Kurz nachdem Sergio Ermotti (58) CEO der UBS geworden war, prophezeite er im Frühjahr 2012: «Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Jahren auf dem Schweizer Finanzplatz rund 20 Prozent der Jobs, also 20'000 Arbeitsplätze, verloren gehen werden.» Es war die Zeit, als das Bankgeheimnis auf der Guillotine lag. Die Bankbosse schlotterten aus Angst vor massiven Abflüssen von Geldern, die sie zuvor unversteuert verwalten durften.
Die gute Nachricht heute: Ermotti lag daneben. Bis heute wurden «nur» 12'000 Jobs abgebaut. Und laut einer aktuellen Umfrage des Verbands Arbeitgeber Banken erwarten die Banken, dass sie bis 2021 noch knapp 2000 Stellen streichen werden.
Die schlechte Nachricht: Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bankensektor seit Jahren durch den Fleischwolf gedreht wird. Oben kommen Dinge rein, die nicht mehr zu gebrauchen sind. Und was derzeit unten rauskommt, ist schwer zu definieren.
US-Banken könnten Schweizer schlucken
Die Zahlen dazu: Während sich das Hypothekenvolumen seit dem Jahr 2000 auf rund eine Billion Franken verdoppelt hat, ist der Bankenanteil an der Wertschöpfung im selben Zeitraum um fast die Hälfte auf 4,8 Prozent eingebrochen. Die Schweiz ist kein Bankenland mehr.
Weiter: Von gut 400 Banken, die es 1996 gab, sind über 150 eingegangen. Prominentes Beispiel: die Bank Wegelin, durch den US-Steuerstreit aus der Bahn geworfen, dann als Notenstein-Bank letztes Jahr von Raiffeisen an Vontobel verkauft und beerdigt.
Die Überlebenden sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Unter den vier grössten Verlierern im Leitindex SMI waren 2018 mit Julius Bär (minus 41 Prozent), Credit Suisse (–38) und UBS (–32) drei Banken.
Die CS war 2015 noch doppelt so wertvoll – ihre 30 Milliarden Franken Börsenkapitalisierung sind für die US-Grossbanken heute ein Butterbrot. Vor der Finanzkrise waren UBS und CS mit jenen auf Augenhöhe. Heute spielen sie in der zweiten Liga.
Treiber Digitalisierung
Allerdings: Der Jobabbau ist nicht erst Normalität, seit Ermotti ihn beschworen hat. Zwischen 1991 und 2017 fiel die Anzahl Banker um 25'000 auf 93'000. Grund für die Schrumpfkur ist also nicht nur der Fall des Bankgeheimnisses.
Denise Chervet (61), Geschäftsführerin beim Schweizerischen Bankpersonal-Verband SBPV: «Vor allem UBS und CS haben in den letzten zehn Jahren Tausende Jobs in Billiglohnländer wie Polen verschoben.»
«Der grösste Treiber ist aktuell aber die Digitalisierung», sagt François Degeorge (57), Direktor des Swiss Finance Institute, dem akademischen Zentrum der Banken. «Computer machen heute einen Teil der Arbeit. Das ist für die Betroffenen schmerzhaft, für die Branche aber gut, weil sie effizienter wird.» Die Schweizer Banken seien im Digitalisierungswettlauf mit dem Ausland vorne dabei.
Wer ist jetzt verantwortlich?
Sie lassen dabei am Wegrand liegen, wer nicht mitrennen mag. Sprich: Wer nicht fit genug ist für die Digitalisierung. Wie eine Auswertung der «Handelszeitung» von gestern zeigt, werden in der Bankbranche vermehrt Mitarbeiter über 50 entlassen.
«Die Banken machen sich fit für die Zukunft, vergessen aber, einen Teil der Angestellten mitzunehmen», beklagt Chervet vom SBPV. Konsequenz: Ein Drittel der Banker hat in einer SBPV-Umfrage von 2017 Angst um die berufliche Zukunft.
Während die Personalvertreterin die Banken ins Gebet nimmt, machen diese das Gegenteil. «Die Angestellten müssen sich um ihre Arbeitsmarktfähigkeit kümmern, sich ständig hinterfragen», sagte Lukas Gähwiler (53), Präsident des Verbands Arbeitgeber Banken und der UBS Schweiz, gestern an einer Medienkonferenz. Aber sein Verband reagiert auch: Er hat eine Weiterbildung lanciert, das ältere Mitarbeiter digital fit trimmen soll.
Er will damit ein Problem beheben, das auf den ersten Blick paradox wirkt: Einerseits bauen die Banken Jobs ab. Andererseits beklagen sie sich, dass sie nicht genug Experten finden. Fachkräfte-Alarm!
Gähwiler: «Vor allem in der Vermögensverwaltung und in der Informatik gestaltet sich die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden schwierig.» Aktuell sind schweizweit 3,3 Prozent aller Bankjobs offen. In der Zentralschweiz ist die Sehnsucht der Bank-Bosse nach Experten am grössten – dort sind 7,1 Prozent aller Stellen unbelegt.
Im BLICK erklärt Oswald Grübel, warum er den Niedergang der Schweizer Banken nicht so dramatisch sieht. Lesen Sie hier das Interview.