Grosse Überraschung in Basel: Der Roche-Präsident Christoph Franz (62) tritt zurück. Er stellt sich bei der Generalversammlung im März 2023 nicht mehr zur Wiederwahl. Damit hatte auch unter Kennern der Branche niemand gerechnet.
Als sein Nachfolger soll der gegenwärtige CEO Severin Schwan (54) vorgeschlagen werden. Neuer operativer Chef soll per 15. März 2023 dann der bisherige Leiter der Division Diagnostika, Thomas Schinecker (47), werden, schreibt Roche am Donnerstag in einer Mitteilung.
Franz wurde als Swiss-Chef bekannt
Christoph Franz präsidiert Roche seit dem Jahr 2014, dem Verwaltungsrat gehört er seit 2011 an. «Ich habe mich entschieden, nach zwölfjähriger Tätigkeit im Verwaltungsrat, davon neun Jahre als Präsident, nicht mehr zur Wiederwahl zum Verwaltungsratspräsidenten zur Verfügung zu stehen», wird Franz zitiert. Nach dem 125. Geburtstag des Unternehmens und dem Erreichen wichtiger Meilensteine sei dies der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel an der Unternehmensspitze.
André Hoffmann, Vizepräsident des Verwaltungsrates und Sprecher des Familienpools Oeri und Hoffmann, dankt dem zurücktretenden Präsidenten mit warmen Worten: «Christoph Franz hat unser Unternehmen mit seiner strategischen Weitsicht souverän und erfolgreich durch anspruchsvolle Zeiten gesteuert. Er hat einen grossen persönlichen Anteil am anhaltenden Erfolg von Roche.»
Bekannt wurde Franz in der Schweiz als Chef der Airline Swiss. Er leitete diese von 2004 bis 2009 und wechselte danach zum Mutterkonzern Lufthansa, erst als Leiter des Passagierbereichs, ab 2011 dann als Vorstandsvorsitzender der Geschäftsleitung. Franz sitzt als Vizepräsident im Verwaltungsrat der Zurich Versicherung und hat ein Verwaltungsratsmandat bei Stadler Rail.
Neuer Präsident ist Roche-Urgestein
Die Nachfolge an der Roche-Konzernspitze wird intern geregelt. So soll den Aktionären der aktuelle CEO Severin Schwan als neuer Präsident des Verwaltungsrates vorgeschlagen werden. Schwan ist ein Roche-Urgestein: Bereits seit 2006 gehört er der Konzernleitung an, seit 2008 leitet er das operative Geschäft als CEO.
Schwan ist seit 2013 auch bereits Mitglied des Verwaltungsrates. Er hat Jahrgang 1967, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Neben der österreichischen und der deutschen Staatsbürgerschaft hat er inzwischen auch den Schweizer Pass.
Und auch an der operativen Spitze setzt Roche auf eine interne Lösung. Neuer CEO wird per 15. März 2023 Thomas Schinecker. Er leitet aktuell die kleinere Diagnostik-Division. Für Roche arbeitet er bereits seit 2003 in verschiedenen Führungsfunktionen.
Thomas Schinecker hat Jahrgang 1975 und ist promovierter Molekularbiologe. Er besitzt die österreichische und deutsche Staatsbürgerschaft.
Dass Roche den frei werdenden Präsidenten-Posten intern vergibt, bezeichnet Michael Nawrath (58), Pharma-Analyst beim Zürcher Finanzdienstleister Octavian AG, als typisch. «Andere Firmen holen sich einen externen und oft industriefremden Manager» Bei Roche hingegen merke man, dass sich der Grosskonzern bis heute in Familienhand befinde. «Das ist einzigartig.»
Der neue CEO Thomas Schinecker wird in den Augen des Branchenkenners vom Markt unterschätzt. Nawrath selber setzt grosse Erwartungen in den neuen CEO. «Er ist Molekularbiologe, kommt also vom Fach. Und er hat eine beeindruckende Karriere innerhalb der Roche hingelegt.»
Überraschung für die Investoren
Die Investoren hatten ganz offensichtlich nicht mit dem Chefwechsel gerechnet. Zur Börseneröffnung büsste der Roche-Genussschein denn auch rund 1,5 Prozent ein. «Das hängt weniger mit den Zahlen und mehr mit dem Chefwechsel zusammen», erklärt Pharma-Analyst Michael Nawrath. «Die Investoren befürchten vielleicht, dass Christoph Franz mit seinem Rücktritt einem bevorstehenden schwierigen Geschäftsgang entgehen möchte.» Das entbehre allerdings jeglicher Grundlage, findet Nawrath. Roche hat in den letzten Monaten zwar gleich mehrere Rückschläge bei unterschiedlichen Medikamenten eingesteckt. «Aber das hängt eben manchmal auch mit Glück und Pech zusammen.»
Die Zahlen, welche Roche am gleichen Tag veröffentlichte, gerieten angesichts der Rochade an der Konzernspitze in den Hintergrund. Der Konzernumsatz für die ersten sechs Monate 2022 lag bei 32,3 Milliarden Franken, was einem Plus von 5 Prozent entspricht. Zu konstanten Wechselkursen legten die Verkäufe ebenfalls um 5 Prozent zu. (SDA/sfa)