Sika-Streit
Sika-Verantwortliche erringen juristischen Etappensieg

Das Zuger Kantonsgericht hat mit einem Urteil zugunsten des Sika-Verwaltungsrates dem Bauchemiekonzern im Abwehrkampf gegen den französischen Bauriesen Saint-Gobain den Rücken gestärkt. Saint-Gobain hält jedoch an der Übernahme fest. Die SWH zieht das Urteil weiter.
Publiziert: 29.10.2016 um 02:44 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 21:49 Uhr
Sika-Chef Jan Jenisch zeigte sich am Freitag an der Medienkonferenz zum Entscheid des Zuger Kantonsgerichts erfreut über das Gerichtsurteil.
Foto: KEYSTONE/URS FLUEELER

Das Kantonsgericht Zug hat am Freitag die Anfechtungsklage der Schenker-Winkler Holding (SWH) gegen die Beschlüsse der Generalversammlung 2015 abgewiesen. Die Richter stellten fest, dass die von Sika gegen den grössten Aktionär verhängte Stimmrechtsbeschränkung rechtens war.

Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass von der in den Sika-Stauten festgelegten Vinkulierung nicht nur der direkte Verkauf der Sika-Aktien, sondern auch der indirekte Verkauf mittels Verkauf aller SWH-Aktien erfasst sei.

Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände wertete das Gericht den Versuch der SWH, den Verwaltungsrat mit ihr genehmen Mitgliedern zu besetzen als unzulässige Umgehung der Sika-Statuten. Denn mit ihrem Vorgehen hätten Saint-Gobain, die SWH und die Geschwister Burkard den Kontrollwechsel sicherstellen wollen.

Der Verwaltungsrat hatte an der Generalversammlung im April 2015 eine Beschränkung der SWH-Stimmrechte für verschiedene Traktanden verfügt. Ohne diese Massnahme hätte die Erbenfamilie bei sämtlichen Voten ihren Willen durchsetzen können. Denn die SWH kontrolliert mit 16 Prozent des Kapitals 53 Prozent der Stimmrechte - und damit eindeutig die Mehrheit. Mit diesem juristischen Kniff wahrte der Verwaltungsrat vorerst die Unabhängigkeit des Konzerns.

Die Sika-Verantwortlichen zeigen sich vor den Medien in Zürich erleichtert. Das Urteil sei sehr klar ausgefallen, sagte Sika-Chef Jan Jenisch. Der Zuger Richterspruch setze ein Ende hinter eine zweijährige Phase der Unsicherheit, erklärte auch Verwaltungsratspräsident Paul Hälg. Das sei eine sehr gute Nachricht für Sika und die Aktionäre. Die Positionen von Sika seien in allen wesentlichen Punkten gestützt worden.

Sowohl Jenisch als auch Hälg gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Streit nun beigelegt werden könnte. Die Burkard-Familie werde vom Urteil enttäuscht sein, räumte Hälg ein. Sika strecke aber allen Familienmitgliedern die Hand entgegen, um eine Verhandlungslösung zu finden. Jenisch sprach davon, dass es Zeit sei, sich zusammenzusetzen. «Wir haben nicht die Zeit, um zwei weitere Jahre vor Gericht zu streiten», so Jenisch.

Die Gegenseite hat allerdings bereits angekündigt, das Urteil weiterzuziehen. Die SWH betonte, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die vom Sika-Verwaltungsrat beschlossene selektive Unterdrückung ihrer Stimmrechte widerrechtlich gewesen sei.

«Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind von grundsätzlicher und weitreichender Bedeutung», begründet Urs Burkard, Vertreter der Familie im Verwaltungsrat, in einer Mitteilung den Gang vor die nächste Instanz. Dies muss innert der nächsten 30 Tage geschehen.

Mit dem Urteil vom Freitag ist der Verkauf von Sika an Saint-Gobain nicht vom Tisch. Die Käuferin betonte in einer separaten Mitteilung, dass sie weiterhin an der Übernahme festhalte. Man nehme den Entscheid des Kantonsgerichts Zug zur Kenntnis. Gleichzeitig sei das Unternehmen aber zuversichtlich, dass das Schweizer Rechtssystem im Berufungsverfahren die Eigentümerrechte der SWH wiederherstellen werde.

Erfreut über das Gerichtsurteil zeigten sich hingegen am Freitagabend die Stiftung Ethos und die Aktionäre rund um die Bill und Melinda Gates Stiftung. In Anbetracht der Bedeutung dieses Urteils für Sika und den Wirtschaftsstandort Schweiz erhalte Ethos den Status als Nebenintervenientin in diesem Rechtsstreit aufrecht.

Auch der Trust hinter der Bill und Melinda Gates Stiftung begrüsste den Entscheid ausdrücklich. Dieses Urteil sei erwartet worden, denn die Schweizer Justiz stelle sich hinter die Prinzipien einer guten Unternehmensführung und schütze die Interessen der Aktionäre, heisst es in einer Mitteilung des Bill & Melinda Gates Foundation Trust und von Cascade Investment, L.L.C.

Die Investorengruppe bleibe offen für Gespräche mit der Familie Burkard. Die Familie müsse aber die Klauseln zum Schutz der Aktionäre in den Statuten respektieren.

Der Übernahmekampf um Sika liefert weiterhin Juristenfutter: Bei Gericht sind derzeit noch zwei weitere Anfechtungsklagen der SWH hängig. Auch hier geht es um die umstrittene Anwendung der Vinkulierung. An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 24. Juli 2015 stellte die SWH erneut einen Antrag zur Abwahl der unabhängigen Verwaltungsräte. Erneut wendete die Sika-Führung den Angriff mittels einer Stimmrechtsbeschränkung ab.

Das Schauspiel wiederholte sich ein Jahr später an der ordentlichen Generalversammlung 2016. In beiden Fällen haben die Richter in Zug noch kein Urteil gefällt.

Am Friedensrichteramt im zugerischen Baar sind des weiteren zwei Verantwortlichkeitsklagen hängig, mit denen sich die Gegner und Befürworter des Verkaufs eingedeckt haben.

Die eine Klage wurde von der Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates und seiner Frau Melinda gegen Urs Burkard, dem Vertreter der Gründer-Familie im Sika-Verwaltungsrat, eingereicht.

Gemäss den Klägern ist Burkard der Urheber des geplanten Verkaufs an die französische Saint-Gobain. Trotzdem habe er öffentlich verlauten lassen, dass das Engagement der Familie Burkard ungebrochen sei. Die Kläger fordern darum Entschädigungen für die Aufwendungen, die dem Sika-Konzern infolge dieser Aktivitäten entstanden sind.

Die andere Klage wurde von der SWH eingereicht und richtete sich gegen die unabhängigen Verwaltungsräte Monika Ribar, Ulrich Suter und Christoph Tobler. Begründet wurde die Klage mit der Kampagne, die der Sika-Verwaltungsrat gegen den Verkauf des Aktienpakets der SWH führe. Der Sika-Verwaltungsrat gebe unverhältnismässig viel Geld aus, um gegen den eigenen Ankeraktionär vorzugehen. In beiden Fällen hat der Friedensrichter in Baar noch nicht entschieden.

Aus den bereits abgeschlossenen Verfahren ist die SWH als Siegerin hervorgegangen. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im September 2015 entschieden, dass Saint-Gobain für den Erwerb der von der SWH gehaltenen Sika-Aktien den Publikumsaktionären kein Angebot unterbreiten muss (Opting-Out).

Auch alle relevanten Wettbewerbsbehörden, darunter die schweizerische Wettbewerbskommission WEKO, haben sich bislang hinter den Verkauf gestellt.

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