Simonetta Sommaruga (59) ist vom 1. Januar an Bundespräsidentin. Im Interview mit SonntagsBlick verriet sie bereits Mitte Dezember, worauf sie in ihrem Präsidialjahr den Fokus legen wolle: «Die Energie- und Klimapolitik hat Priorität. Wir brauchen mehr sauberen Strom aus der Schweiz.»
Die Umweltministerin hält es für verfehlt, dass die Schweiz Jahr für Jahr «teures Öl und Gas» im Ausland einkauft. «Dafür bezahlen wir Milliarden, die wir besser in der Schweiz investieren würden.»
Zahlen des Bundesamts für Energie zeigen: In den vergangenen 40 Jahren hat die Schweiz für Erdöl und Gas rund 252 Milliarden Franken ins Ausland überwiesen.
Geld für 12,6 Millionen Haushalte mit eigener Solaranlage
Mit demselben Geld hätte der neue Gotthard-Basistunnel, ein Jahrhundertprojekt, 20-mal gebaut werden können. Für die Konstruktion des Roche Towers in Basel, dem höchsten Gebäude der Schweiz, hätte dieses Kapital gar 458-mal ausgereicht.
Andererseits hätten für denselben Betrag rund 12,6 Millionen Haushalte mit einer eigenen Solaranlage ausgestattet werden können, die den Stromverbrauch eines durchschnittlichen Einfamilienhauses abdeckt – also mehr Haushalte, als es in der Schweiz überhaupt gibt.
Sommaruga: «Wenn wir selber saubere Energie produzieren, profitiert die einheimische Wirtschaft davon – besonders die KMU, die Solarpanels montieren und entwickeln oder neue Heizsysteme installieren.»
Wettbewerb als Produktivitätsmotor
Mit dieser Argumentation versucht die neue Bundespräsidentin, die Schweizer Wirtschaft für die Energiewende zu begeistern. Doch die hält von solchen Ideen wenig bis nichts. Kurt Lanz, bei Economiesuisse verantwortlich für das Energiedossier, redet die 252 Milliarden Franken klein: «Im selben Zeitraum haben wir ein Vielfaches davon für Schmucksteine, Fahrzeuge oder Elektronik ausgegeben.»
Lanz hält zwar fest, dass es grundsätzlich immer wünschenswert sei, wenn inländische Angebote existierten, die wettbewerbsfähig seien. Im Energiebereich sei das bislang aber nur beschränkt der Fall. «Zudem machen die fossilen Energieträger immer noch über 60 Prozent unseres Endenergieverbrauchs aus – ein Anteil, der nicht von heute auf morgen durch einheimischen erneuerbaren Strom substituierbar ist.»
Hans-Ulrich Bigler (61), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), zeigt Sommaruga ebenfalls die kalte Schulter. «Staatliche Importsubstitutionsstrategien sind Abschottungen und gehen immer zulasten der inländischen Konsumentinnen und Konsumenten», sagt er auf Anfrage von SonntagsBlick. Der Gewerbeverband setze deshalb auf den Wettbewerb als Produktivitätsmotor. «Die bessere und günstigere Alternative setzt sich im Markt durch – ob sie inländisch oder importiert ist.»
Mit anderen Worten: Energieministerin Sommaruga hat in ihrem Präsidialjahr noch viel Überzeugungsarbeit vor sich.