Sandkasten statt Sandstrand
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Herbstferien in der Schweiz:Sandkasten statt Sandstrand

Sandkasten statt Sandstrand
So verbringen Schweizer ihre Herbstferien

Quarantänepflicht und Risikolisten verunsichern Reisende im In- und Ausland. Die Folgen: Touristen aus dem Ausland bleiben weg – Schweizer bleiben in der Heimat.
Publiziert: 20.09.2020 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2020 um 13:58 Uhr
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Sabrina Buff (28) und Tochter Tara (1 1/2) verbringen ihre Herbstferien in der Schweiz.
Foto: Nathalie Taiana
Milena Stadelmann und Danny Schlumpf

Spazieren am Davosersee, grillieren am Walensee, Eis essen in Schaffhausen: Sabrina Buff (28) verbrachte den Sommer mit Ehemann Tsering (36) und Tochter Tara (1 1/2) in der Heimat. Geplant war das nicht: Die erste Auslandsreise zu dritt fiel Corona zum Opfer. Statt Sonne, Meer und Strand in Italien gab es Berge und Seen in der Schweiz.

Auf ihre ersten Ferien im Ausland muss die kleine Tara nun auch im Herbst verzichten. Eine Ansteckung mit dem Coronavirus wollen die Eltern nicht riskieren. «Und weil die Schweiz jetzt selber als Risikogebiet gilt, wäre es ohnehin nicht verantwortungsbewusst, ins Ausland zu reisen», sagt Sabrina Buff.

Grosse Unsicherheit

Mit ihren Plänen steht die Familie nicht alleine da. «Die Schweizerinnen und Schweizer werden in diesem Jahr ihre Herbstferien vornehmlich im eigenen Land verbringen», sagt Nicolo Paganini (54), Präsident des Schweizerischen Tourismusverbandes. Für die ohnehin angeschlagene Reisebranche ist das besonders prekär. «Die Umsätze werden höchstens 15 Prozent des Vorjahres betragen», schätzt Walter Kunz (59), Geschäftsführer des Schweizer Reise-Verbands. Bei Kuoni liegen die Buchungen von Ferienreisen innerhalb Europas «signifikant unter dem Vorjahreswert». Die ständigen Anpassungen auf den in- und auslän­dischen Risikolisten sorgen bei Touristen für grosse Unsicherheit.

Wenn überhaupt, reisen die Schweizer nach Griechenland, Zypern oder in die Türkei. Auch in umgekehrter Richtung herrscht Stillstand. «Internationale und vor allem interkontinentale Gäste fehlen weiterhin», sagt Paganini. Das trifft besonders die Stadt­hotellerie nochmals mit voller Wucht. Denn hier machen auch Herr und Frau Schweizer kaum ­Ferien. «Die Corona-Pandemie ist für uns absolut verheerend», so Brigitte Heller (57), Direktorin des Hotels Monopol in Luzern. Seit Anfang des Jahres seien die Logiernächte um 60 Prozent eingebrochen, berichtet sie. Eine Besserung ist nicht in Sicht: Die Buchungen für die Herbstferien bleiben tief. In den nächsten vier Wochen ist das Hotel gerade noch zu 20 Prozent ausgelastet.

Harter Winter steht bevor

«Für den Winter rechne ich mit dem Schlimmsten», sagt Heller. Alle grossen Veranstaltungen sind abgesagt. Selbst in gewöhnlichen Jahren herrscht im Winter weniger Betrieb. Dennoch rechnet Luzern Tourismus in den kommenden Monaten nochmals mit einem Rückgang der Logiernächte um 70 bis 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.


Aufgeben kommt für Hoteldirektorin Heller trotzdem nicht in Frage. Sie kämpft weiter für ihr Hotel und ihre Mitarbeitenden. Solange sie Kurzarbeit beantragen kann, versucht sie ihre Angestellten zu halten. Doch die Stadthotellerie muss sich für den Winter sehr warm anziehen. Für Andreas Züllig (61), Präsident von Hotelleriesuisse, ist klar: «Entlassungen sind in der Beherbergungsbranche im Herbst und Winter leider unvermeidlich.»

Wer wird überleben?

Hotelschliessungen und Kon­kurse sind garantiert – doch nicht in allen Tourismusgebieten. «In den Ferienregionen liegt der Buchungsstand bis Mitte Oktober sogar über dem Vorjahr», so Züllig. Beim Ferienwohnungsvermittler Interhome sind Ferien im Tessin, Wallis, Berner Oberland oder Graubünden besonders gefragt.

Auch Familie Buff macht nicht nur Ferien auf Balkonien. Für Sabrina Buff und Tara geht es nach Zermatt. Dort setzt sich der Trend vom Sommer fort. «Die Betriebe, die offen haben, werden überrannt», sagt der Zermatter Hotelier Paul-Marc Julen (39). «Die Buchungen für Oktober liegen bei uns jetzt schon über den Vorjahreszahlen.» Für das ganze Wallis sei der Ausblick auf den Herbst gut, sagt Damian Constantin (54), Direktor von Wallis Promo­tion. «Das Wetter ist mitentscheidend für eine gute Saison.»

Niemand weiss wies weiter geht

Aber wie geht es für den Schweizer Tourismus nach den Herbst­ferien weiter? Eine Prognose sei schwierig, sagt Jürg Stettler (55), Tourismus-Professor an der Hochschule Luzern. «Die Schutzkonzepte der Skigebiete und Bergbahnen werden eine wichtige Rolle spielen.» Die Branche erarbeitet in diesen Tagen das finale Konzept. Bereits klar ist: Eine Maskenpflicht wird es weiterhin geben. Dies muss aber nicht Pisten voller Wegwerfmasken be­deuten: Die Bündner Firma Muntagnard hat einen Nackenwärmer entwickelt, der Corona- und Grippeviren deaktiviert. Er kann bei Bedarf über die Nase gezogen und als BAG-konforme Stoffmaske getragen werden.

Noch ist vieles unklar. Fest steht: Für den Schweizer Tourismus werden auch die kommenden Monate zur Herausforderung. Die ausländischen Gäste werden grösstenteils ausbleiben – allerdings bleiben auch die Schweizer zu Hause.

Auf Auslandsferien zu dritt muss Familie Buff also noch warten. Für Sabrina Buff kein Pro­blem: «Sobald sorgloses Reisen wieder möglich ist, zeige ich Tara die Welt.»

Corona-Fälle in der Schweiz

Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.

Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.

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