Online-Shopper feiern die Webseite Aliexpress. Hier kann man die schrägsten und kultigsten Dinge kaufen: Echthaar von brasilianischen Jungfrauen, mannshohe Dinosaurier-Roboter oder Ölgemälde von Wladimir Putin. Aliexpress ist die chinesische Version des Internethandelsplatzes Amazon. Sie ist die Kleinkunden-Plattform des Internetkonzerns Alibaba, das dem schillernden chinesischen Unternehmer Jack Ma (51) gehört. Der gelernte Englischlehrer lieh sich in den 1990er-Jahren 2000 Dollar und baute eine der ersten Internetfirmen Chinas auf. 1999 gründete er Alibaba. Heute ist der Internetgigant in New York an der Börse kotiert und Ma der zweitreichste Mann im Reich der Mitte.
Dass die Schweizer auf den Aliexpress-Geschmack gekommen sind, zeigen Zahlen der Kreditkarteninstitute. «Bei Alibaba hat sich das Transaktionsvolumen gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt», sagt Nadine Geissbühler, Sprecherin der Kreditkartenfirma Aduno. Die Cembra Money Bank hat zwischen Januar und Oktober 50000 Schweizer Deals auf Alibaba gezählt. Das ist ebenfalls mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Etablierte Portale wuchsen in dieser Zeit nur noch um rund 40 Prozent. Auch die Post verzeichnet mehr Päckli aus China: Sie seien «im zweistelligen Prozentbereich» gewachsen, sagte ein Sprecher.
«Aliexpress verbindet die Konsumenten direkt mit dem Produzenten in China. Dadurch sind unschlagbare Preise möglich», sagt Malte Polzin (42), Partner und Berater des E-Commerce-Consulters Carpathia. Zudem sei die Auswahl riesig. «In der Schweiz kann man nur einen Bruchteil der Produkte kaufen.» Dafür nähmen Schweizer Online-Shopper gerne längere Lieferzeiten und allenfalls Probleme bei den Reklamationen in Kauf.
Doch der Boom der China-Päckli hat seine Schattenseiten. Mit Paketen aus Fernost wird massiv beschissen. Laut der Lieferfirma DHL – einer Partnerin der Website Alixepress – ist ein Grossteil der Pakete aus China und Hongkong falsch deklariert. Eine interne Quelle sagt gegenüber SonntagsBlick, dass bei 95 Prozent der Pakete der Warenwert zu tief angegeben sei. Diese Zahl will DHL zwar nicht bestätigen, spricht aber von einem «Grossteil» der Sendungen.
Der Inhalt des Pakets ist teilweise um ein Vielfaches mehr Wert als auf dem Päckli deklariert. Die Differenz kann mehrere Tausend Franken betragen. So können die Besteller Zollgebühren sparen, die in der Schweiz anfallen. Unklar ist, wer dahinter steckt: die Empfänger oder die Absender. «Keinesfalls unterstellen wir dem Besteller in der Schweiz, den Versender im Ausland zu unwahren Angaben auf Handelsdokumenten anzustiften», sagt DHL-Sprecherin Margherita Tilotta (24). Wer dies tut, macht sich laut dem Schweizer Zoll zwar strafbar – doch das lässt sich nur schwer nachweisen.
Wahrscheinlicher ist sowieso, dass die Chinesen von sich aus die Pakete zu tief deklarieren. Um sich preislich noch attraktiver zu machen.
So oder so: Die falschen Deklarationen bedeuten für die Lieferfirmen wie DHL oder die Post einen enormen Mehraufwand. Sie müssen gegenüber dem Zoll für die Richtigkeit der Angaben bürgen. Besteht ein Verdacht auf Falschdeklaration, müssen sie dem nachgehen. Etwa, indem sie beim Besteller einen Kreditkartenauszug verlangen. DHL hat extra einen Mitarbeiter abgestellt, um Bschiss-Päckli aufzuspüren.