Keiner wusste, wofür Spar stand. «Das Bild war grau und unklar», sagte Rob Philipson (49) kurz vor seinem Antritt als neuer Spar-Chef in Gossau SG. Ein Jahr später trifft BLICK den Südafrikaner wieder. Bei Sonnenschein, keine Wolke trübt die Sicht auf die Appenzeller Alpen und den Säntis. In seinem Büro greift Philipson zu einer Cola Zero, für die Gäste gibts Automatenkaffee im Pappbecher. Hinter ihm auf seinem Pult liegt das Lehrbuch «Deutsch für Dummies». Das Interview will Philipson aber auf Englisch machen.
BLICK: Haben Ihre Kunden heute ein klares Bild, wofür Spar steht?
Rob Philipson: Das hoffe ich. Denn ich bin nicht in die Schweiz gekommen, damit alles so weiterläuft wie bisher. Wir haben strategische Pflöcke eingeschlagen. Dafür haben wir vieles ausprobiert und auch ein paar Fehler gemacht. Diese korrigieren wir nun.
Was für Fehler waren das?
Ich wollte die Werbung nur noch zweimal pro Monat fahren, um Kosten zu sparen. Das hat die Profitabilität zwar verbessert, die Umsätze im Laden gingen jedoch zurück. Heute machen wir wieder wöchentlich Werbung.
Spar ist zu teuer für einen Discounter und weniger verbreitet auf dem Land wie Volg.
Wir sind ein Nachbarschaftslädeli. Wir wollen und können nicht die Günstigen sein. Die Kunden schätzen, dass sie bequem und schnell das Wichtigste bekommen. Und zwar täglich frisch. Hier müssen wir auf Augenhöhe mit den Mitbewerbern sein.
Wer ist Ihre Hauptkonkurrenz?
Das ist die Dorfladenkette Volg. Bei Convenience sind es die Migrolinos und die Coop Prontos.
Aldi und Lidl schnappen Ihnen keine Kunden weg?
Die beiden machen einen tollen Job in der Schweiz. Wir sind aber kein Discounter, darum bescheren mir Aldi und Lidl keine schlaflosen Nächte.
Nestlé beliefert Spar. Erstreiten Sie auch tiefere Preise wie es Coop getan hat?
Harte Verhandlungen mit Markenlieferanten gehören zum Geschäft eines jeden Detailhändlers. Ich würde so einen Preisstreit aber nicht öffentlich austragen.
Ein Preisstreit würde Spar Aufmerksamkeit und Kunden bringen.
Wir sind ein kleinerer Player im Markt. Wir müssen den Kunden einen eigenständigen Grund geben, bei uns ihr Geld auszugeben.
Verkaufen einige Spar-Läden deshalb Nespresso-Kapseln, obwohl die Nestlé-Tochter niemals einen offiziellen Vertrag unterzeichnen würde?
Für einige unserer selbständigen Spar-Betreiber mag das ein Hintergedanke sein. Der Spar-Konzern setzt auf eigene Ideen, wie die einer Kundenkarte.
Wen wollen Sie mit einer Kundenkarte noch hinter dem Ofen hervorlocken?
Täuschen Sie sich da mal nicht. Im Februar lancierten wir die Spar-Friends-Karte. Drei Monate später haben wir bereits über 90'000 Kundenkarten ausgestellt. Ich hatte nur mit halb so vielen gerechnet in dieser Zeit. Jede Woche kommen im Schnitt 5500 neue dazu. Die Kunden geben uns ihre Daten nicht gratis, wir zahlen ihnen dafür Rabatte direkt an der Kasse aus. Langfristig können wir so das Verhältnis zu unseren Kunden verbessern und uns weitere Belohnungen für deren Treue ausdenken.
Sie haben den Trend zu Big Data verschlafen!
Wir sind kein IT-innovationsgetriebener Marktgigant wie Migros und Coop, sondern ein Lebensmittelladen für den täglichen Bedarf. Gratis-Wi-Fi haben wir heute aber in jeder unserer Filialen. Die Kundenkarte ist lediglich der Anfang, was wir im Bereich Big Data machen werden. Spar plant eine Plattform, auf der wir mit unseren Kunden, sei es via Smartphone oder Social Media, interagieren und sie für ihre Loyalität belohnen können.
Sie bauen die Community-Plattform Migipedia.ch der Migros nach?
Wir wollen zunächst unsere Kunden- und Datenbasis ausbauen. Dann wissen wir, in welchen Regionen und Städten mehr Familien einkaufen, wo mehr Singles.
Als Nächstes kommen dann personalisierte Rabatte?
Wir haben die Absicht, Kunden in Zukunft personalisierte Rabatte anzubieten. Sie sollen jedenfalls noch mehr belohnt werden, davon profitiert auch unser Geschäft.
Wann eröffnet der Spar-Onlineshop?
In einem TopCC-Grossmarkt läuft ein Pilotprojekt mit einer Omni-Channel-Plattform. Im Internet bestellte Ware wird für Geschäftskunden und Gastronomen bereitgestellt. Bei Bedarf können wir das System auf Spar-Filialen und Endkunden ausbauen.
Der Euro ist zuletzt auf 1.20 Franken gestiegen. Was heisst das für Spar Schweiz?
Der Währungsaspekt ist nur einer von vielen, der Detailhändler in der Schweiz derzeit Probleme macht. Der Einkaufstourismus, der Kaufkraftabfluss von Milliarden Franken nach Frankreich, Deutschland und Österreich, macht mir deutlich mehr Sorgen als ein Euro bei 1.20 Franken.
Sie beziehen viele Produkte aus dem Euroland. Steigen die Spar-Preise jetzt?
Nicht wirklich. Wir haben einen stärkeren Euro im laufenden Jahr bereits einkalkuliert. Wenn der Euro plötzlich über 1.28 Franken steigen würde, hätten nicht nur wir, sondern alle anderen ein Problem und müssten kämpfen.
Per Ende März hat Spar sein erstes Geschäftshalbjahr hinter sich. Sieht es immer noch so düster wie im Vorjahr aus?
Da wir an der Börse notiert sind und erst Ende Mai über unser erstes Halbjahr berichten, darf ich nicht in die Details gehen. Es geht uns aber finanziell deutlich besser als im letzten Jahr.
Der geringe Marktanteil von 2,2 Prozent ist noch derselbe wie vor einem Jahr. Schreiben Sie auch immer noch Verlust?
Der Marktanteil ist stabil, das stimmt. Beim Umsatz hapert es noch. Aber bei der Profitabilität haben wir von Oktober bis März deutliche Fortschritte gemacht. Wenn das so weitergeht, dann schreiben wir in diesem Geschäftsjahr einen Gewinn.
Den Marktanteil wollten Sie doch auf vier Prozent verdoppeln!
Das will nicht ich, sondern mein Chef in Südafrika (lacht). Ein ziemlich hochgestecktes Ziel. Ich bin aber guter Dinge, dass uns das wie geplant bis 2021 gelingt. Deshalb haben wir in diesem Jahr vier unrentable Filialen geschlossen. Aber gleichzeitig fünf neue an sehr guten Standorten eröffnet. Weitere fünf Filialen gehen in den nächsten fünf verbleibenden Monaten auf.
Für einen Umsatz-Schub müssen Sie mehr Kunden in die Läden locken.
Deshalb modernisieren wir laufend unsere Filialen. 18 Läden folgen bis Oktober. Wir lancieren diesen Monat eine neue Convenience-Linie «Fresh2go» mit 70 ersten Produkten. Wir integrieren Bean Tree, das südafrikanische Kaffeekonzept mit Selbstbedienungsautomaten in unsere Filialen. Wahrscheinlich sehr bald kommen südafrikanische Weine in unser Sortiment. Das hat grosses Potenzial, denn diese Weine werden in der Schweiz vom Detailhandel bislang vernachlässigt. Derzeit läuft ein Versuch in unseren Grosskundenmärkten.
Ist es richtig, dass Spar jetzt in der Westschweiz startet?
Sie fragen mich das ein paar Tage zu früh. Wir haben einen ersten Vertrag mit einer kleineren, unabhängigen Kette mit wenigen Läden in der Romandie geschlossen und beginnen mit der Belieferung demnächst.
Was ist mit der italienischen Schweiz?
Die bislang einzige Filiale im Tessin ist sehr aufwendig, was die Belieferung angeht. Darum planen wir auch Partnerschaften mit unabhängigen Ladenbetreibern in der italienischen Schweiz. Das erlaubt uns mittelfristig auch im Tessin, weitere eigene Spar-Filialen zu eröffnen.
Von KwaZulu-Natal in Südafrika nach St. Gallen. Fühlen Sie sich heute wohl hier?
Die ersten vier Monate in St. Gallen fühlte ich mich immer noch in KwaZulu-Natal zu Hause. Heute, wenn ich in Südafrika in den Ferien bin, denke ich immer, jetzt gehts bald wieder nach Hause. Die Schweiz ist das schönste Land auf der ganzen Welt.
Der kulturelle Unterschied zu Südafrika ist immens!
Alle sagten zu mir, die Schweizer seien sehr zurückhaltend gegenüber Fremden. Das ist Quatsch. Alle, mit denen ich bislang sprach, sei es beruflich oder privat, waren aufgeschlossen und freundlich. Meine Familie und ich fühlen uns sehr willkommen.
Ist die Spar-Kultur hier in der Schweiz heute noch die alte?
Mit dem Besitzerwechsel von einem familiengeführten Unternehmen zu Spar Südafrika vor zwei Jahren, haben wir uns die Firmenkultur von Spar Schweiz sehr genau angeschaut. Bei uns geht es heute deutlich informeller zu. Auch in der Chefetage tragen wir Jeans, kurzärmlige Hemden und keine Krawatten.
Seit fast einem Jahr steht Rob Philipson (49) an der Spitze von Spar Schweiz. Der Südafrikaner fühlt sich mittlerweile heimisch in Gossau SG, von wo aus die Detailhandelskette ein Netzwerk von 185 Nachbarschaftsmärkten (Umsatz 2016: 638 Millionen Franken) bedient. Die Mehrheit von Spar Schweiz gehört seit zwei Jahren Spar Südafrika, einem börsennotierten Konzern. Gegründet wurde das Unternehmen mit der Tanne als Logo 1932 in den Niederlanden. Philipson startete 1996 bei Spar: «Der Konzern ist für mich wie eine Familie.» Er trägt die Tanne nicht nur als Logo auf der Jeans, sondern auch als Tattoo auf der linken Schulter, wie sich BLICK beim Interview überzeugen konnte, ohne es fotografieren zu dürfen. Eine Hälfte des Tannen-Tattoos stehe für seine Rugby-Leidenschaft, das andere für die Arbeit.
Seit fast einem Jahr steht Rob Philipson (49) an der Spitze von Spar Schweiz. Der Südafrikaner fühlt sich mittlerweile heimisch in Gossau SG, von wo aus die Detailhandelskette ein Netzwerk von 185 Nachbarschaftsmärkten (Umsatz 2016: 638 Millionen Franken) bedient. Die Mehrheit von Spar Schweiz gehört seit zwei Jahren Spar Südafrika, einem börsennotierten Konzern. Gegründet wurde das Unternehmen mit der Tanne als Logo 1932 in den Niederlanden. Philipson startete 1996 bei Spar: «Der Konzern ist für mich wie eine Familie.» Er trägt die Tanne nicht nur als Logo auf der Jeans, sondern auch als Tattoo auf der linken Schulter, wie sich BLICK beim Interview überzeugen konnte, ohne es fotografieren zu dürfen. Eine Hälfte des Tannen-Tattoos stehe für seine Rugby-Leidenschaft, das andere für die Arbeit.