Ist wieder Matchtag, zieht die Fanschar im Trikot des Lieblingsvereins, mit dem Fanschal um den Hals und den Fahnen in der Hand in Richtung Stadion. Schliesslich will er oder sie die eigene Leidenschaft auch modisch ausdrücken und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft demonstrieren. Gleichzeitig entsteht durch die Fanartikel eine noch grössere emotionale Bindung zum Herzensverein. Hat der Opa seiner sechsjährigen Enkelin aus Basel tatsächlich das zuoberst auf ihrer Wunschliste geführte FCB-Heimtrikot unter den Christbaum gelegt, schlägt ihr Herz fortan noch etwas mehr rot-blau.
Eine Blütezeit erlebt das Merchandising-Geschäft der Schweizer Fussballclubs jeweils um den Saisonstart herum, weil dann jeweils auch das neue Trikot für die aktuelle Saison erscheint. Aber auch die Vorweihnachtszeit gilt als Hochphase fürs Business mit Utensilien des Fantums. «Das Weihnachtsgeschäft ist für uns wichtig», teilt beispielsweise der FC St. Gallen mit. «Gekauft wird ziemlich die ganze Produktpalette.»
Britischer Scherzartikel hat die Fanshops erobert
Um die Nachfrage nach Geschenken für Fussballfans noch weiter anzukurbeln, fahren einige Clubs temporäre Marketingkampagnen, die auf die Weihnachtszeit zugeschnitten sind. Die BSC Young Boys riefen beispielsweise die Adventswochen mit Rabatten auf spezifische Fanartikel ins Leben. Und mehrere Vereine hatten auf ihren Social-Media-Kanälen einen Adventskalender.
Gleichzeitig gehören mittlerweile auch rein auf Weihnachten zugeschnittene Artikel zum Standard der Fanshops. Dort hat etwa der dem britischen Humor entsprungene Trend des «Ugly Sweater» Einzug gehalten. Von den zwölf Fussballclubs der Super League hat die Hälfte davon einen «hässlichen Weihnachtspullover» im Angebot.
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Weitere beliebte Fanartikel sind Schals oder Mützen im weihnachtlichen Stil oder in den Vereinsfarben gehaltene Christbaumkugeln mit dem Club-Logo drauf. Einige Clubs legen bei den Fanartikeln einen Extra-Schuss Kreativität an den Tag. Die BSC Young Boys verkaufen den «Mysterbag», versehen mit der Aufschrift «Ho Ho Hopp YB!». Der FC Winterthur verkauft Pulswärmer, «glismet in Winti». Und beim sportlich angeschlagenen FC Basel widerspiegelt sich selbst im Fanshop, dass die Auftritte auf dem Rasen zurzeit etwas ein «Gebastel» sind. Der geneigte Fan kann sich etwa Stricksets für einen Schal, eine Mütze oder Handschuhe zulegen oder ein Adventskalender-Bastelset. Und um fussballgöttliche Hilfe für mehr Erfolg kann er mit einer FCB-Kerze bitten.
Die weihnachtlichen Fanartikel sind selbstredend nicht die Verkaufsschlager. Stattdessen gilt auch für die Festtagszeit, was das ganze Jahr über Gültigkeit hat: Das Trikot ist mit Abstand am beliebtesten. Mit offiziellen Zahlen halten einige Clubs lieber zurück. Klar ist jedoch: Zumindest die Fussballvereine mit grosser Fanbasis setzen Trikot-Mengen bis im fünfstelligen Bereich ab – und das jedes Jahr, bei Einzelpreisen zwischen 90 und 120 Franken für Erwachsenen-Shirts und 75 bis 90 Franken für Kindergrössen. Der FC St. Gallen wird in dieser Saison laut eigenen Angaben über 10’000 Trikots verkaufen. Und YB brachte alleine vom Jubiläumstrikot, das die Berner anlässlich des 125-jährigen Bestehens im vergangenen März lanciert haben, alle 8000 Stück an Mann und Frau. Insgesamt hat der aktuelle Meister im Kalenderjahr 2023 rund 18’000 Trikots abgesetzt, wie er mitteilt.
Der Serienmeister dominiert das Fanartikelgeschäft
Der Fussballkrösus aus Bern ist generell die Nummer eins im landesweiten Merchandising-Geschäft der Fussballclubs, wie aus öffentlich zugänglichen Zahlen zu entnehmen ist. Im letzten Jahr hat YB gemäss Angaben der Schweizer Fussballliga 8,6 Millionen Franken Umsatz mit kommerziellen Aktivitäten generiert. Dieser Ertragsposten beinhaltet zwar noch weitere Einnahmen neben jenen aus dem Merchandising. Der Wert belegt aber dennoch die Dominanz des fünffachen Meisters in den letzten sechs Jahren, was das «Merch»-Geschäft angeht.
So nahm der FC Basel 2022 mit Einnahmen aus kommerziellen Aktivitäten von 5,4 Millionen Franken bereits über 3 Millionen Franken weniger ein. Bei allen anderen Clubs ist der Unterschied noch grösser. Der FC Zürich kommt auf 3,8 Millionen Franken, dahinter folgt der FC St. Gallen mit 3,3 Millionen Franken. Der von Kleinaktionären getragene Club weist in seinem Geschäftsbericht die Merchandising-Zahlen separat aus. In der letzten Saison erwirtschafteten die Ostschweizer einen Umsatz von knapp 1,9 Millionen Franken, bei Kosten von etwas weniger als 1,4 Millionen Franken.
Die Schere zwischen YB und dem Rest der Liga dürfte noch weiter aufgehen, schliesslich ist sportlicher Erfolg der zentrale Umsatztreiber bei Fanutensilien. In der Saison 2017/18, in der die Young Boys am Ende den ersten Meistertitel nach 32 Jahren Unterbruch feierte, verzeichneten die Berner im Vergleich zur Vorsaison eine Verdoppelung des Umsatzes im Merchandising. Seither sind die Erträge um weitere 150 Prozent gewachsen, wie der Club mitteilt. In den letzten fünf Jahren haben sich die Umsätze also verfünffacht.
Der FC Basel, der sich seit dem letzten Meisterschaftstitel 2017 auf dem sportlichen Abstieg befindet, hat zumindest den Pandemie-bedingten Umsatzeinbruch wettgemacht. Die Umsätze würden sich wieder auf ähnlichem Niveau wie vor Corona befinden – «Tendenz steigend», teilt der FCB mit. Geholfen habe etwa der Halbfinaleinzug in der Europa League in der vergangenen Saison und der Ausrüsterwechsel von Adidas zu Macron, der mehr Flexibilität und Individualität bei der Entwicklung und Gestaltung der Fanartikel erlaube.
Dass auch andere Aspekte als Erfolg auf dem Platz Treiber des Merchandising-Umsatzes sein können, beweist der FC St. Gallen. Der Club, der unter der Ägide des aktuellen Trainers Peter Zeidler die Plätze sechs, zwei, sieben, fünf und sechs in den letzten fünf Saisons erreicht hat, gilt dank starkem Fokus auf seine Ostschweizer Wurzeln als sportliches Aushängeschild einer ganzen Region. Im Zeitraum zwischen der Saison 2018/19 und der letzten Spielzeit hat der Umsatz beim Merchandising gemäss Clubangaben um 57 Prozent zugenommen.
Fanartikel werden alltagstauglich
Zum grundsätzlichen Aufschwung im Merchandising-Geschäft trägt bei, dass Fussballtrikots mittlerweile auch ein Fashion-Objekt sind. Amerikanische Stars ohne ausgewiesenen Fussballbezug – prominente Vertretende sind beispielsweise Kim Kardashian, Drake oder Snoop Dog – wurden schon in Leibchen europäischer Spitzenvereine abgelichtet. Den hiesigen Clubs fehlt zwar die internationale Ausstrahlung von Paris Saint-Germain, Manchester United oder dem FC Barcelona. Dennoch profitieren sie davon, dass Fanutensilien zunehmend den Weg in den Alltag gefunden haben.
Der Berner Student geht in einem YB-Hoodie zur Uni, die Zürcher Bankerin trägt im Fitnesscenter FCZ-Leggings und der Ostschweizer KMU-Besitzer networkt im dezent gehaltenen FCSG-Poloshirt. Merchandising-Artikel sind mittlerweile ein Marketinginstrument, das auch in die Freizeit der Fans abseits des Stadionbesuchs hineinwirkt. Entsprechend verkaufen sich die Vereine vermehrt als Alltagsbrand. Der FC St. Gallen sei auch eine «Lifestyle-Marke mit Kultcharakter», heisst es vonseiten des Clubs. «Als Segment neben den klassischen Fanartikeln bieten wir alltagstaugliche Mode an, die all unsere Fans ansprechen soll.»
Abseits von Kleidung setzen die Clubs vermehrt auch auf kulinarische Fanartikel. Der FC Basel hat beispielsweise regionale FCB-Gnocchetti in den Clubfarben im Angebot. Der FC Winterthur vertreibt jenen Kaffee, der in der Stadionbeiz ausgeschenkt wird. Die Young Boys verkaufen gelb-schwarze YB-Pasta. Und für das Fanerlebnis unter dem Christbaum gibt es YB-Haselnusslebkuchen.