Krisen sind der beste Freund des Goldes. Nach dieser Regel sollte es Goldbesitzern derzeit glänzend gehen. Denn wenn an etwas kein Mangel besteht, dann an schlechten Nachrichten: Griechenland taumelt, der Nahe Osten brennt, Chinas Wirtschaftswunder verblasst.
Die Liste liesse sich beliebig verlängern, doch dem Goldpreis hilft das alles nichts. Das gelbe Metall ist so billig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Seit September 2011 fiel der Preis pro Unze von 1920 auf 1094 Dollar. Ein Minus von 43 Prozent!
In der Finanzkrise spielte Gold seine Rolle als sicherer Hafen noch lehrbuchmässig. Die Aktienkurse stürzten ins Bodenlose, der Goldpreis kletterte auf Rekordstände. Warum jetzt der Crash? Experten nennen fünf Hauptgründe:
Wende am Aktienmarkt: Seit fast vier Jahren sind die Börsen auf einem Höhenflug. Das lockte selbst die grössten Pessimisten aus der Reserve. «Die zunehmende Risikofreudigkeit der Anleger hat dazu beigetragen, dass Aktien attraktiver und Gold unattraktiver wurden», sagt Susanne Toren, Gold-Spezialistin der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Ende der Angst: Die Euro-Krise hält zwar die Politik in Atmen, die Anleger aber lassen sich längst nicht mehr ins Bockshorn jagen. Sie vertrauen Mario Draghi (67) und seinem Versprechen, alles zu tun, um den Euro zu retten. Als der Präsident der Europäischen Zentralbank 2013 seine berühmte Garantie verkündete, schmierte der Goldpreis ab. Erholt hat er sich bis heute nicht. Auch die Angst vor Geldentwertung spielt kaum mehr eine Rolle: «Jahrelang wurde vor der Gefahr einer steigenden Inflation gewarnt, eingetreten ist sie aber nicht – das hat dem Goldpreis geschadet», sagt Dominic Schnider (39), Edelmetall-Spezialist bei der UBS in Hongkong.
Zerfall des Ölpreises: In der zweiten Hälfte 2014 tauchte der Erdölpreis um sagenhafte 60 Prozent. Das hat den Scheichs die Lust am glänzenden Metall verdorben. «Die erdölproduzierenden Länder im Nahen und Mittleren Osten sind wichtige Gold-Abnehmer», sagt Toren. «Mit dem Rückgang der Erdöleinnahmen ging ihre Nachfrage zurück.»
Comeback des Dollars: Seit einem Jahr liegt der Dollarkurs so hoch wie lange nicht mehr. Dadurch löste er Gold als sicheren Hafen ab. «Die Normalisierung der US-Geldpolitik hat die Gold-Hausse beendet», sagt Schnider.
Zinswende: Zinsen auf Obligationen muss man zwar mit der Lupe suchen. Doch das Ende der Nullzinsphase ist absehbar. Fed-Chefin Janet Yellen (68) will im September an der Zinsschraube drehen. Das ist schlecht fürs Gold: «Die anstehende Zinswende macht Gold-Investments im Vergleich zu Anleihen weniger attraktiv», sagt Toren.
Wer am Ende der Gold-Hausse 2011 investierte, zog einen Schuh voll raus. «In Asien hat Gold einen Imageschaden erlitten. Viele Investoren haben sich die Finger verbrannt», sagt Schnider. Bis die Preise wieder die Höchststände erreichen, dürfte viel Zeit verstreichen. Doch der nächste Crash kommt bestimmt. Und dann wird Gold einmal mehr zur Fluchtburg für verängstigte Investoren. Sollen Privatanleger angesichts der tiefen Preise jetzt schon mal ihre Bestände ausbauen?
Die Experten sind skeptisch: «Für einen Einstieg ist es noch zu früh», sagt ZKB-Expertin Toren. Anders als andere Analysten rechnet sie zwar nicht damit, dass die Marke von 1000 Dollar pro Feinunze unterboten wird. «Dennoch sollten die Anleger erst einmal abwarten, wie sich die Zinswende auswirkt.»
Auch UBS-Mann Schnider rät von einem Einstieg ab: «Die Unsicherheiten sind zu gross. Kommt der Zinsschritt des Fed im September, gerät der Goldpreis weiter unter Druck.»