«Die Phase der tiefen Zinsen könnte noch länger anhalten, und auch eine weitere Lockerung der Geldpolitik ist unter Umständen notwendig», sagt Thomas Jordan (56), Präsident der Nationalbank, im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Und weiter: «Unser Spielraum beim Zins ist nicht unbeschränkt, aber wir haben durchaus die Möglichkeit für weitere Senkungen.»
Zuletzt beliess die SNB den Leitzins unverändert bei minus 0,75 Prozent. Mit den Negativzinsen will die Zentralbank den Franken für internationale Investoren unattraktiv machen. Denn er gilt als «sicherer Hafen» und ist daher in turbulenten Zeiten gefragt.
Kommts zum Bankrun?
Dass die Leute bei noch tieferen Zinsen in grossem Stil ihr Geld von den Banken abziehen und zu Hause horten, glaubt Jordan nicht. «Die Kosten und Risiken der Bargeldaufbewahrung sind grösser als die Kosten des Negativzinses, den wir im Moment haben», sagte er. Deshalb gehe die SNB davon aus, dass noch Spielraum vorhanden sei.
Wie lange die vor über vier Jahren als Notmassnahme eingeführten Negativzinsen anhalten, dazu wagte Jordan keine Prognose. «Wir gehen davon aus, dass die heutige Situation früher oder später korrigiert wird. Wann genau, ist schwer zu prognostizieren.» Jordan betonte, dass die Zinsen unabhängig von der Geldpolitik stark gesunken seien. Gründe dafür seien die demografische Entwicklung und eine tiefere Produktivität.
Der Leitzins wird von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) festgelegt und gibt an, zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken Geld bei der SNB leihen können. Mit dem Leitzins steuert die Nationalbank die Geldpolitik und versucht unter anderem, den Wert des Schweizer Franken zu beeinflussen. Konkret: den Franken gegenüber Euro oder US-Dollar zu schwächen.
Seit Januar 2015 – kurz nach der Aufhebung des Mindestkurses – ist der Leitzins in der Schweiz negativ, liegt bei minus 0,75 Prozent. Das heisst, die Geschäftsbanken bezahlen nicht für das Ausleihen von Geld, sondern für das Anlegen. Konkret: Wenn die Banken zu viel Geld bei der SNB parkieren, müssen sie abzüglich eines Freibetrags einen Strafzins zahlen. Dank der Negativzinsen hat die SNB im letzten Jahr gut 2 Milliarden Franken eingenommen.
Der Leitzins hat einen grossen Einfluss auf das allgemeine Zinsniveau in der Schweiz. Viele Zinssätze wie etwas Spar- und Hypothekarzinsen richten sich nach der Veränderung des Leitzinses. Christian Kolbe
Der Leitzins wird von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) festgelegt und gibt an, zu welchem Zinssatz sich Geschäftsbanken Geld bei der SNB leihen können. Mit dem Leitzins steuert die Nationalbank die Geldpolitik und versucht unter anderem, den Wert des Schweizer Franken zu beeinflussen. Konkret: den Franken gegenüber Euro oder US-Dollar zu schwächen.
Seit Januar 2015 – kurz nach der Aufhebung des Mindestkurses – ist der Leitzins in der Schweiz negativ, liegt bei minus 0,75 Prozent. Das heisst, die Geschäftsbanken bezahlen nicht für das Ausleihen von Geld, sondern für das Anlegen. Konkret: Wenn die Banken zu viel Geld bei der SNB parkieren, müssen sie abzüglich eines Freibetrags einen Strafzins zahlen. Dank der Negativzinsen hat die SNB im letzten Jahr gut 2 Milliarden Franken eingenommen.
Der Leitzins hat einen grossen Einfluss auf das allgemeine Zinsniveau in der Schweiz. Viele Zinssätze wie etwas Spar- und Hypothekarzinsen richten sich nach der Veränderung des Leitzinses. Christian Kolbe
Die Nationalbank sieht sich angesichts der Negativzinsen auch Kritik ausgesetzt, unter anderem von der Bankiervereinigung. Kritiker bemängeln, die Negativzinsen erfüllten ihren Zweck nicht. Zudem würden Leute mit geringen Ersparnissen und wenig Geld in der Pensionskasse verlieren während Besitzer von Immobilien und Aktien profitierten, heisst es.
Nebenwirkungen kann es geben
«Unsere Geldpolitik ist für die gegenwärtige wirtschaftliche Situation richtig», sagte Jordan. «Wir haben nie infrage gestellt, dass es Nebenwirkungen gibt. Wir müssen jedoch das Gesamtinteresse des Landes im Blick haben und dürfen keine Einzelinteressen verfolgen.» Wenn die Nationalbank den Leitzins jetzt anheben würde, würde daraus laut Jordan ein stärkerer Franken resultieren. «Die Arbeitslosigkeit würde steigen.»
Um den Franken zu schwächen und die exportorientierte Wirtschaft zu stützen, greift die SNB zudem bei Bedarf am Devisenmarkt ein. Auf die Frage, ob diese Eingriffe in den USA auf politischen Widerstand stossen könnten, entgegnete Jordan: «Wir stehen in einem engen Kontakt mit dem US-Finanzministerium, um unsere spezifische Situation zu erklären. Unsere Interventionen zielen nie auf eine Schwächung des Frankens zulasten anderer Volkswirtschaften.»
Der SNB-Präsident äusserte sich ferner ablehnend zum Vorschlag eines sogenannten Helikoptergeldes. Die Idee zielt darauf ab, die Wirtschaft anzukurbeln, indem durch die Notenbank direkte Geldgeschenke an die Bürger verteilt werden. «Ich kann solche Konzepte nicht befürworten», sagte Jordan. «Denn es handelt sich um eine Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik, was ein Spiel mit dem Feuer ist.» (SDA)