Der Handels- und Währungskrieg zwischen USA und China eskaliert. Die Briten steuern auf einen Brexit ohne Deal zu. Die Europäische Zentralbank kündigt weitere Zinssenkungen an. Der Euro fällt, der Franken steigt. Und die Realwirtschaft gerät ins Stocken.
Das zeigen die jüngsten Prognosen der Chefeinkäufer im sogenannten Einkaufsmanagerindex (PMI), der als Stimmungsbarometer und Indikator künftiger Entwicklung dient. Die Industrie in Europa ist auf dem Weg in die Rezession – in Deutschland, der Wirtschaftslokomotive des Kontinents, steckt sie bereits mittendrin.
Und die Schweiz? Der Handelsstreit zwischen USA und China setzt Luxus- und Konsumgüterhersteller wie Richemont, Swatch und Logitech unter Druck. Der kriselnde Euroraum zieht die hiesige Exportindustrie in Mitleidenschaft. Kein Wunder: 60 Prozent der Schweizer Ausfuhren gehen dorthin. Der PMI für die heimische Industrie ist auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren. Die Aussichten? Sind düster.
Nachfrage geht zurück
«Wir haben es gleich mit einer mehrfachen Gewitterfront zu tun», sagt Stefan Brupbacher (51), Direktor von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Die Unsicherheit bei den Kunden nehme zu, die Nachfrage gehe zurück. «Das wiederum ist Gift für die Investitionen. Wir sind alarmiert.»
Noch holt die Pharmaindustrie, die fast die Hälfte aller Schweizer Exporte tätigt, die Kohlen aus dem Feuer. Sie ist weniger anfällig für Konjunktur- und Währungsbewegungen als andere Bereiche. «Ohne die Pharma wären wir wohl bereits in der Rezession», sagt Adriel Jost (34) vom Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners.
Brenzlig wird es jedoch, wenn die kriselnde Industrie andere Sektoren der Wirtschaft infiziert. Darauf deutet der tiefe Auftragsbestand im Schweizer PMI hin. Er lässt vermuten, dass die Produktion im Gewerbe sinken wird. Die Stimmung im Dienstleistungssektor ist laut PMI ebenfalls schlechter. Lässt sich dieser Bereich vom Kriseln der Industrie anstecken, steigt die Rezessionsgefahr.
Abhängigkeit vom Aussenhandel geht zurück
Ist die Wirtschaft darauf vorbereitet? «Ja», sagt Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff (58). «Die Schweiz hat mehrere Trümpfe in der Hand: Finanzstabilität, eine der weltweit tiefsten Verschuldungsquoten, hohe Wettbewerbsfähigkeit und eine sehr tiefe Arbeitslosenquote.»
Simon Wey, Chefökonom des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, teilt diese Meinung: «Die Schweizer Volkswirtschaft ist stark exportorientiert und deshalb von der konjunkturellen Entwicklung im Ausland abhängig. Aber durch den strukturellen Wandel der letzten Jahre ging die Abhängigkeit vom Industriesektor und somit dem Aussenhandel zurück.»
Auch Eric Scheidegger (58), Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik des Seco, stimmt zu: «Wir sind vorbereitet.» Die Schuldenbremse biete die Möglichkeit, in einer in Rezession Defizite im Bundeshaushalt zuzulassen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht zusätzlich zu beschneiden. Die gut ausgebaute Arbeitslosenkasse sorge auch bei steigender Beschäftigungslosigkeit für die Aufrechterhaltung der Kaufkraft. Und in Phasen einer schwächelnden Konjunktur sei es ratsam, auf höhere Abgaben zu verzichten.
Exakt voraussehen lässt sich ein Wirtschaftsabschwung kaum. Scheidegger plädiert für verhaltene Zuversicht: «Ein akutes Rezessionsrisiko besteht zur Zeit nicht.»