Die Schweizer Musik-Pionierin Erika Hug ist am 14. Juli im Alter von 75 Jahren verstorben. Das geht aus einer Traueranzeige ihrer Familie hervor. Erika Hug leitete Musik Hug, das einst grösste Musikhaus der Schweiz, während mehr als 30 Jahren. In seiner Blütezeit gehörte Musik Hug gar zu den grössten CD-Verkäufern Europas.
Erika Hug wurde 1945 in Zürich geboren. Das Traditionsunternehmen Musik Hug war damals schon mehr als 100-jährig: Ihr Urururgrossvater hatte es 1807 gegründet. Dass Erika Hug dereinst ins Familiengeschäft einsteigen würde, war nicht vorgesehen. Sie spielte zwar leidenschaftlich Geige, entschied sich aber für eine kaufmännische Laufbahn. Zuerst arbeitete sie als Buchhalterin und Sekretärin, später als Werberin. Doch als ihr Vater das Unternehmen 1973 verkaufen wollte, schritt Erika Hug ein. Sie war damals keine 30 Jahre alt.
Männer akzeptierten sie nicht als Chefin
Sie trat in den Verwaltungsrat ein, übernahm später die Werbeleitung für das Unternehmen. In den 80er-Jahren stieg sie zur Geschäftsleiterin und später zur Verwaltungsratspräsidentin auf. Sie führte das Geschäft in sechster Generation.
Einfach wurde es Erika Hug dabei aber nicht gemacht: Sie musste sich in einer männerdominierten Welt beweisen. Viele Herren der alten Garde akzeptierten sie nach dem Tod des Vaters zuerst nicht als neue Geschäftsleiterin, führten Intrigen gegen sie – bis Erika Hug durchgriff und sie entliess. «Zum Glück war ich stets kämpferisch, sonst hätte ich das nicht durchgestanden», sagte sie einmal gegenüber der «NZZ am Sonntag».
An der Spitze bewies Hug sich als geschickte Geschäftsfrau. Musik Hug verkaufte ursprünglich vor allem Musiknoten, später auch Instrumente, Grammofone und Radios. Erika Hug wagte Ende der 80er-Jahre den Schritt in die Moderne und nahm CDs ins Sortiment auf. Sie gehörte zu den ersten in ganz Europa und hatte damit einen durchschlagenden Erfolg: Das Musik Hug Stammhaus am Zürcher Limmatquai bot in seiner Blütezeit fast zwei Millionen Artikel feil.
Geniesserin mit eigenem Weingut in Frankreich
Die Kehrseite der Medaille: Erika Hug hat kaum Zeit für sich selber. Bis sie ihren späteren Ehemann kennenlernt, den deutschen Musikunternehmer Eckard Harke-Hug. 1989 heiraten die beiden, wenig später kommt Sohn Julian zur Welt. Erika Hug arbeitet fortan im 80-Prozent-Pensum – eine Pionierleistung in dieser Zeit. Sie spielt wieder mehr Geige, malt leidenschaftlich.
Und sie ist Geniesserin: Gemeinsam mit ihrem Mann kauft Erika Hug in den 90er-Jahren ein Weingut in Südfrankreich. Gefragt, was Genuss für sie bedeute, sagte sie dem SonntagsBlick einmal: «Ein feines Glas Champagner. Oder auch eine Bratwurst und ein Bier dazu.»
Jahrtausendwende läutet Niedergang ein
Nach der Jahrtausendwende setzte der Niedergang der CD ein. Und mit ihm auch der Niedergang von Musik Hug. Das Geschäft verlagerte sich zunehmend ins Internet, Filiale um Filiale wurde geschlossen. Nicht nur bei den CDs brachen die Verkäufe ein, auch Notenblätter und Instrumente sind heute weniger gefragt.
2016 dann der unvermeidliche Paukenschlag: Erika Hug muss eine Massenentlassung verkünden. Mehr als jede dritte Stelle verschwindet, 85 Mitarbeiter landen auf der Strasse.
Verkauf des Familienunternehmens 2017
Wenig später, 2017, der nächste Knall. Erika Hug, mittlerweile über 70 Jahre alt, verkauft das Traditionsgeschäft. Sohn Julian wollte den Betrieb nicht weiterführen. Zum ersten Mal in der über 200-jährigen Firmengeschichte ist der Konzern also nicht mehr in den Händen der Familie Hug. Am Steuer sitzt nun der Luzerner Unternehmer und gelernte Instrumentenbauer Adrian Lohri.
Mit dem Verkauf zog Erika Hug sich auch aus der Öffentlichkeit zurück. Es gab weder Interviews noch öffentliche Auftritte. Nun also ist Erika Hug im Alter von 75 verstorben. Sie hinterlässt Ehemann Eckard Harke-Hug sowie Sohn Julian.