Volles Rohr: Die Werbearmada des deutschen Discounters feuert derzeit aus allen Kanonen. Vorgestern eröffnete der «urbanste Aldi der Schweiz» beim HB Zürich. Für die Bahn-Pendler gabs Gratis-Gipfeli am Morgen. Letzte Woche nahm Aldi das 3. High-Tech-Verteilzentrum in Perlen LU in Betrieb. Die geladene Lokalprominenz applaudierte brav.
Immer um ein gutes Licht bemüht: Aldi-Schweiz-Chef Timo Schuster (40). Mal mit Daumen hoch («Luzerner Zeitung»), mal in Siegerpose («St. Galler Tagblatt»), mal mächtig stolz («20min.ch»-Video).
Schuster, bislang der verschwiegenen Discounter-Philosophie folgend schön im Hintergrund, teilt dieser Tage in der Öffentlichkeit gegen den Verband Bio Suisse aus. Weil er nicht mit dem Knospe-Logo werben darf. Oder er drischt auf die Grossverteiler Coop und Migros ein. Weil sie ihm die guten Stadt-Lagen für neue Läden streitig machen.
Ist Schuster frustriert, weil es in der Schweiz nicht so schnell vorwärts geht? Das zumindest behauptet die «Handelszeitung» in ihrer aktuellen Ausgabe.
Geht es ums Geld, kurz wie viel der Discounter mit seinen über 180 Filialen in der Schweiz umsetzt, dann geizt Rappenspalter Aldi aber mit Informationen. Wie gut steht Schusters Ländergesellschaft fast 11 Jahre nach Markteintritt in der Schweiz tatsächlich da?
1,5 Milliarden Umsatz in der Schweiz
BLICK lüftet erstmals das gut gehütete Geheimnis: 1,42 Milliarden Euro (umgerechnet 1,52 Mrd. Fr.) erwirtschaftete Aldi Suisse an Nettoumsatz im vergangenen Jahr. Das macht im Durchschnitt 8,4 Millionen Franken pro Filiale. Bei einer zugrunde liegenden durchschnittlichen Verkaufsfläche von 1000 Quadratmetern entspricht dies einen Quadratmeterumsatz von 8400 Franken.
Zum Vergleich: 12133 Franken beträgt der Umsatz pro Quadratmeter beim Rivalen Denner (ohne Satelliten).
Erstmals veröffentlichte Aldi Süd – die Discountgruppe macht einen Nettoumsatz von 48.7 Milliarden Franken – für ihre Ländergesellschaften einen «internationalen Bericht zur Unternehmensverantwortung», wie es darin heisst.
Der Aldi Suisse-Anteil am Gesamtumsatz wird mit 3,11 Prozent beziffert für das Jahr 2015. Den grössten Anteil am Gesamtumsatz hat der Bereich UK/Irland mit 23,3 Prozent.
GfK Switzerland schätzte höheren Umsatz
Die Zahlen aus dem Aldi-Bericht widerlegen Schätzungen von GfK Switzerland. Die Experten des Marktforschungsunternehmens bezifferten den Umsatz von Aldi Suisse auf 1.84 Milliarden Franken im letzten Jahr.
«Wird das Filialnetz wie geplant weiter ausgebaut, dürfte Aldi Suisse noch im Jahr 2016, spätestens aber 2017 die Umsatzgrenze von 2 Milliarden Franken überschreiten», schreibt GfK-Direktor Handel Thomas Hochreutener (61) in seiner Branchenbibel «Detailhandel Schweiz 2016».
Das dürfte angesichts der vorliegenden Umsätze kaum möglich sein. Schon gar nicht, wenn die Expansion des Discounters im gegenwärtigen Tempo weiterläuft. Hochreutener widerspricht: «Ich halte unsere Schätzung für realistisch», sagt er zu BLICK. Sie werde jeweils mit weiteren Experten besprochen.
Aldi Suisse ist «sehr zufrieden»
Entscheidend ist für den Discounter aber sowieso, ob unter dem Strich ein Gewinn herausschaut in der Schweiz. Davon ist auszugehen. «Wir sind mit der Entwicklung in der Schweiz sehr zufrieden», sagt Aldi-Suisse-Sprecher Philippe Vetterli auf Anfrage.
Auf die Zahlen von Aldi Süd geht er nicht weiter ein. Nur soviel: Der Netto-Umsatz beziehe sich auf das Kerngeschäft, «weitere Geschäftsfelder von Aldi Suisse sind darin nicht enthalten», sagt Vetterli. Weitere Geschäftsfelder sind etwa die Mobile-Prepaid-Abo-Verkäufe oder jene mit Fotobüchern. Wie viel der Discounter jedoch damit umsetzt, bleibt ungenannt.
Und warum ist sein Chef Timo Schuster derzeit auf allen Kanälen präsent? Weil man in der Schweiz weiter wachsen wolle, setze man auf einen verstärkten Dialog mit Kunden, Produzenten, Politik und Wirtschaft, erklärt Vetterli. Ob das so einfach geht, wird sich weisen.