Die Post hat ihren Briefträgern einen Zusatzjob aufgebrummt. Sie sollen bei ihren Kunden an der Haustür klingeln und sie zum Abkratzen ihrer Stopp-Werbung-Aufkleber bewegen. Schon jeder zweite Haushalt schützt sich mit dem Sticker vor unerwünschter Werbung. Der Post schmeckt das gar nicht. Für sie sind diese Massensendungen eine wichtige Einnahmequelle.
Ihre Zielsetzung: die Zahl der Sticker um mindestens ein Prozent zu senken. So ein Ziel gibts nicht, versicherte die Post zuletzt in Medienberichten.
Doch jetzt packen Betroffene aus. Die Pöstler widersprechen ihrem Arbeitgeber: «Dass es keine Zielsetzung von einem Prozent gebe, ist eine Unwahrheit», sagt Marion W.* zu BLICK. Sie will anonym bleiben aus Angst vor Jobverlust. «Jeder im Team muss vorerst zwei Stopp-Werbung-Kleber bis zum Jahresende rückgängig machen», sagt sie. Je nach Region gebe es ein anderes Ziel.
Damit nicht genug: Pöstler berichten von einem knallharten Wettbewerb, der seit Mai in den Zustellstellen herrsche. Die Teamleiter der Briefträger haben in den Pausenräumen Listen aufgehängt. Auf der einen würden die Namen der Kunden eingetragen, die ihre Stopp-Aufkleber nun wieder entfernen wollen. Auf der anderen stehe jeder einzelne Mitarbeiter. «Pro entfernten Stopp-Kleber kriegt der erfolgreiche Mitarbeiter einen Strich hinter seinem Namen», sagt Pöstler Kurt S.*.
Zudem drückte die Post jedem Zusteller einen Leitfaden in die Hand – mit fixfertigen Antworten, wie sie kritische Einwände der Kunden entkräften sollen. Die Post ermuntert auf der Anleitung auch zur Eigenwerbung für die Werbesendungen. Kunden würden durch sie von Angeboten in der Umgebung erfahren. «Ein Schweizer Durchschnittshaushalt spart bis 5000 Franken pro Jahr.»
Die Gewerkschaft Syndicom weiss: «Effizienz- und Arbeitsdruck sind gross in der Zustellung und werden durch solche zusätzliche Vorgaben noch verstärkt», sagt Sprecher Bruno Schmucki. Das Ziel von einem Prozent sei zwar freiwillig. «Wenn Teamleiter daraus aber einen Wettkampf machen und so moralischen Druck aufbauen, ist das problematisch.»
Sara Stalder vom Konsumentenschutz empört sich: Das Vorgehen der Post sei eine «Nötigung» der Mitarbeiter. «Die Post soll dem Willen der Konsumenten Respekt zollen, die ihren Briefkasten vor der Werbeflut schützen wollen.»
Die Post sagt, dass es «den Leitern der 1000 Zustellteams frei steht, einen Wettbewerb im Team zu starten». Individuelle Kleber-Ziele für den Einzelnen gibt es laut Sprecher Oliver Flüeler nicht.
«Sollten aufgrund von Missverständnissen individuelle Ziele für Mitarbeitenden formuliert sein, gehen wir dem nach.» Gemäss einer Studie der Post seien rund 17 Prozent der Stopp-Kleber durch den Vorgängermieter angebracht. Diese Zielgruppe wolle man im Sinne der Geschäftskunden ansprechen. Diese sind laut Flüeler darauf angewiesen, ihre Produkte und Aktionen mit Werbung bekannt zu machen.
Flüeler: «Es liegt auch im Interesse der Zusteller, dass die Stopp-Werbung-Kleber abnehmen.» Schliesslich helfe das auch, «die Auslastung und Arbeitsplätze in der Zustellung zu sichern».