Das sitzt! «In keinem anderen Land als der Schweiz stimmen wir häufiger gegen einen Verwaltungsrat, weil das Gremium zu männlich ist.» Diesen Satz findet man in einem vor kurzem publizierten Kommentar der amerikanischen Investment-Firma Blackrock. Black wer? Blackrock, der grösste Geldverwalter der Welt. Herr über 5,7 Billionen Dollar! Der Arbeitgeber von Ex-Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand (54) wird wegen seines Gewichts immer wieder als «heimliche Weltmacht» bezeichnet.
Auch in der Schweiz lässt der Investment-Gigant seine Muskeln spielen. Im ersten Halbjahr 2017 stimmte Blackrock mehr als 20 Mal gegen einen vorgeschlagenen Verwaltungsrat – weil er ein Mann war. Welche Firmen betroffen waren, lässt Blackrock auf Anfrage von SonntagsBlick offen. Fakt ist: Blackrock ist in vielen Schweizer Firmen investiert, beschäftigt in Zürich und Genf rund 100 Angestellte. An hiesigen Generalversammlungen – wo die Verwaltungsräte gewählt werden – zeigt man Präsenz.
Geringer Fortschritt in der Schweiz
Und: Blackrock legt Wert auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. «Studien haben bewiesen, dass ausgeglichenere Gruppen bessere Entscheidungen treffen», heisst es im von Blackrock veröffentlichten Kommentar. Die Enttäuschung über die Schweiz verhehlte Blackrock-Topmanagerin Amra Balic vor kurzem gegenüber der «Handelszeitung» nicht. Im Gegenteil: «Wir sehen in der Schweiz einen geringen Fortschritt, wenn es um Gender Diversity geht.» Offensichtlich will Balic den Herrenklubs in der Schweizer Wirtschaft nun Feuer unterm Bürosessel machen.
Denn tatsächlich geben die Männer in den Schweizer Verwaltungsräten den Ton an. Das geht aus dem Schilling-Report hervor, in dem das Zürcher Headhunting-Büro Guido Schilling AG jedes Jahr die Schweizer Führungsgremien untersucht. Die für die Strategie eines Unternehmens zuständigen Verwaltungsräte sind zu gerade mal 17 Prozent mit Frauen besetzt (2016: 16 Prozent). Untersucht wurden 90 Gremien mit 833 Mitgliedern.
«Die Schweiz verpasst hier die Chance, sich voll zu diversifizieren. Nur wenige Firmen haben sich entsprechend aufgestellt», sagt Guido Schilling (58) zu SonntagsBlick. Der Führungskräfte-Spezialist hat Verständnis dafür, dass Blackrock jetzt Druck ausübt. «Blackrock ist ein langfristig denkender Investor, der riesige Summen investiert. Es ist klar, dass er von den Verwaltungsräten maximale Kompetenzen einfordert.»
Umstrittene Frauenquote
Besser läuft es in Ländern mit Frauenquoten. «Dort sehen wir einen Fortschritt», schreibt Blackrock wenig überraschend. Doch Frauenquoten sind in der Schweiz hoch umstritten. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen – auch gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene «weiche» Frauenquote, über die das Parlament noch entscheiden muss.
Das neue Gesetz sieht in Verwaltungsräten eine Quote von 30 Prozent vor – allerdings hätte es für die Firmen keine Konsequenzen, wenn sie das nicht schaffen. «Wir sind der gleichen Ansicht wie Blackrock. Auch wir empfehlen heterogen zusammengesetzte Gremien», teilt Economiesuisse-Sprecher Michael Wiesner mit. Aber ein gesellschaftspolitisches Weltbild aufzwingen lassen wolle man sich von der Politik nicht.
Dafür ist nun also Blackrock zuständig. Und das tun die Amerikaner mit der gleichen Entschlossenheit, die sie zum Grössten in der Branche hat werden lassen.
Kommentar von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Mit der Wahl von Ignazio Cassis sei der Bundesrat endlich wieder bürgerlich geworden. So hört und liest man es – und stellt sich unwillkürlich die Frage: Wann genau hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren keine bürgerliche Politik betrieben?
Die Überwindung des Kapitalismus jedenfalls findet sich nirgendwo in den bundesrätlichen Jahreszielen. Und die Reform der Altersvorsorge, die von FDP sowie SVP bekämpft wird und die heute Sonntag zur Abstimmung steht – diese Vorlage wurde vom Parlament so gezimmert. Die ursprüngliche Version des Bundesrates war weit weniger grosszügig ausgestaltet, sondern ganz auf Leistungsabbau ausgerichtet.
Bleibt der Wunsch nach einer besseren Vertretung der Frauen in der Wirtschaft. Der Bundesrat will im Aktienrecht einen Richtwert für Frauen an der Spitze der börsenkotierten Grosskonzerne verankern. In den Verwaltungsräten sollen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen, in den Geschäftsleitungen 20 Prozent. Erfüllt ein Unternehmen diese Richtwerte nicht, drohen allerdings keinerlei Sanktionen.
Gegen diesen Beschluss des Bundesrates läuft die Schweizer Wirtschaft Sturm. Noch vor Wochenfrist hat Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, die Frauen-Richtlinie in der «Handelszeitung» als Paradebeispiel für linke Politik gegeisselt. «Wie kann ein Bundesrat, in dem fünf Bürgerliche sitzen, so etwas beschliessen?», fragte Vogt. «Unsere Hoffnung ist, dass wir in der anstehenden Bundesratswahl vom 3:4-Verhältnis zu einem 4:3-Verhältnis wechseln.»
Wenn der Ruf nach einer Frauenquote bei Grosskonzernen tatsächlich der ultimative Beweis für Unbürgerlichkeit ist, dann lohnt sich eine Nachfrage in Amerika. Der Vermögensverwalter Blackrock sagt, was er von einer besseren Vertretung von Frauen an der Spitze der Schweizer Konzerne hält: Für Blackrock sind mehr Frauen unerlässlich. Und zwar nicht aus linker Gefühlsduselei, sondern aus rein kapitalistischer Optik. Konzerne unter gemischtgeschlechtlicher Leitung erwirtschaften offenbar eine bessere Rendite.
Und Blackrock muss es wissen: Der Konzern verwaltet 5700 Milliarden Dollar, ist damit die grösste Fondsgesellschaft der Welt.
Es stellt sich somit weniger die Frage, inwiefern der Bundesrat mit Ignazio Cassis nun wirklich wieder bürgerlich tickt oder nicht. Die Frage lautet vielmehr: Verwechseln die Schweizer Wirtschaftsverbände «bürgerlich» nicht doch eher mit «hinterwäldlerisch»?
Kommentar von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Mit der Wahl von Ignazio Cassis sei der Bundesrat endlich wieder bürgerlich geworden. So hört und liest man es – und stellt sich unwillkürlich die Frage: Wann genau hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren keine bürgerliche Politik betrieben?
Die Überwindung des Kapitalismus jedenfalls findet sich nirgendwo in den bundesrätlichen Jahreszielen. Und die Reform der Altersvorsorge, die von FDP sowie SVP bekämpft wird und die heute Sonntag zur Abstimmung steht – diese Vorlage wurde vom Parlament so gezimmert. Die ursprüngliche Version des Bundesrates war weit weniger grosszügig ausgestaltet, sondern ganz auf Leistungsabbau ausgerichtet.
Bleibt der Wunsch nach einer besseren Vertretung der Frauen in der Wirtschaft. Der Bundesrat will im Aktienrecht einen Richtwert für Frauen an der Spitze der börsenkotierten Grosskonzerne verankern. In den Verwaltungsräten sollen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen, in den Geschäftsleitungen 20 Prozent. Erfüllt ein Unternehmen diese Richtwerte nicht, drohen allerdings keinerlei Sanktionen.
Gegen diesen Beschluss des Bundesrates läuft die Schweizer Wirtschaft Sturm. Noch vor Wochenfrist hat Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, die Frauen-Richtlinie in der «Handelszeitung» als Paradebeispiel für linke Politik gegeisselt. «Wie kann ein Bundesrat, in dem fünf Bürgerliche sitzen, so etwas beschliessen?», fragte Vogt. «Unsere Hoffnung ist, dass wir in der anstehenden Bundesratswahl vom 3:4-Verhältnis zu einem 4:3-Verhältnis wechseln.»
Wenn der Ruf nach einer Frauenquote bei Grosskonzernen tatsächlich der ultimative Beweis für Unbürgerlichkeit ist, dann lohnt sich eine Nachfrage in Amerika. Der Vermögensverwalter Blackrock sagt, was er von einer besseren Vertretung von Frauen an der Spitze der Schweizer Konzerne hält: Für Blackrock sind mehr Frauen unerlässlich. Und zwar nicht aus linker Gefühlsduselei, sondern aus rein kapitalistischer Optik. Konzerne unter gemischtgeschlechtlicher Leitung erwirtschaften offenbar eine bessere Rendite.
Und Blackrock muss es wissen: Der Konzern verwaltet 5700 Milliarden Dollar, ist damit die grösste Fondsgesellschaft der Welt.
Es stellt sich somit weniger die Frage, inwiefern der Bundesrat mit Ignazio Cassis nun wirklich wieder bürgerlich tickt oder nicht. Die Frage lautet vielmehr: Verwechseln die Schweizer Wirtschaftsverbände «bürgerlich» nicht doch eher mit «hinterwäldlerisch»?