Corona hat den Klimawandel aus den Schlagzeilen verdrängt. Doch jetzt haben ihn die Bundesplatz-Demonstranten zurück aufs Tapet gebracht. Am Freitag segnete das belagerte Parlament das revidierte CO2-Gesetz ab. Und schon im Juni hatte Bundesrat Ueli Maurer (69) seine Pläne für einen grünen Finanzplatz vorgestellt.
Doch ob die Banken Maurers Vorschläge umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Auf vielen Finanzprodukten klebt bereits ein Umweltlabel. Bloss: «Es ist häufig unklar, wie viel Nachhaltigkeit wirklich dahintersteckt», sagt Julian Kölbel (35) vom Center for Sustainable Finance der Uni Zürich. «Die grosse Revolution wird man damit nicht erzeugen.»
Weltweit Fonds von insgesamt 15 Milliarden Dollar
Trotzdem ist die Schweiz in Sachen nachhaltige Finanzen bereits Weltmeister – in der Mikrofinanz. Sie kombiniert soziales Engagement und finanzielle Rendite: Investoren geben armen Menschen in Entwicklungsländern Kredite, die ihnen zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit verhelfen. «Es gibt eine wachsende Bereitschaft in der Bevölkerung, etwas Gutes zu bewirken», sagt Kölbel. «Da hat die Mikrofinanz etwas zu bieten.»
Weltweit gibt es dafür Fonds im Umfang von insgesamt 15 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon wird in der Schweiz betreut – von Unternehmen wie Enabling Qapital. Das Start-up vermittelt Kredite an 40000 Kleinstunternehmer in 50 Ländern. Zu den Empfängern gehören Bauern, Fischverkäufer, Schrotthändler und Marktfrauen. «Mit dem Geld der Investoren gehen unsere Mitarbeiter zu insgesamt 40 lokalen Mikrofinanzinstituten in Asien, Südamerika und Afrika», sagt Mitgründer Roger Müller (38). «Diese geben es als Darlehen zwischen 50 und 5000 Dollar weiter.»
Mikrokredite ermöglichen Kleinstunternehmern in Entwicklungsländern den Aufbau eines eigenen Geschäfts. Die Darlehen betragen zwischen 50 und 5000 Dollar und werden ohne das Vorlegen von Sicherheiten vergeben. Die Zinsen für die Kreditnehmer betragen acht bis zwölf Prozent. Trotzdem ist die Rückzahlungsquote hoch. Weltweit werden 15 Milliarden in diesen Bereich der Mikrofinanz investiert. Bekannt wurde das Konzept dank des Pioniers Muhammad Yunus (80) aus Bangladesch. 2006 erhielt er dafür den Friedensnobelpreis.
Mikrokredite ermöglichen Kleinstunternehmern in Entwicklungsländern den Aufbau eines eigenen Geschäfts. Die Darlehen betragen zwischen 50 und 5000 Dollar und werden ohne das Vorlegen von Sicherheiten vergeben. Die Zinsen für die Kreditnehmer betragen acht bis zwölf Prozent. Trotzdem ist die Rückzahlungsquote hoch. Weltweit werden 15 Milliarden in diesen Bereich der Mikrofinanz investiert. Bekannt wurde das Konzept dank des Pioniers Muhammad Yunus (80) aus Bangladesch. 2006 erhielt er dafür den Friedensnobelpreis.
Die Korbflechterin Said Savang hat 200 Dollar erhalten. Sie lebt in der Provinz Kandal in Kambodscha, wo sie ihre Körbe an Fischer und Touristen verkauft. Doch die Wege zu den Käufern sind lang. Mit dem Kredit hat sich Savang jetzt ein Occasionsfahrrad gekauft. Damit spart sie Zeit – und Geld, das ihr ermöglicht, Kredit und Zinsen fristgerecht zurückzuzahlen. «Die Mehrheit unserer Schuldner sind Frauen», sagt Roger Müller. «Sie sind häufig verantwortlich für die Finanzen der Familie und gehen verantwortungsvoll mit den Darlehen um.»
Das freut die Investoren. Denn sie legen ihr Geld nicht nur aus sozialen Gründen in Mikrofinanzfonds an, sondern auch wegen der Rendite. Die beträgt in der Mikrofinanz zwischen drei und fünf Prozent – ein starkes Argument für Pensionskassen, Banken und Privatanleger, denen die Nullzinsen zusetzen.
Pro Monat höchstens 200 Millionen neu investieren
Den Anstoss zur modernen Mikrofinanz in der Schweiz gab Kofi Annan. 2001 initiierte der damalige Uno-Generalsekretär die Gründung von Blue Orchard. Bis heute hat dieses Unternehmen Darlehen im Umfang von sieben Milliarden Dollar an 200 Millionen Menschen vergeben und ist weltweit tonangebend. «Mikrofinanz ist der einzige vernünftige Weg, die Leute aus der Armut zu holen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben», sagt Verwaltungsratspräsident Peter Fanconi (53).
2,5 Milliarden Dollar liegen im Fonds von Blue Orchard. «Doch wir stossen an Kapazitätsgrenzen», so Fanconi. «Pro Monat können wir höchstens 200 Millionen neu investieren.» Das Wachstum des Kleinkreditmarkts habe sich verlangsamt, bestätigt Annette Krauss vom Institut für Banking und Finance der Uni Zürich. «Es ist ein arbeitsintensives Businessmodell.» Das habe auch die Corona-Krise gezeigt: «Bei den Kreditstundungen und Umschuldungen mussten sich die Mitarbeiter vor Ort intensiv um die Kreditnehmer kümmern.»
«Krisen sind normal»
Solche Krisen sind auch ein Risiko für die Investoren. Denn: «Nicht jeder Schuldner kann seinen Kredit zurückzahlen», sagt Finanzexperte Kölbel. «Das kann völlig unverschuldet passieren, zum Beispiel wegen Naturkatastrophen oder Währungsabfällen.»
Auch Roger Müller von Enabling Qapital sagt: «Man kann Risiken nicht ausschliessen.» Er sagt aber auch: «Wir arbeiten in Entwicklungsländern. Krisen sind normal.» Corona sei für viele arme Menschen einfach ein weiteres Unglück. «Sie müssen auch in solchen Situationen weitermachen und sich durchkämpfen.»
Das gelingt ihnen verblüffend gut: Die Rückzahlungsquote bei Enabling Qapital liegt bei über 98 Prozent.