So verringern Schweizer Maschinenbauer Abhängigkeit von China
Masken made in Switzerland

China ist noch immer die verlängerte Werkbank der Welt. Doch gerade bei Massenprodukten wie Schutzmasken beweisen Schweizer Maschinenbauer, dass sie zu den besten der Welt gehören. Ihre Anlagen laufen bald auf Hochtouren.
Publiziert: 03.05.2020 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2020 um 09:22 Uhr
Masken made in Switzerland
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Weniger Abhängigkeit von China:Masken made in Switzerland
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Mit der Lockerung des Lockdowns werden schon wieder viel mehr Menschen in der Schweiz unterwegs sein. Damit steigt der Bedarf an Schutzmasken. Wer in gut gefüllte Busse, Trams oder Züge einsteigt, der will sich schützen – vor Ansteckung oder vor bösen Blicken beim kleinsten Huster.

Millionen Masken hat die Schweiz bereits importiert. Doch die Zeit des Lockdowns haben die Schweizer Maschinenbauer genutzt – und können nun ihren Beitrag dazu leisten, den Maskenengpass in der Schweiz abzubauen. Aller Widerstände zum Trotz.

«Am Anfang war der Frust gross», sagt Robert Reimann (45), Chef der Jakob-Müller-Gruppe mit Sitz in Frick AG. «Keiner konnte uns sagen, wo wir unsere Masken testen und zertifizieren lassen konnten.» Das Projekt drohte zu scheitern, doch dann kam Ende letzter Woche die Fachhochschule Nordwestschweiz zu Hilfe und stellte den auf Müller-Maschinen gewobenen Masken ein hervorragendes Zeugnis aus.

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Es muss nicht immer China sein: Im Fricktal produzieren in der Schweiz gebaute Maschinen Schutzmasken.
Foto: Zvg

Bunte Masken aus dem Fricktal

Bei der Jakob-Müller-Gruppe laufen seit einer Woche die Maschinen auf Hochtouren, spucken pro Tag 30 000 Stoffmasken aus – wasch- und wiederverwendbar. «Wir weben auf allen Maschinen, die wir im Haus haben», sagt Reimann. Das sind nicht wenige: Ausstellungsmodelle und Maschinen, die im Moment nicht ausgeliefert werden können.

Design und Farbe der Masken lassen sich schnell ändern. «Wenn den Leuten die Masken gefallen, haben sie auch weniger Hemmungen, diese anzuziehen», so Reimann. Die Stoffmasken aus dem Fricktal bieten einen passiven Schutz, vergleichbar mit den Hygienemasken, die von den Grossverteilern verkauft werden. Schützen also die Umgebung und nicht den Träger.

Ebenfalls im Einsatz für die Produktion von Stoffmasken stehen Stickmaschinen des Textilmaschinenherstellers Saurer aus Arbon TG. Unter anderem bei Forster Rohner in St. Gallen, einer Firma die normalerweise Stickereien für die Haute-Couture-Branche produziert.

Schutz für Träger und Umfeld bieten die sogenannten FFP2-Masken, wie sie vor allem im Gesundheitswesen und in Spitälern gefragt sind. Auch in diesen Bereich fahren Schweizer Maschinenbauer die Produktion hoch. Viele Medien haben darüber berichtet, wie zwei Maskenmaschinen aus China eingeflogen wurden. Der Bund und der Kanton Zürich beteiligen sich mit je 800 000 Franken an den beiden Maschinen.

Maschinen brauchen «Swiss Finish»

Weniger bekannt ist, wie viel Schweizer Know-how in diesen Apparaten steckt. Zum Beispiel sogenannte Ultraschall-Schweissköpfe, die es braucht, um das Maskenmaterial in einem Arbeitsgang zu schneiden und zu schweissen. «Mir war schnell klar, es braucht eine Schweizer Lösung», sagt André Imhof (53), operativer Chef der Autefa Solutions Group mit Sitz in Frauenfeld TG.

Der Kontakt zur chinesischen Mutter war schnell geknüpft, die guten Beziehungen haben geholfen, dass von weltweit zehn Maschinen nun zwei in der Schweiz kurz vor dem Einsatz stehen.

«Bei den Maschinen aus China braucht es noch viel Aufwand für den ‹Swiss Finish›» erklärt Imhof. «Nur so können sie die Maskenproduktion in der Schweiz effizient betreiben.» Gewisse Module werden durch Schweizer Lösungen getauscht, Verschleissteile werden durch neue Komponenten ersetzt, die Software umprogrammiert. «Das ist eine Krisenlösung, das hat bislang niemand geschafft», so Imhof stolz.

Ziel: Selbstversorger

Die letzte Kiste aus China ist eben erst in der Schweiz eingetroffen. Bei Flawa in Flawil SG stehen die beiden Maschinen kurz vor der Inbetriebnahme. Ab 15. Mai werden über 70 000 Masken pro Tag produziert, bis zu 100 000 sind möglich. Doch Imhof denkt weiter: «Wir sind mit einem Aargauer Maschinenbauer daran, eine Maschine zu entwickeln, die in der Schweiz aber auch weltweit günstige Masken produzieren kann.»

Bei Autefa funktionieren die Lieferketten selbst in der Corona-Krise. Nur auf ausländische Lieferketten möchte sich Peter Spenger (69) nicht verlassen: «Unser Ziel ist es, Selbstversorger zu sein», erklärt der Patron von Prodema aus Wil SG. «Die Maschine mit all ihren Teilen ist komplett made in Switzerland.»

Prodema hat bereits früher Maskenmaschinen gebaut und diese ins Ausland verkauft. In der Corona-Krise haben die Ingenieure und Anlagenbauer aus der Ostschweiz die Pläne wieder aus der Schublade geholt und die Produktionsanlagen neu aufgesetzt.

Seither arbeiten die Zulieferer mit Hochdruck: «Alle Teile sind nun da, nächste Woche beginnen wir mit dem Aufbau, ab Ende Mai läuft die Produktion an», umreisst Spenger den Zeitplan. Ist das nicht zu spät? «Nein, wir werden immer wieder Nachschubprobleme haben.»

Auf dem Weg zum Exportschlager

Selbst die Ausatmungsventile, die in einen Teil der FFP2-Masken eingebaut werden, kommen aus der Schweiz. Die Maschinen von Prodema sind so kompakt, dass sie in zwei Container passen. Sich im Notfall schnell vor einem Spital oder einer Kaserne aufbauen lassen. Und so das Gesundheitspersonal mit bis zu 15 000 Masken pro Tag versorgen können.

Der Preis für eine Maschine liegt bei deutlich mehr als einer halben Million Franken. Die erste Anlage wird ebenfalls in Flawil aufgebaut. Vielleicht werden Schweizer Produktionsanlagen zum Exportschlager: «Wir haben bereits fünf Anfragen aus dem Ausland», sagt Spenger.

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