Der Discounter Spar verkauft seit Jahren Nespresso-Kapseln ohne Wissen von Hersteller Nestlé. BLICK deckte den Fall gestern auf.
Nespresso-Schweiz-Chef Pascal Hottinger betonte in der Vergangenheit mehrmals, dass die begehrten Kaffeekapseln mit einzelnen Ausnahmen nur über den eigenen Kanal verkauft werden.
Das heisst: Ausser in den Nespresso-Boutiquen und im Online-Shop ist die Ware nirgends erhältlich. Schon gar nicht beim Discounter.
Doch Spar hat sich darüber hinweggesetzt und bietet die Kapseln in mehreren Läden an. Eine Sprecherin betont allerdings, dass Spar nichts mit der Sache zu tun hat. Man beliefere die eigenen Filialen nicht mit Nespresso-Kaffee. Wie geht das?
Erhältlich sind die Kapseln nur bei Spar-Partnern. Das sind immerhin rund 120 der 184 Schweizer Filialen. Sie werden von unabhängigen Unternehmern geführt und dürfen neben dem Spar-Sortiment auch andere Ware anbieten.
Hans Ruedi Schnellmann ist so ein Partner. Er betreibt 18 Spar-Läden im Grossraum Zürich. In den meisten bietet er Nespresso-Kapseln an, wie er auf Anfrage bestätigt: «Verboten ist das nicht.»
Nespresso sperrt Kundenkonto
Aber wie kommt er an die Ware, wenn Nestlé den Verkauf an den Detailhandel unterbindet? «Die Kapseln kann man im Bürogrosshandel oder in Nestlé-Outlets kaufen», erklärt Schnellmann.
Von einer ehemaligen Mitarbeiterin, die anonym bleiben will, weiss Blick.ch, dass Spar-Angestellte die Kapseln privat im Online-Shop von Nespresso bestellen und in den Laden bringen. «Mir war nie ganz wohl bei dieser Sache», sagt sie. Irgendwann habe ihr Nespresso das Konto gesperrt. «Wahrscheinlich habe ich zu viel bestellt», vermutet sie.
Schnellmann bestätigt diese Praxis, betont aber, dass die Mitarbeiter nie gezwungen wurden, die Kapseln privat zu bestellen: «Das geschah stets in gegenseitigem Einvernehmen.»
Der Spar-Partner verkauft den portionierten Kaffee für 59 Rappen pro Kapsel – also 18 Prozent teurer als bei Nespresso. Trotzdem werden sie gekauft: «Vor allem in ländlichen Filialen laufen sie gut. Viele Kunden wollen nicht extra in die Stadt fahren oder haben keine Lust sie online zu bestellen.»
Preise sind für alle Käufer gleich
Der Absatz ist erstaunlich. Jeden Monat macht Schnellmann pro Filiale 1000 Franken Umsatz. Das sind immerhin sieben Packungen pro Tag und Laden. Wegen der wachsenden Konkurrenz an Billig-Kapseln sei der Umsatz in letzter Zeit zurückgegangen, sagt Schnellmann.
Er will die Original-Kapseln weiterhin anbieten, auch wenn nun schlafende Hunde geweckt wurden. Bei Nespresso Schweiz gibt man sich zurückhaltend. «An der Geschäftspraxis von Nespresso hat sich nichts geändert», schreibt eine Sprecherin. «Nespresso vertreibt seine Kapseln über die eigenen Vertriebskanäle. Dabei sind die Preise für alle Käufer gleich.»
Ob die Nestlé-Tochter juristisch gegen die Spar-Partner vorgehen wird, lässt die Sprecherin offen: «Dazu können wir derzeit nicht Stellung nehmen.»
Fraglich bleibt, ob Nespresso überhaupt die Anwälte einschalten wird: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Nespresso überhaupt verbieten kann, die Kapseln zu verkaufen», sagt Martin Frey, Detailhandelsexperte beim Beratungsunternehmen PWC.