Die Schweizer sind umweltbewusst – zumindest an der Urne: 56 Prozent stimmten letzten Sonntag der Energiewende zu. Damit sagten sie Ja zu einer massiven Reduktion des Verbrauchs von Benzin und Diesel bis 2050. Das geht nur mit einer Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene.
Heute ist die Realität aber gerade umgekehrt: Das Auto legt auf Kosten der Bahn zu. Aktuell sind rund 4,5 Millionen Privatautos bei uns zugelassen – 1,25 Autos pro Haushalt. Alleine in den letzten zehn Jahren kamen mehr als eine halbe Million Autos dazu.
Autofahren ist zehn Prozent günstiger geworden
Die Liebe zum Automobil kann man den Schweizern schlecht verübeln. Denn statt teurer, wie es die Energiewende möchte, wird Autofahren immer billiger. «Autofahren ist in den letzten Jahren rund zehn Prozent günstiger geworden», sagt Evi Allemann (38), Präsidentin des grünen Verkehrs-Club der Schweiz (VCS).
Wie kommt das? Einerseits hat der Benzinpreis stark nachgegeben. Im Rekordjahr 2012 kostete ein Liter Bleifrei im Schnitt 1.81 Franken, zeitweise waren es mehr als zwei Franken. Letztes Jahr kostete Bleifrei noch 1.41 Franken – ein Minus von 22 Prozent.
Gleichzeitig werden die Fahrzeuge sparsamer und günstiger. 2005 verbrannte ein Neuwagen auf dem Papier im Schnitt 7,9 Liter pro 100 Kilometer. Zehn Jahre später waren es 5,84 Liter.
Auch die Anschaffungskosten sinken. Ein VW Golf in der Grundausstattung ist heute zwölf Prozent günstiger als 2005. Und dafür kriegt man erst noch ein besser ausgestattetes, sparsameres und sichereres Fahrzeug.
Die Preise im öffentlichen Verkehr stiegen um 30 Prozent
Gerade umgekehrt verläuft die Entwicklung beim öffentlichen Verkehr: Er wird ständig teurer – sowohl für die Nutzer wie für die Steuerzahler. «Der Preis für den ÖV ist in den letzten zehn Jahren um fast 30 Prozent gestiegen», sagt Allemann. Beispiel ist das Erwachsenen-Generalabonnement: Innert zehn Jahren schlug es von 2990 auf 3860 Franken auf.
«Die Preisspirale im öffentlichen Verkehr muss ein Ende haben», fordert Allemann. Die Politik müsse Massnahmen ergreifen, wenn sie keine Rückverlagerung auf die Strasse wolle. «Kaufkraftbereinigt ist Autofahren in kaum einem anderen Land so günstig wie bei uns», sagt sie. Dagegen sei der ÖV im europäischen Vergleich preislich am oberen Limit.
Was macht unseren ÖV so teuer?
Warum ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz so teuer? «Dafür sind in erster Linie politische Entscheide verantwortlich», sagt Roger Baumann, Sprecher des Verbands öffentlicher Verkehr. So sei etwa die Nutzerfinanzierung stetig gestiegen.
Im Klartext: Die Zugfahrer müssen einen höheren Anteil der Kosten selber tragen und erhalten weniger Subventionen durch den Staat. Laut Angaben des VCS stieg die Eigenfinanzierung durch die Nutzer in den letzten drei Jahren von 50 auf 51 Prozent.
Das tönt zwar undramatisch und zeigt, dass der ÖV noch immer stark durch Steuergelder finanziert wird. Doch für Baumann gilt: «Jetzt ist eine Obergrenze erreicht.»
Beim bürgerlichen TCS sieht man den Treiber für die ständig steigenden ÖV-Preise im Ausbau des Angebots. Der neue Gotthard-Basistunnel ist nur das spektakulärste Beispiel, auch sonst bauen die SBB aus. «Die ÖV-Benützer müssen bereit sein, für ein besseres Angebot mehr zu bezahlen», sagt TCS-Vizepräsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart (41).
Es drohen wieder höhere Abgaben
So richtig traut die Auto-Lobby dem erlangten Vorsprung gegenüber der Bahn allerdings selber nicht. Autofahren werde bald wieder teurer, sagt Burkart. «Es kommen neue Vorschriften für den Verbrauch und die Schadstoffe.»
Auch Andreas Burgener, Direktor von Auto Schweiz, schwant Schlimmes. Nach dem Entscheid am letzten Wochenende werde den Autofahrern bald die Rechnung präsentiert: «Uns drohen bis zu 26 Rappen CO2-Abgabe pro Liter Treibstoff mit dem zweiten Massnahmenpaket der Energiestrategie.»