Während Anleger sich über steigende Börsengewinne freuen, bekommen diejenigen, die die harte Büez erledigen, wenig: Nur vereinzelt erhöhen Firmen die Löhne für die gesamte Belegschaft um mehr als ein Prozent (BLICK berichtete). Doch als einzelner Arbeitnehmer hat man sehr wohl Chancen auf eine Gehaltserhöhung.
Es gibt keine bessere Zeit, um sich Gedanken über den eigenen Lohn zu machen, als jetzt. Denn aufs Jahresende hin planen nicht nur die Personalabteilungen die Budgets fürs nächste Jahr. Die Vorgesetzten setzen sich auch an die Bewertungen der Mitarbeiter.
Aber: Wie fordert man am besten mehr Lohn? Experten erklären, wie man clever vorgeht. Und was man tunlichst unterlassen sollte.
Muss ich einen Termin für Lohnverhandlungen vorab vereinbaren?
Plötzlich mit der Forderung nach einem höheren Lohn auf der Matte zu stehen, ist keine gute Idee. «Eine böse Überraschung möchte niemand», sagt Matthias Schulthess (38), Partner beim Headhunter-Unternehmen Schulthess Zimmermann Executive Search.«Vereinbaren Sie ein Gespräch über die aktuelle Arbeitssituation.» Verhandlungsexperte Abel-Latif rät zudem: «So einen Termin sollten Sie niemals per Mail anfragen.»
Eine Vertrauensebene könne man nur im mündlichen Gespräch schaffen. Man soll den Chef anrufen oder während der Arbeit ansprechen, rät Bestsellerautor und Verhandlungsspezialist Adel Abdel-Latif (46): «Am besten schlagen Sie selbst gleich einen Termin vor. Diesen sollten Sie sich danach jedoch unbedingt per Mail bestätigen lassen.» Lohnverhandlungen sollten immer von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Abdel-Latif rät davon ab, per E-Mail oder Telefon übers Gehalt zu diskutieren.
Soll ich mich rausputzen für eine Verhandlung beim Znacht?
Beim Lohngespräch soll man eine der Branche angemessene Kleidung tragen. «Extra-Aufwand und kreative Ideen wie ein Cocktailkleid oder plötzlich ein teurer Anzug wirken aufgesetzt», sagt Schulthess. «Das ist Effekthascherei, die schnell wieder verpufft!» Man solle sich im Gespräch so fühlen wie in der Funktion, in der man tätig ist – und dementsprechend das Outfit wählen.
Von einer Lohnverhandlung beim Bierchen nach der Arbeit halten beide Experten wenig. Allerdings glaubt Abdel-Latif, dass ein gemeinsames Essen verbindet und Sympathie herstellt. «Ich würde unbedingt das Mittagessen wählen», sagt er. Gehe das nicht, sei der Vormittag ideal. Schulthess schränkt ein, dass der Termin dem Betriebsrhythmus angepasst werden soll. Konkret: «Legen Sie bei einem Logistikunternehmen, wo morgens um neun Uhr angeliefert wird, Lohnverhandlungen nicht auf diese Zeit.»
Soll ich mir Verstärkung aus der Personalabteilung oder von oben holen?
Nein. «Im ersten Schritt ist immer das Vier-Augen-Gespräch anzustreben. Das schafft Vertrauen», sagt Abdel-Latif, der grosse Unternehmen und Topmanager in schwierigen Verhandlungen berät. Auch Schulthess glaubt, dass die Anwesenheit eines HR-Mitarbeiters einer positiven Verhandlungsatmosphäre nicht zuträglich ist. Das Gespräch bekomme dann schnell einen formellen Charakter.
Ausserdem ist ganz klar, wer in erster Linie der Ansprechpartner für Gehaltsverhandlungen ist: der direkte Vorgesetzte. Das heisst, dass man den nicht überspringen und etwa bei dessen Chef wegen mehr Gehalt anklopfen sollte. «Das vergiftet das Klima», warnt Headhunter Schulthess. In jedem Fall gilt aber: «Führen Sie die Gehaltsverhandlung immer mit jemandem, der entscheidungsbefugt ist», sagt Abdel-Latif. «Alles andere ist Zeitverlust.»
Wie konkret dürfen meine Forderungen sein?
Ein No-Go: sofort eine Zahl auf den Tisch zu knallen. Denn ein Lohngespräch ist keine klassische Verhandlung, in der beide Seiten gleich lange Spiesse haben. «Der Arbeitgeber muss sich nicht bewegen, wenn er nicht will. Wenn der Vorgesetzte eine Forderung in den falschen Hals bekommt, hat man verloren», erklärt Schulthess. Man dürfe den Arbeitgeber nicht in eine defensive Lage drängen. «Er ist ohnehin nicht erpressbar.»
Mit der Kündigung zu drohen, wenn der Chef nicht auf die Forderungen einsteigt, ist «wirklich der allerletzte Ausweg», sagt Schulthess. Der Headhunter findet, dass man den Vorgesetzten ruhig einbeziehen und nach Entwicklungsmöglichkeiten beim Lohn fragen könne. Man sollte sich aber eine vernünftige Vorstellung vom Gehalt bereitlegen. Denn wenn der Chef fragt, gilt: «Rumdrucksen kann man nicht.»
Anderer Meinung ist Abdel-Latif: «Platzieren Sie eine hohe Forderung, die jedoch im Gesamtkontext realistisch ist.» Dieser Anker diene dazu, die Gedanken des Gegenübers um das eigene Angebot kreisen zu lassen.
Darf ich den Lohn meiner Kollegen ins Spiel bringen?
«Niemals!», warnt Abdel-Latif. Das lasse nur unnötig die Emotionen hochkochen. Ausserdem riskiert man, dass der Chef begründet, warum der Kollege besser qualifiziert ist und daher vielleicht mehr verdient. Die Folge einer solchen Strategie: «Ihr Pulver wäre sofort verschossen, Ihre Souveränität unwiderruflich angeknackst», sagt Abdel-Latif.
Auch Schulthess findet: «Wenn Sie über andere Mitarbeiter und deren Gehalt sprechen, begeben Sie sich auf dünnes Eis.» Man sollte immer bei der eigenen Leistung bleiben. Oder den Vorgesetzten um eine Einschätzung zur Gehaltsstruktur und der damit verbundenen eigenen Position bitten.
Wie soll ich die Lohnforderung im Gespräch platzieren?
«Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus. Und kommen Sie nicht direkt auf den Lohn zu sprechen» sagt Schulthess. Experte Abdel-Latif rät, dass die Gesprächspartner sich erst einmal aufwärmen. «Starten Sie immer mit mindestens drei Minuten Smalltalk. Das senkt die Nervosität auf beiden Seiten und sorgt für eine angenehme Atmosphäre.» Dann solle man, «ohne unnötig rumzueiern», zum Punkt kommen, so der Verhandlungsexperte.
Schulthess rät zu einem etwas defensiveren Verhalten – und vor allem dazu, vor dem Gespräch erst einmal ehrlich zu sich selbst zu sein. «Es ist wichtig, den eigenen Leistungsbeitrag zum Unternehmen zu kennen. Beurteilen Sie Ihre eigenen Stärken und Schwächen ehrlich.» Dementsprechend kann man dann darüber reden, wie man sich entwickle und welchen Beitrag man zum Unternehmen leiste. «Es ist immer besser, das Thema Lohn in ein grosses Ganzes einzubetten», so Schulthess.