detailhändler?
Ich bezahle mit EC-Karte und scanne die Produkte selber ein.
Jörg Gasser war Generalsekretär von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, nun amtet er als Vorsteher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen. Der Obwaldner studierte Volkswirtschaft und internationale Beziehungen an der Uni Zürich.
Jörg Gasser war Generalsekretär von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, nun amtet er als Vorsteher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen. Der Obwaldner studierte Volkswirtschaft und internationale Beziehungen an der Uni Zürich.
Auch kontaktlos?
Ja, aber Twint habe ich nicht.