Sie halten Städte sauber, sie räumen Schnee, sie pflügen Felder: Fahrzeuge von Bucher Industries. Doch der Konzern mit Sitz in Niederweningen ZH ächzt unter den Notmassnahmen. Mehrere Standorte mussten die Produktion herunterfahren, andere wurden behördlich geschlossen. Nun teilte das Unternehmen mit: «Die Covid-19-Krise hat die Unsicherheiten deutlich erhöht und dürfte sich zunehmend negativ auf die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen von Bucher Industries auswirken.»
Per Ende März steckten bereits 887 von weltweit 13'163 Bucher-Vollzeitstellen in Kurzarbeit. In der Schweiz hat man für die Hälfte der 1000 Mitarbeiter Kurzarbeitsentschädigung beantragt. Wenn es so weit ist, erhalten sie ihren Lohn von der Arbeitslosenversicherung – und müssen mit weniger Geld auskommen. Bucher übernimmt die Lohneinbusse der Angestellten nicht. «Das wäre den anderen Mitarbeitenden gegenüber nicht korrekt», heisst es zur Begründung.
Gewinnausschüttungen korrekt
Etwas anderes halten die Bucher-Verantwortlichen trotz Krise und Kurzarbeit für korrekt: grosszügige Gewinnausschüttungen an die Aktionäre. Nur vier Tage vor der Corona-Hiobsbotschaft genehmigte die Generalversammlung eine Dividendenausschüttung von 82 Millionen Franken. Davon 28,9 Millionen auf die Konten der Gründerfamilie Hauser. Kurzarbeit für die Angestellten, Millionen für die Aktionäre: Bucher ist längst nicht der einzige Schweizer Grosskonzern, der die Corona-Krise asymmetrisch managt.
Beispiel ABB: Der Industrieriese führte in der Schweiz «vereinzelt» Kurzarbeit ein. Was das genau heisst, verschweigt der Konzern. Auch zur Frage, ob Einbussen der Mitarbeiter kompensiert werden, kein Kommentar. Bekannt ist: Am 26. März nickte die Generalversammlung eine Dividendenausschüttung von 1323 Millionen ab. Davon gingen 156 Millionen an die Familie Wallenberg, eine schwedische Unternehmerdynastie.
Einen Monat später scheint das Geld plötzlich knapp zu sein. CEO Björn Rosengren kündigte diese Woche an: «Wir werden uns verstärkt darauf fokussieren, die Kosten konsequent zu kontrollieren und die Liquidität zu sichern.» ABB muss sparen.
Millionen für Aktionäre, Kurzarbeit im Shop
Lindt & Sprüngli versüsst das Leben der Aktionäre mit einer Jubiläums-Sonderdividende. Kommende Woche werden 345 Millionen Franken ausbezahlt, 7,8 Millionen an Ernst Tanner, Verwaltungsratspräsident und Ex-CEO des Schoggikonzerns. Bittere Botschaft für die Mitarbeiter in den eigenen Shops und im Aussendienst: Sie wurden auf Kurzarbeit gesetzt.
Die Liste lässt sich beliebig verlängern: Adecco. Bobst. BVZ Holding mit Matterhorn-Gotthard-Bahn und Glacier Express. Conzzeta-Gruppe mit Mammut. Dätwyler. Georg Fischer. Huber+Suhner. Implenia. LafargeHolcim. Metall Zug mit V-Zug, Sibir und Gehrig. Mobilezone. Sika. Straumann. Sunrise. Titlis Bergbahnen. TX Group (einst Tamedia). Sie alle haben in den vergangenen Tagen und Wochen Gewinne in Millionenhöhe ausgeschüttet, während ihre Angestellten in Kurzarbeit sind.
Rechtfertigung für Dividenden
Viele Firmen kompensieren zwar den Lohnausfall durch Kurzarbeit. Und einige Geschäftsleitungsmitglieder verzichten als Zeichen der Solidarität auf Teile ihres Gehalts. Grundsätzlich finden die Konzerne ihr Vorgehen aber völlig legitim. Die Rechtfertigungen lauten bei allen ähnlich: Das Unternehmen habe genügend Liquidität. Ausbezahlte Dividenden beträfen das Geschäftsjahr 2019. Die Alternative zur Kurzarbeit wären Entlassungen. Und die Kurzarbeitsentschädigung sei keine Staatshilfe, sondern eine Versicherungsleistung, die zum grössten Teil durch Unternehmen und Mitarbeitende finanziert werde. Kurz: Dividenden und Kurzarbeit hätten nichts miteinander zu tun.
Das sehen nicht alle so. Per Motion fordert die Sozialkommission des Nationalrats ein Dividendenverbot für Firmen, die Kurzarbeitsentschädigung für ihre Angestellten beantragt haben. Der Vorstoss ist Gegenstand der ausserordentlichen Corona-Session, die am Montag beginnt. Der Bundesrat empfiehlt die Motion zur Ablehnung. Er hatte auch kaum eine Wahl: Schliesslich genehmigte der Bund am 28. April als Alleinaktionär der Post eine Dividendenausschüttung von 50 Millionen Franken – obwohl die Post für diverse Tochterunternehmen Kurzarbeit beantragt hatte.
Angestellte: «Es geht um Existenz»
Wie sich das für die Angestellten anfühlt, weiss Nicole Stadler*, seit mehr als zehn Jahren Buchhändlerin in einer grossen Orell-Füssli-Filiale. Seit dem Lockdown ist sie auf Kurzarbeit und muss mit 20 Prozent weniger Lohn auskommen. «Viele von uns verdienen schon in normalen Zeiten nicht viel mehr als 4000 Franken. Fällt da noch ein Fünftel weg, geht es schnell um die Existenz.»
Buchhändlerin Stadler fürchtet sich vor den kommenden Monaten: «Wir gehen davon aus, dass es zu einem Stellenabbau kommen wird. Unsere Branche hatte es ja schon vor Corona nicht einfach.»
Die Teppichetage der Orell Füssli Holding sieht das optimistischer. In einer Mitteilung heisst es: «Auch wenn die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzbar sind, ist Orell Füssli hinsichtlich der mittel- und langfristigen Entwicklung des Unternehmens zuversichtlich.»
An der GV vom 20. Mai soll deshalb wie geplant eine Dividendenausschüttung von 11,8 Millionen Franken genehmigt werden. Buchhändlerin Stadler kann darüber nur den Kopf schütteln: «Das ist zynisch und zeugt von null Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern.»
* Name geändert