Die Schweiz leistet sich eines der teuersten Gesundheitswesen der Welt – und das kostet. Für 2018 dürften die Gesundheitskosten auf 86,8 Milliarden Franken klettern. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Ein Grund für die Kostenexplosion sind auch Leistungen, die Spitäler und Ärzte den Krankenkassen in Rechnung stellen. Doch viele dieser Rechnungen sind intransparent – und viele sogar falsch! Das geht aus einer Studie des Krankenkassenverbands Santésuisse hervor, die der SonntagsBlick gestern publik machte.
Der Befund ist erschütternd: Pro Jahr werden 107 Millionen Rechnungen bei den Krankenkassen eingereicht. Hochgerechnet auf die ganze Branche bleiben allein im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung Rechnungen im Wert von drei Milliarden Franken hängen. Rechnet man die Zusatzversicherung hinzu, sind es sogar 3,5 Milliarden. Würden all diese Rechnungen von den Kassen tatsächlich bezahlt, müssten die Krankenkassenprämien um zehn Prozent steigen!
Spitäler und Ärzte reizen Tarife aus
Vor allem fehlerhafte Rechnungen von Spitälern verursachen laut SonntagsBlick mit rund 40 Prozent den grössten Kostenblock in der obligatorischen Krankenversicherung. Das Rechnungssystem gleicht einer Blackbox, denn die Tarife für medizinische Leistungen laden zum Tricksen ein. «Die Spitäler reizen diesen Spielraum aus, teilweise bis aufs Äusserste», sagt Jürg Vontobel (53), Chef des Bereichs Leistungen und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Luzerner Krankenkasse Concordia.
Das Problem: Spitäler stehen unter Druck, die Einnahmen zu steigern. Sie haben den Auftrag, mehr zu verdienen. Stossend: Die Spitäler tauschen sich laut Vontobel sogar untereinander aus und lassen sich auch beraten, wie man möglichst hohe Rechnungen stellen kann. Mehr als zehn Prozent der Forderungen sind laut Santésuisse ungerechtfertigt.
Spitäler und Ärzte nehmen für sich in Anspruch, korrekt abzurechnen. Man halte sich streng an die Tarife, sagt Dorit Djelid (43), Direktorin des Spitalverbands H+ dem SonntagsBlick.
SVP-Brand fordert «systematische Kontrolle»
Nun wird die Politik aktiv. SVP-Nationalrat und Santésuisse-Präsident Heinz Brand (62) will Spitäler und Ärzte, die fehlerhafte Rechnungen ausstellen, härter sanktionieren. In einer Motion, die Brand im Herbst einreichen wird und die BLICK vorliegt, fordert er den Bundesrat auf, das Krankenversicherungsgesetz so zu ändern, dass bei «systematisch zu hohen Rechnungen ein Intransparenzabzug erlassen werden kann». Damit sollen Wiederholungstäter härter bestraft werden.
Flankiert wird Brand von Ratskollege Lorenz Hess (57, BDP/BE). In seiner Motion an den Bundesrat fordert der Nationalrat «Sanktionen gegen Leistungserbringer, die sich weigern, den Patienten eine Rechnungskopie zu stellen». Denn: Am Ende weiss nur der Patient, welche Leistungen wirklich erbracht worden sind. Hess hofft, dass «eine systematische Kontrolle der Behandlungszeiten und abgegebenen Medikamente durch die Patienten etlichen Bschiss zutage fördern würde».
Auch der Bund steht in der Pflicht
In der Pflicht stehen aber auch die Kassen, der Bund und die Kantone. Bereits im April forderte der renommierte Gesundheitsökonom Heinz Locher (74) im BLICK eine bessere Kontrolle. Die Versorgung sei unwirtschaftlich, so seine Kritik. «Es gibt fast keine Daten darüber, welche Leistungen für die Patienten aus welchem Grund erbracht werden.» Es brauche eine bessere Aufsicht.