So hat sich das die Schweizerische Nationalbank (SNB) kaum vorgestellt. Schon Stunden vor der geldpolitischen Lagebeurteilung sind die Währungshüter am Finanzplatz in aller Munde. Nicht wegen ihrer Geldpolitik, sondern wegen happiger Vorwürfe: Bei der SNB soll eine frauenfeindliche Unternehmenskultur herrschen!
Konkret geht es um Sexismus und Mobbing, um Lohndiskriminierung und Frauen, denen die Nationalbank angeblich ihre Karrierechancen verbaut. Diese Vorwürfe stehen in einem am Donnerstagmorgen veröffentlichten Artikel des Online-Magazins «Republik». Darin schreiben die Wirtschaftsjournalistin und BLICK-Kolumnistin Patrizia Laeri (43) sowie Journalist Fabio Canetg (32) über angebliche Missstände bei der SNB. Autor und Autorin stützen sich dabei auf Aussagen von aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen der Nationalbank.
SNB wehrt sich gegen Vorwürfe
Im Artikel kommen die Informantinnen ausführlich zu Wort, erheben schwere Vorwürfe, stellen die konservative Unternehmenskultur an den Pranger. Das Problem dabei: Alle treten anonym auf. Eine Nachprüfung ist nicht möglich.
Die Fragen nach der Gleichberechtigung der Frauen bei der SNB hat bereits die Politik auf den Plan gerufen. Die Zürcher SP-Nationalrätin Céline Widmer (42) will vom Bundesrat unter anderem wissen, was die SNB unternehme, um den Frauenanteil deutlich zu steigern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erhöhen.
Die Nationalbank wehrt sich gegen den Generalverdacht der Männerbündelei. «Wir nehmen jegliche Hinweise auf Vorfälle von Diskriminierung oder Sexismus sehr ernst», schreibt die SNB.
MediaSlot: ImageContainer #image_2_5f6ccc7766127In einer Telefonkonferenz – eigentlich gedacht zur Erläuterung der Geldpolitik – findet Nationalbank-Präsident Thomas Jordan (57) klare Worte, weist die Vorwürfe zurück: «Wir haben kein systemisches Problem. Allerdings kann ich nicht ausschliessen, dass es Einzelfälle gibt.» Diesen gehe die Nationalbank in allen Fällen nach. Denn, so Jordan: «Mobbing, Sexismus und Diskriminierung sind für die Nationalbank inakzeptabel.»
SNB braucht die besten Leute
Auf Nachfrage von BLICK betont Jordan, die Chancengleichheit sei das Erfolgsmodell der SNB: «Es ist in unserem ureigensten Interesse, die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. In der Zeit seit der Finanzkrise hatte die Nationalbank einige sehr grosse Herausforderungen zu bewältigen.» Ohne engagierte und gut integrierte Mitarbeitende wäre dies kaum möglich gewesen, ergänzt der SNB-Präsident.
Zum Teil wirken die Vorwürfe konstruiert. So erzählt eine Informantin, dass sie bei einem Bewerbungsgespräch nach ihrer politischen Meinung zur SNB-Anlagepolitik befragt worden sei. Sie antwortete zurückhaltend, sagte, man könne die Anlagepolitik «überdenken».
Einige Tage später kam von der SNB, die sich massgeblich über ihre politische Unabhängigkeit definiert, die Absage. «Die Frage nach der politischen Haltung der Bewerberin war in diesem Fall ganz klar unzulässig», wird Martin Farner (75), Fachanwalt für Arbeitsrecht, im Artikel zitiert.
Regelmässige Überprüfung Lohngleichheit
Farner unterschlägt, dass die Frage kaum auf eine allgemeine politische Gesinnungsprüfung abzielte, sondern fachlich begründet war. Die Anlagepolitik gehört nun mal zu den Kernaufgaben einer Nationalbank. Potenzielle künftige Mitarbeitende danach zu fragen, was sie davon halten, erscheint nicht nur legitim, sondern notwendig. Es wäre fahrlässig, das Thema nicht anzusprechen.
In einem anderen Fall wird eine Bewerberin zitiert, die sich noch vor dem Bewerbungsgespräch in einem Brief an die SNB-Spitze über die «Genderungleichheit» bei der Notenbank beklagte und fragte, was die Bank dagegen zu unternehmen gedenke. Oh Wunder: Sie bekam die Stelle nicht.
Die SNB verstosse gegen den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit, wird im Artikel weiter behauptet. Dazu schreibt die Nationalbank: Das Prinzip der Lohngleichheit gelte bei der SNB uneingeschränkt. «Das Standardanalysetool für Lohngleichheitsanalysen des Bundes ist bei der SNB bereits im Einsatz und zeigt, dass die Lohngleichheit bei der SNB eingehalten wird.» Mehr dazu sei im nächsten Geschäftsbericht nachzulesen.
Zwei Frauen in Spitzenpositionen
Dass die SNB traditionell in Männerhand ist, ist unbestritten. Die 14 Präsidenten seit der Gründung im Jahr im Jahr 1906 waren allesamt Männer. Immerhin wurde 2015 mit Andréa Maechler (51) erstmals eine Frau in das dreiköpfige Direktorium gewählt. Und dem Bankrat – dem Kontrollgremium der SNB – steht mit der früheren Bündner Regierungsrätin Barbara Janom Steiner (57) seit zwei Jahren erstmals eine Frau vor.
Übrigens: Die Schweiz stimmt diese Woche über zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ab. Bei der Nationalbank sind seit 2019 drei Wochen Vaterschaftsurlaub Standard.