Das Café Sprüngli am Paradeplatz in Zürich ist eine Institution. Im ersten Stock werden seit Generationen bei Kaffee und Kuchen Ehen besprochen und auch mal beschlossen. Hier treffen sich Banker der benachbarten Grossbanken, um bei «Truffes du Jour» einen fetten Deal abzuschliessen und die farbigen Luxemburgerli werden als typisches Zürcher Mitbringsel in alle Welt hinausgetragen.
Milan Prenosil (53) und sein Bruder Tomas (50) führen das Traditionsunternehmen in sechster Generation. Sie sind die Neffen des kinderlosen Richard Sprüngli, der 40 Jahre lang ein wahres Schoggi-Imperium aufbaute, bevor er die Zügel 1994 an die beiden Ziehsöhne übergab.
«Onkel Richi nahm mich schon als Kind überallhin mit. So bin ich mit der Firma Sprüngli aufgewachsen», erklärt mir der elegant gekleidete Milan auf der Fahrt von seinem Haus in Kilchberg zum Büro am Paradeplatz.
Milans Eltern waren Ärzte, die nach der abenteuerlichen Flucht vor der sowjetischen Besetzung Prags 1968 in Zürich eine neue Existenz aufbauen mussten. Die Schwester von Milans Mutter, Tante Katja, war mit Richard Sprüngli verheiratet.
Er kümmerte sich intensiv um die Erziehung seiner kleinen Neffen, während Milans Eltern Tag und Nacht arbeiteten, um das Schweizer Staatsexamen nachzuholen und eine eigene Arztpraxis im Enge-Quartier zu eröffnen. Es war nicht immer einfach für die heranwachsenden Brüder in der «traditionsstarren» Zürcher Gesellschaft. Hinter vorgehaltener Hand zogen die alten Familien über die Neuankömmlinge her.
Mittlerweile ist Zürich eine weltoffene Stadt und Milan und Tomas haben mit viel Können bewiesen, dass der «fremde» Name Prenosil ebenso für Qualität steht, wie der «alte» Name Sprüngli! Sie haben die traditionsreiche Firma mit rund 1000 Mitarbeitern sanft erneuert, sehr früh das Internet-Shopping eingeführt und bereits mehrere erfolgreiche Innovationen lanciert.
So wurde unter ihrer Leitung die dunkle Schokolade um die neu kreierte Geschmacksrichtung «Grand Cru» erweitert: Damit haben sie einen mindestens so grossen Geschäftserfolg erzielt, wie Onkel Richi mit seinen markenrechtlich geschützten Luxemburgerli.
Ihre Produkte werden in Dietikon ZH von Hand gefertigt, die Rohwaren stammen bis auf die Kakaobohnen alle aus der Schweiz, der Stammsitz liegt an der Bahnhofstrasse und die Filialen sind an besten Lagen über die Stadt verteilt. Man fragt sich, wie das rentabel sein kann! Gerade jetzt, da auch Sprüngli unter dem starken Franken leidet. «Wir müssen die Kosten im Griff haben und uns permanent verbessern.»
Milan springt mir auf der Autofahrt fast an die Gurgel, als ich sage, der wahre «Schoggijob» wäre doch, Sprüngli zu schliessen und die Liegenschaft an der Bahnhofstrasse gewinnbringend zu vermieten. «Ich bin ein Unternehmer, kein Spekulant! Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass ich nicht an eine internationale Kleiderkette vermieten werde. Man muss mir gar kein Angebot machen!»
An der Leidenschaft, mit der er für seine Überzeugung einsteht, hat sich seit unserer Jugend nichts geändert. «Unserer» deshalb, weil ich Milan seit Jahren kenne und fast ein bisschen «mitschuldig» an der nächsten Generation Prenosil bin: Ich habe Milan seiner Frau Sasha vorgestellt, war Trauzeugin der beiden und habe ihre drei Kinder heranwachsen sehen.
Die älteste Tochter hat soeben die Matur gemacht: Die langen Lehr- und Wanderjahre seiner Kinder haben erst begonnen. Man wird sehen, ob die jüngsten Prenosils tatsächlich irgendwann im süssesten Gewerbe landen werden. «Wenn sie wirklich wollen, würde es mich natürlich sehr freuen, das Unternehmen eines Tages an die siebte Generation weiterzugeben», meint Milan hoffnungsvoll.
Milan Prenosil über den starken Schweizer Franken: «Man überlebt durch eine Nischenpolitik, indem man ständig innovativ ist und die Kosten im Griff hat.»
Einen Verkauf des Sprünglihauses: «Wir sind langfristig ausgerichtet, wir stehen zu Zürich und wir wollen so weitermachen. Ein Verkauf kommt nie in Frage!»
Seine Definition von «Schoggijob»: «Das ist für uns Unternehmertum pur, der Einsatz für unsere Leute, für unsere Familie und unsere Unternehmung.»
Astrid von Stockar fährt Mercedes.