Die Statistik sei eine Sache, die menschliche Seite eine andere, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP, 59) gestern vor den Medien in Bern. Die Situation der älteren Arbeitnehmenden sei ein wichtiges Thema. Der Schweizer Arbeitsmarkt sei angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels auf diese angewiesen.
Mehr Hilfe, bessere Beratung – und eine Rente?
An der fünften nationalen Konferenz zum Thema haben die Teilnehmer deshalb eine Roadmap verabschiedet und sich auf ein Mandat für eine Arbeitsgruppe geeinigt, die konkrete Massnahmen erarbeiten soll.
- Erstens wollen die Vertreter von Bund, Kantonen und Sozialpartnern, dass ältere Arbeitnehmende bei Erwerbslosigkeit besser sozial abgesichert sind. Zur Diskussion steht hier eine Überbrückungsrente des Bundes für Ausgesteuerte. Einen Konsens dazu gibt es allerdings bisher nicht.
- Zweitens sollen ältere Arbeitslose bessere Chancen erhalten, wieder eine Stelle zu finden. Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) sollen sie stärker unterstützen und die Stellenmeldepflicht besser zur Vermittlung nutzen. Die kantonalen Arbeitsmarktbehörden erhalten den Auftrag, einen Aktionsplan zu erarbeiten.
- Drittens soll die Arbeitsgruppe ein Recht auf eine berufliche Standortbestimmung ab einem bestimmten Alter prüfen. Dabei geht es vor allem um Aus- und Weiterbildung.
Kündigungsschutz hat es schwer
Die Überbrückungsrente entspricht einer Forderung der Gewerkschaften. Nicht im Mandat enthalten ist deren Forderung nach einem besseren Kündigungsschutz für Arbeitnehmende über 50. Diese habe leider wenig Anklang gefunden, sagte Vania Alleva (50), Vizepräsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB).
Der SGB betont, durch einen Kündigungsschutz erhielten die Arbeitgeber auch einen Anreiz, besser zum Personal zu schauen, etwa bei Weiterbildung und Gesundheitsschutz. Für die Arbeitgeber dagegen kommt das nicht in Frage. Regulatorische Eingriffe seien weder sinnvoll noch nötig, sagte Leif Agnéus (56), Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes.
Nicht alle sehen gleich grosse Dringlichkeit
Die Arbeitgeber und die Gewerkschaften beurteilen auch den Handlungsbedarf unterschiedlich. Die Arbeitgeber weisen darauf hin, dass die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen und die Arbeitslosenquote gesunken sei.
Insgesamt sei die Situation sehr gut, sagten Agnéus und Gewerbeverbandspräsident Jean-François Rime. Sie räumten allerdings ein, dass es Verbesserungspotenzial gebe, etwa bei der Stellenvermittlung. Ältere Arbeitnehmer hätten nämlich ein höheres Risiko, ausgesteuert zu werden.
Diesen Punkt heben auch die Gewerkschaften hervor. Sie weisen ausserdem darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit bei den Älteren im Unterschied zur Gesamtarbeitslosigkeit kaum gesunken sei und dass der Anteil der über 55-Jährigen an den Langzeitarbeitlosen bei über 34 Prozent liege. Die Sozialhilfequote sei bei den über 55-Jährigen viel stärker gestiegen als in anderen Altersgruppen, sagte der Berner SP-Nationalrat Adrian Wüthrich (38), Präsident von Travail. Suisse. (SDA/awi)