Mensch und Tier brutzelten vergangene Woche gewissermassen um die Wette: die Menschen unter der sengenden Sonne, die Tiere – Vegetarier, bitte wegschauen – als Fleisch auf dem Grill.: «Je schöner das Wetter, desto mehr wird grilliert», so die Coop-Medienstelle. Nach Auskunft der Grossverteiler bedeutet das vor allem: Fleisch vom Schwein. «Beliebt auf dem Grill sind nach wie vor Cervelats und Bratwürste sowie marinierte Schweinefleisch-Artikel, da sich Schweinefleisch besonders gut zum Grillieren eignet», stellt man etwa bei Lidl Schweiz fest.
Und doch: Der Fleischkonsum in der Schweiz sinkt – gemäss Bundesamt für Landwirtschaft seit 2010 um rund drei Prozent. «Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist in den letzten Jahren gesunken», präzisiert Regula Kennel von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Die Folge: In den letzten Jahren herrschte teilweise in neun von zwölf Monaten ein Überangebot. Die Bauern mussten reagieren. Sie halten inzwischen weniger Tiere. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden sieben Prozent weniger Säuli geschlachtet als in den Vorjahren, wie Zahlen von Proviande belegen.
Für den schwindenden Appetit gibt es laut Kennel mehrere Gründe: «Der Anteil an Personen, die kein Schweinefleisch essen, hat in den letzten Jahren zugenommen.» Dies wirke sich zum Beispiel bei Caterings aus. «Statt zwei verschiedene Angebote wird dann beispielsweise nur Poulet serviert, weil das einfacher ist», so Kennel. Zudem habe Schweinefleisch ein schlechtes Image, was die Gesundheit angeht.
«Völlig unverdientermassen», findet Kennel.
Kampf zwischen Schweineproduzenten und Fleischverarbeitern
Währenddessen tobt im Hintergrund ein Preiskampf zwischen Produzenten und Grossverteilern. Am Donnerstag – als die Brätelsaison ihren bisherigen Höhepunkt erreichte – eskalierte der Streit ums Schwein.
Der Verband der Schweizer Schweineproduzenten (Suisseporcs) attackierte Micarna, den Fleischverarbeiter der Migros, ungewöhnlich hart: «Trotz freundlicher und gesunder Marktsituation setzt die Micarna einen nicht marktgerechten Preisabschlag für Schlachtschweine durch.» Micarna ist neben der Firma Bell, die zu Coop gehört, einer der zwei grossen Player.
Schwein gilt als Fundament der Schweizer Fleischwirtschaft. Pro Kopf verzehrt jeder Schweizer 21,6 Kilo «Schwinigs» pro Jahr, so viel wie von keiner anderen Fleischsorte. Es kann eben auch vielfältiger verarbeitet werden, etwa zu Würsten, zu Speck, zu Fleischkäse ...
Nun aber fühlen sich die Produzenten vor den Kopf gestossen. «Die Schweinezüchter haben ihre Hausaufgaben gemacht und den Tierbestand der Nachfrage angepasst. Jetzt will Micarna bei der erstbesten Gelegenheit die Preise drücken», beklagt sich Raphael Helfenstein von Suisseporcs.
Alles begann am Dienstag mit einem Artikel in Deutschlands grösster Boulevardzeitung, der «Bild»: «Kita streicht Schweinefleisch für alle Kinder». Anlass war der Entscheid zweier Leipziger Kindertagesstätten (kurz: Kita), aus Rücksicht auf muslimische Kinder Schweinefleisch vom Speiseplan zu streichen. Es begann eine landesweite Debatte über Rücksicht auf Minderheiten und die Rolle der Medien. Für die rechtspopulistische AfD ist die Kampagne ein gefundenes Fressen («Keine Extrawurst für den Islam!»). Die rechte Splitterpartei ADPM hat zu Demos vor den Kitas aufgerufen.
Und die Verantwortlichen der Krippen erhalten Morddrohungen. «Polizeischutz!» vermeldete die «Bild» darauf. Das Springer-Blatt wurde mit Beschwerden beim deutschen Presserat eingedeckt. Der Vorwurf: Hetze. Die Redaktion hat sich bislang nicht geäussert. Schweizern kommt das bekannt vor: 2018 schimpfte SVP-Nationalrat Andreas Glarner (56) auf Facebook über ein angebliches Cervelatverbot einer Jugendorganisation in einer kleinen Aargauer Gemeinde.
Alles begann am Dienstag mit einem Artikel in Deutschlands grösster Boulevardzeitung, der «Bild»: «Kita streicht Schweinefleisch für alle Kinder». Anlass war der Entscheid zweier Leipziger Kindertagesstätten (kurz: Kita), aus Rücksicht auf muslimische Kinder Schweinefleisch vom Speiseplan zu streichen. Es begann eine landesweite Debatte über Rücksicht auf Minderheiten und die Rolle der Medien. Für die rechtspopulistische AfD ist die Kampagne ein gefundenes Fressen («Keine Extrawurst für den Islam!»). Die rechte Splitterpartei ADPM hat zu Demos vor den Kitas aufgerufen.
Und die Verantwortlichen der Krippen erhalten Morddrohungen. «Polizeischutz!» vermeldete die «Bild» darauf. Das Springer-Blatt wurde mit Beschwerden beim deutschen Presserat eingedeckt. Der Vorwurf: Hetze. Die Redaktion hat sich bislang nicht geäussert. Schweizern kommt das bekannt vor: 2018 schimpfte SVP-Nationalrat Andreas Glarner (56) auf Facebook über ein angebliches Cervelatverbot einer Jugendorganisation in einer kleinen Aargauer Gemeinde.
Mehrere Tonnen Schweinefleisch eingefroren
Der Fleischverarbeiter sieht es anders: «Bereits in den letzten Wochen hat die Micarna ein Überangebot in Bezug auf Schweinefleisch festgestellt.» Deshalb habe man mehrere Tonnen Schweinefleisch einfrieren müssen. Am Donnerstag hat die Migros-Tochter deshalb beschlossen, 4.40 Franken pro Kilo zu zahlen – zehn Rappen weniger, als die Schweinezüchter verlangen. «Trotz dieser Preissenkung bezahlt die Micarna nach wie vor 60 Rappen pro Kilogramm mehr als im Vergleich zum Vorjahr.»
Micarna dementiert einen Zusammenhang mit der Preissenkungsoffensive, die Migros-Direktor Fabrice Zumbrunnen (49) vor kurzem angekündigt hat: «Die Einkaufspreise für Schweine werden wöchentlich festgelegt. Schwankungen im Einkaufspreis sind Teil der freien Marktwirtschaft.»
Suisseporcs kämpferisch: «Wir raten unseren Schweinehaltern, ihr Schwein nicht unter Wert zu verkaufen.»
Treiber des Konflikts jedoch sind letztlich die Kunden. Zwar essen sie weniger Schwein, kompensieren dies aber teilweise mit Poulet. Die Schweinefleischhersteller wollen das korrigieren. Suisseporcs hat dieses Jahr die Mitgliederbeiträge erhöht, um mehr Mittel für das Marketing zu haben. Der Kampf um den Platz auf den Schweizer Grills dürfte sich weiter verschärfen.