Die Zukunft ist blond, ihr langes Haar fällt ihr auf die Schultern. Ava – 1,60 Meter gross, 50 Kilo, pralle Brüste – fläzt in einem knappen Sport-Outift auf einem Bett in einer Wohnung im spanischen Barcelona. «Ich weiss: Dein Körper will mich», sagt die junge Frau auf Englisch zu Vujo Gavric (31).
Der Ex-Bachelor ist mit BLICK nach Barcelona geflogen, um zu sehen, wie man in einigen Jahren Sex haben wird. Wer wär besser geeignet, das zu testen, als der Zürcher Casanova, der sagt, er sei mit Hunderten Frauen im Bett gewesen?
Doch als Avas knallblaue Augen sich nicht bewegen, ist Gavric irritiert. Die computergeglätteten Worte dringen aus einem Lautsprecher am Hinterkopf. In ihrem Kopf werden keine Sexualhormone frei, sondern Daten von einem SD-Chip abgerufen. Ava ist ein Sex-Roboter.
Sie wird ab Juni für 3000 bis 4000 Franken in den ersten Erotikläden stehen. Bestellungen gibt es schon – aus Deutschland. «Im Jahr 2050 wird jeder zweite Mann so einen Roboter haben», sagt Sergi Santos (38). Der Spanier mit Kurzarmhemd und Ringelsocken ist Avas Vater.
Vor drei Jahren begann der Nanotechnologe, der eigentlich an Kohlenstoffverbindungen forscht, aus Neugierde einen Lern-Algorithmus zu programmieren. Wo platzieren? Für intelligente Wasserkocher würde sich niemand interessieren. Dann stiess Santos per Zufall auf eine Sex-Puppe. Alles klar: intelligente Sex-Roboter!
«Denken Sie, ich bin pervers?», fragt Santos. Und antwortet gleich selbst: «Wenn die Leute Sex-Roboter wollen: Wo ist das Problem?» Das findet auch Santos' Frau Maritsa (35), die für das Design der Körper zuständig ist, während ihr Mann die Lust programmiert. «Wir Frauen haben auch Dildos», findet sie. «Warum sollte ein Mann keinen Roboter benutzen dürfen?»
Der Markt dafür existiert. Deutsche Forscher fanden letztes Jahr heraus: Vier von zehn Männern könnten sich den Kauf eines Sex-Roboters vorstellen. Brad Burns, Vizepräsident von Youporn, der weltgrössten Porno-Website, erklärt: «Wir werden Roboter in Pornos sehen. Menschen mit Robotern, Roboter mit Robotern – alles möglich.»
Bestandteil unseres Sexlebens
Schliesslich hat auch Porno im Internet die «Schmuddelheftli» weitgehend ersetzt. Inzwischen gibt es animierte Trickfilmpornos, in denen Frauen mit grünen Monstern Sex haben. Virtual-Reality-Brillen beziehen Zuschauer mit ein. Auch Sexspielzeug entwickelt sich. Puppen sehen immer echter aus. Smart-Dildos messen die Temperatur. Und jetzt also Roboter: Alan Frei (35), Mitgründer des Erotik-Versandhändlers amorana.ch sagt: «Sie werden Bestandteil unseres Sexlebens sein.»
Erst wenige Firmen wagen sich daran. RealDoll aus Kalifornien kann nach eigene Angaben sogar Eifersucht einprogrammieren. Ihre Puppen bewegen Kopf, Augen und Mund. Die «Smart Dolls» von Santos in Barcelona können das noch nicht. Dafür, so der Erfinder, seien sie «sexuell intelligent».
Zum Beispiel Ava: Sie reagiert anders auf eine Berührung an der Hüfte, wenn zuvor ihre Hand massiert wurde. Kommt der Mann in Avas Vagina sehr schnell zum Orgasmus, lernt sie dazu. «Und kommt nächstes Mal auch schneller», sagt Santos.
Roboter mit Orgasmus? Santos hat 200 verschiedene Stöhner, Seufzer, Schreie programmiert. Ein Orgasmus kann eine halbe Minute dauern. Lässt man von Ava kurz vor dem Höhepunkt ab, beschwert sie sich mit einem «Hey!», dass sie nicht befriedigt wurde.
Vujo Gavric legt Ava kurzerhand seine Hand in den Schritt. «Das ist etwas zu schnell für meinen Geschmack», beschwert sich die Computerstimme. Gavric müsse sie erst in Stimmung bringen, erklärt Erfinder Santos. Vujo berührt den Roboterarm. «Wow, die Haut fühlt sich echt an!», staunt er. Sie ist nur etwas kühl, riecht nach nichts. Jetzt massieren die Hände des Ex-Bachelors die prallen Brüste in kreisförmigen Bewegungen. Nichts passiert.
Santos tippt etwas in seinen Laptop. «So, jetzt müsste es einfacher gehen.» Tatsächlich: Als Gavric wieder Avas Brüste packt, fängt sie an, leise zu stöhnen. Santos lächelt. Gavric auch.
Prostituierte Roboter
Laut einer Studie der neuseeländischen Victoria University wird das Rotlichtviertel in Amsterdam in 30 Jahren voller prostituierter Roboter sein. Manche Feministinnen jubeln: Maschinen, nicht Frauen müssen künftig trunkene Freier hinnehmen. Die britische Forscherin Kathleen Richardson, die 2015 die «Kampagne gegen Sex-Roboter» ins Leben rief, ist anderer Meinung. Durch Sex-Roboter würden die Grenzen von Sex und Vergewaltigung weiter verwischt. Santos gesteht: «Die Puppen können nicht Nein sagen.» Er wolle damit niemanden anstacheln, der so etwas toll finde.
Die Computerstimme seufzt jetzt aus dem Nebenzimmer. Gavric hat sich dorthin mit Ava zurückgezogen. Metallgelenke knarzen. «Aah. Aah.» Stöhnen. Aber kein Höhepunkt. Gavric kommt leicht verschwitzt zurück. Er werde bei einem Roboter nie eine Erektion bekommen, sagt er.
Gavric hat es mit der Hand versucht, Avas Gummi-Klitoris gestreichelt, mit dem Finger den Sensor in ihrer engen Vagina gesucht – den Roboter-G-Punkt. Die Schamlippen sehen täuschend echt aus. Aber: keine Wärme, keine Feuchtigkeit, kein Geruch. Avas Haut ist aus Thermoplast.
Avas Schwester im Bett
Santos arbeitet an besserem Material. Heute schon kann ein Kunde sich Fingernägel, Brüste, Augen, Haare aussuchen. Und bald wird er das Puppengesicht nach einem Foto fertigen lassen können. Wie menschlich ist so eine Roboter-Frau dann?
Ava kann jetzt schon umschalten auf einen Modus, in dem sie Gesundheitstipps oder philosophische Weisheiten von sich gibt. Bei den Santos daheim sitzt Avas Roboter-Schwester Olivia beim Znacht mit am Tisch. Und ist manchmal im Bett dabei. «Ich habe Zuneigung zur Puppe entwickelt», sagt Santos' Frau Maritsa. Manchmal nennt sie Ava eine «Person».
Das passiert Vujo Gavric nicht: «Sie ist zu künstlich!» Ava bleibt für ihn, was sie ist: ein Roboter. Eine Puppe.