So etwas hat die Schweizer Wirtschaft noch selten gesehen. Die Chefs eines florierenden Unternehmens wehren sich mit allen Mitteln gegen einen Verkauf ins Ausland. Alle fragen sich, wie die Ur-Enkel des Gründers überhaupt auf die Idee kommen zu verkaufen. Das passiert gerade beim Bauchemie-Konzern Sika.
Die Firma ist kerngesund und hochprofitabel. «Der Bauzulieferer übertrifft die Erwartungen und schlägt alle Rekorde», stellte die «Finanz und Wirtschaft» Anfang Jahr fest.
Selbst nach 104-jähriger Geschichte überzeugt die Sika noch immer mit Wachstumsraten im zweistelligen Bereich.
Doch jetzt wird die Beteiligung an den französischen Konkurrenten Saint-Gobain verkauft. Die Rede ist von 16 Prozent der Aktien. Damit verbunden sind 52 Prozent der Stimmrechte.
Seit der Gründung der Firma war die Sika in Familienhand. Zuletzt in der Schenker-Winkler Holding, die ihren Sitz in Baar ZG hat. Sie gehört den fünf Ur-Enkeln des Gründers Kaspar Winkler. Einer von ihnen, der gelernte Schreiner Urs F. Burkard (57), vertritt die Familie im Sika-Verwaltungsrat.
Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA rechtfertigt sich die Familie via Sprecher. Man verkaufe die Sika-Anteile, weil man für das Unternehmen beim französischen Grosskonzern Saint-Gobain die bessere Zukunft sieht. Der Verkauf sei eine logische Folge aus dem Generationenwechsel bei der Gründerfamilie.
Die nächste Generation sei in ihrem Alter und ihren Ansichten sehr unterschiedlich, heisst es weiter. Eine nachhaltige Nachfolgeplanung sei aber allen wichtig, darum hätten sie sich für den Verkauf entschieden.
Was das heisst, weiss niemand so genau. Gut möglich, dass sich in der Familie kein unternehmerisch denkendes Mitglied mehr finden lässt. Dann nimmt man lieber gleich das Geld und verkauft die Anteile jetzt, da es der Firma sehr gut geht.
Immerhin sei mit Urs Burkard immer noch ein Mitglied der Gründerfamilie im Verwaltungsrat vertreten, sagte der Familien-Sprecher weiter.
Und zum Käufer heisst es: Saint-Gobain sei ein Industriekonzern mit 350-jähriger Tradition. Die Familie sei überzeugt, mit dem Verkauf eine gute Lösung gefunden zu haben. Sie wollten im Vorfeld keine Interessenkonflikte provozieren und hätten sich darum für Diskretion entschieden.
Vor vier Jahren wurde Urs Burkard mit seiner Mutter Franziska Burkard-Schenker († 84), die im Dezember 2013 starb, vom Schweizer Fernsehen interviewt. Darin schwärmte er noch vom «Sika-Spirit», den man überall im Haus spüre.
Erst kürzlich versicherte Burkard in der «Bilanz»: «Das Commitment der Familie zum Unternehmen bleibt ungebrochen.» Heute hält sich die Familie mit Aussagen zurück. Klar ist, dass der Deal einen Wert von 2,75 Milliarden Franken hat.
Den Anlegern passt das überhaupt nicht. Sie schicken die Sika-Aktie heute auf Tauchstation. Das Papier verliert rund 17 Prozent. Innert zwei Stunden ist das Unternehmen mindestens 1,5 Milliarden weniger wert.
Sika ist eine Ur-Schweizer Firma, die Klebe- und Dichtestoffe produziert. Das neue One World Trade Center in New York oder The Shard in London würden ohne Sika kaum stehen.
Gründer Winkler dichtete mit dem Produkt «Sika-1» noch den Gotthardtunnel ab. Heute machen 16'000 Angestellte 5 Milliarden Franken Umsatz. (alp)