Diese Erfindungen mischen die Schweizer Wirtschaft auf
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Nach dem Corona-Schock
Diese Erfindungen mischen die Schweizer Wirtschaft auf

Halbjahresberichte sagen nicht, wie sich die Schweizer Wirtschaft nach dem Corona-Schock entwickelt – ein Blick auf die Start-up-Szene hingegen schon.
Publiziert: 23.08.2020 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2020 um 19:16 Uhr
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Wer die künftige Entwicklung der Wirtschaft erfassen will, muss die Märkte der Zukunft in den Fokus nehmen. «Das ist unser Geschäft», sagt Max Meister (42), Mitinhaber der Swiss Startup Group. Als Investor richtet er sein Visier auf Jungunternehmen.
Foto: Nathalie Taiana
Danny Schlumpf

Wie weiter mit der Schweizer Wirtschaft nach dem Corona-Schock? Konjunkturdaten und die jüngsten Halbjahresberichte der etablierten Unternehmen verbreiten Optimismus. Doch wohin geht die Reise? Darüber sagen die Zahlen nichts.

Wer die künftige Entwicklung der Wirtschaft erfassen will, muss die Märkte der Zukunft in den Fokus nehmen. «Das ist unser Geschäft», sagt Max Meister (42), Mitinhaber der Swiss Startup Group. Als Investor richtet er sein Visier auf Jungunternehmen. «Sie sind die Wiege der Wirtschaft – und damit ein hervorragender Indi­kator, der in Echtzeit gefragte Branchen anzeigt.»

Die Start-up-Szene signalisiert aber auch, welche Branchen nicht mehr gefragt sind. «Was physisch ist, ist jetzt im Nachteil», sagt Meister. Dazu gehören besonders die Reise- und die Eventbranche. Plattformen wie Uber und Airbnb geraten ins Hintertreffen, weil die Leute weniger in ein Taxi steigen oder in einer fremden Wohnung übernachten wollen. Die gesamte Share Economy gehört zu den Verlierern – ausleihen ist out. Meister: «Wer in diesen Bereichen Investoren sucht, hat es jetzt schwer.»

Mehr Start-ups im Fokus

Biotech und Pharma hingegen kann die Krise nichts anhaben. Sie sind sogar stärker geworden. Dazu kommen der Gaming-Bereich und das E-Learning, das vor Corona kaum interessierte. «Die Krise hat aber nicht nur die Themen verändert», sagt Meister. «Sie hat auch Einfluss auf die Werte.» So würden jetzt Start-ups, die mit Entschleunigung und Achtsamkeit zu tun haben, plötzlich attraktiv. Insgesamt 50 Start-ups hat Meister zurzeit im Fokus. «Einen Drittel davon hätten wir vor Corona nicht angeschaut.»

Denn plötzlich werden Themen attraktiv, die vor der Krise keinen Investor hinter dem Ofen hervorlockten. Zu ihnen gehört die Unterhaltung. Eigentlich hat Entertainment in der Schweiz einen schweren Stand. «Doch Corona hat das geändert», sagt Javan Mershad (42) vom Start-up Mictic. Sein Team entwickelt Armbänder, die Geräusche und Musik erzeugen, sobald man sie bewegt.

Damit betreten sie den Markt genau im richtigen Moment. Denn die Reaktion der Investoren sei immer die gleiche, so Mershad: «Endlich etwas, das Spass macht!» Auch Max Meister gehört zu ihnen. Er sagt: «Das Armband hat Potenzial im Freizeitbereich, aber auch im Sport- und Musiksektor. Plötzlich wird Geige spielen ohne Instrument denkbar.» Auch Meister erkennt einen Corona-Effekt: «Das Virus wirkt sich auf die Freizeitgestaltung der Menschen aus. Jetzt suchen sie nach Möglichkeiten, sich zu Hause zu beschäftigen. Das rückt ein solches Entertainment-Produkt schlagartig ins Rampenlicht.»

Corona könnte bald zu Problemen führen

Solche Ideen ziehen Investoren an. «Überhaupt zeigt sich die Schweizer Start-up-Landschaft sehr widerstandsfähig», sagt Rico Baldegger (61), Direktor der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg. «In anderen Ländern sind die In­vestitionen wegen Corona komplett eingebrochen – nicht so in der Schweiz.» Trotzdem ist Baldegger vorsichtig: «Wenn Corona in einem halben Jahr nicht vorbei ist, werden die Investoren wohl kritischer. Dann würde sich nämlich die Frage stellen: «Können sie selber überhaupt noch zahlen?»

Solche Zukunftsängste plagen Marcel Florian (27) nicht. Mit seinem Jung­unternehmen Growcer baute er mitten in Basel die erste Vertical-Farming-Anlage der Schweiz. Damit kann er auf sechs Ebenen das ganze Jahr über Blattgemüse, Kräuter und Früchte produzieren. «Wir treffen natürlich den Zeitgeist», sagt Florian. Auch Investor Meister ist überzeugt: «Corona hat die Anfälligkeit der Liefer­ketten schonungslos offengelegt. Unabhängigkeit und Selbstversorgung gewinnen an Bedeutung.»

Ein siebenstelliger Betrag wurde bereits in die Firma investiert. Neben der Swiss Startup Group gehören ein Selfmade-Millionär und ein ehemaliger Unternehmer aus dem Detailhandel zu den zentralen Geldgebern. Das Zwischenmenschliche müsse stimmen, sagt Florian. Denn es sei wie bei einer Ehe: «Wir sitzen für einen ganzen Lebensabschnitt in einem Boot.»

Start-ups wie Mictic und Growcer zeigen die Zukunft der Schweizer Wirtschaft auf. «Und die ist intakt, weil es der Basis gut geht», sagt Meister. «Wir haben eine sehr vitale Gründerbranche.» Doch Corona hat den Branchenmix verändert. Dass Cleantech auch in Zukunft von Bedeutung ist, war zu erwarten. Dass ab sofort auch klingende Armbänder eine Rolle spielen, überrascht hingegen schon.

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