Einsam, wie ein uneinnehmbarer Koloss steht das SRF-Fernsehstudio am Leutschenbach in Zürich-Seebach. Etwas unwirklich, wie eine Festung am Stadtrand. Auf der anderen Strassenseite liegt eine Brachlandschaft, auf der nach und nach die Glattparksiedlung entsteht. Auf den Strassen sind kaum Menschen. Der Wind bläst kalt. Zumindest geografisch ist das SRF-Studio nicht «bi de Lüt».
Gestern hat die SRG angekündigt, 250 Jobs zu streichen (BLICK berichtete), heute ist es kalt hier. Wer mit den Angestellten am Tag danach sprechen will, um deren Stimmungslage zu erfassen, wird von der Pressestelle höflich aufgeklärt, dass «externe Journalisten bei uns auf dem Areal für Reportagen nicht erwünscht sind. Dieses Gebot gilt auch für die öffentlich zugänglichen Teile des Areals wie Kantinen.» Und dann wirds richtig deutlich: «Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ein Nichteinhalten dieses Verbots einem Hausfriedensbruch gleichkommt und entsprechend geahndet wird.»
Kein Zweifel: Das Schweizer Fernsehen igelt sich ein. Die Mitarbeiter ducken sich. Erstmals seit Jahrzehnten stellen sie fest, dass ein Job beim Fernsehen keine Wohlfühloase, keine Lebensstellung mehr ist. Ein Jobverlust kann auch hier Realität werden. Wahr ist freilich auch: Das Sparprogramm, welches SRG-Chef Roger de Weck durchziehen will, ist für jedes Unternehmen Courant normal: bei einem Umsatz von über 1,6 Milliarden Franken aus Werbe- und Konzessionsgeldern muss er 40 Millionen einsparen.
Das sind nicht einmal drei Prozent. Und bei über 6000 SRG-Mitarbeitenden, Voll- und Teilzeitstellen, ergibt dies vier Prozent des Personals. «Bei einem Unternehmen dieser Grössenordnung und Finanzbasis kann das kein grosses Problem darstellen», sagt ein langjähriges, ehemaliges Kadermitglied, «und es müsste sogar ohne Entlassungen gehen.»
Deshalb sei die Ankündigung einer Massenentlassung nichts anderes als eine «politisch motivierte Nebelpetarde», schimpft ein zweites ehemaliges SRG-Kader, motiviert durch den politischen und ökonomischen Druck, der auf dem Unternehmen lastet. «Bei jedem SRG-Entscheid ist immer politisches Kalkül im Spiel», meint ein Dritter. Der Personalabbau ist «eine PR-Aktion in eigener Sache», urteilt Medienexperte Kurt W. Zimmermann in der «Basler Zeitung», «die SRG schlägt sich wie ein Gorilla auf die Brust».
Es bietet sich freilich auch eine andere Lesart an: Im April entschied das Bundesgericht, dass der Gebührenzahler nicht mehrwertsteuerpflichtig ist, wohl aber das Unternehmen SRG. Das oberste Gericht brach damit mit einer Doktrin, die zuvor Jahrzehnte Gültigkeit hatte und vom Bundesverwaltungsgericht zweimal gestützt worden war. Alle Experten seien von diesem Verdikt überrascht worden, heisst es in der Teppichetage im Leutschenbach.
Nun stellte sich die Frage, ob der Bund die 2,5-prozentige Mehrwertsteuer übernehmen würde, oder die SRG diesen Satz zukünftig würde auf ihre eingekauften Leistungen draufschlagen müssen – Letzteres bedeutet, dass das Budget des TV- und Radio-Unternehmens um 35 Millionen pro Jahr schmelzen würde. Bis im September brüteten die Beamten in Bern über dieser komplexen Frage und kamen schliesslich zum Schluss: Eine derartige Subvention sei durch das Gesetz nicht gedeckt und deshalb nicht realisierbar.
Als das klar war, liess Roger de Weck sein Sparprogramm vom Stapel. «Ein politisch und unternehmerisch geschickter Schachzug», sagt einer, der den SRG-Chef gut kennt, «der zeigen soll, dass Roger de Weck das Unternehmen um jeden Preis wirtschaftlich führen will.» Und wenn er am Ende weniger als 250 Jobs streichen muss, ist ihm der Applaus gewiss.