Schweizer bestellen Drogen, Medis und protzige Uhren in China – Bei 97 Prozent der Sendungen ist etwas faul
Päckli-Wahnsinn wird immer irrer

Im Vergleich zum Vorjahr wurden von Januar bis April 46 Prozent mehr Kleinpakete importiert. Darunter viele Sendungen aus China. Sogar Dopingmittel für einen Fussballprofi und ein verwester Schädel.
Publiziert: 19.05.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:07 Uhr
Foto: Igor Kravarik (Illustration)
Patrik Berger

Von solchen Wachstumsraten können Schweizer Lädelibesitzer nur träumen! 2015 verarbeitete die Post – dem Onlineboom sei Dank – 14,5 Millionen Kleinsendungen aus dem Ausland. 7,2 Milliarden Franken gaben Herr und Frau Schweizer beim Internetshopping aus.

Schon heute ist klar: Dieser Päckli-Rekord wird dieses Jahr erneut pulverisiert. Darauf deuten die neusten Zahlen bei den Kleinpaketen bis zwei Kilogramm. 80'000 Päckli und Briefe treffen täglich allein aus dem Ausland ein.

«In den ersten vier Monaten liegen wir bereits 46 Prozent über dem Vorjahr», schreibt Andreas Weber in einem Blog auf der Homepage der Post. Er ist Leiter der Postverzollung im Briefzentrum Zürich-Mülligen in Schlieren ZH.

Seine Angestellten haben alle Hände voll zu tun. Sie prüfen, ob Inhalt und Warenwert korrekt deklariert sind. Noch machen Zalando, Amazon und Co. den Grossteil der Sendungen aus. Sie sind in der Regel unproblematisch.

Mehr Arbeit bereiten der Post dagegen die kleinen Import-Päckli aus Asien. Seit der chinesische Onlinegigant Alibaba sich aufgemacht hat, den Westen zu erobern, bestellen Schweizer vermehrt bei Shops in Asien. Und die haben es in sich. «97 Prozent der Sendungen aus China sind falsch oder gar nicht deklariert», sagt Weber. Deshalb nehme man jedes Paket und jeden Brief in die Hand. «Wir tasten, riechen, schütteln und achten auf unser Bauchgefühl.»

Pro Tag werden 1200 Pakete geöffnet. «Bei vier von fünf Sendungen liegen wir mit unserem Verdacht richtig», sagt Weber. Man habe schon Drogen in Reifen von Spielzeugautos gefunden und eine Dopingsendung an einen bekannten Fussballprofi. Trauriger Höhepunkt: ein halb verwester menschlicher Schädel.

Täglich bleiben fünf bis ­sieben gefälschte Taschen des französischen Luxuslabels ­Louis Vuitton in den Kontrollen hängen. Zudem würden verbotene Substanzen, also in der Schweiz nicht zugelassene Medikamente oder Betäubungsmittel, importiert.

Weber lakonisch: «Uns muss keiner sagen, wann in Zürich die Street Parade bevorsteht. Wir erkennen das an unserem Wareneingang.»

Zum Inhalt des Blog-Eintrags ihres Mitarbeiters wollte die Post keine Stellung nehmen. Sprecher Bernhard Bürki bestätigte aber, dass man wegen des Anstiegs bei den Importsendungen Aushilfen eingestellt habe. Zudem seien flexiblere Arbeitszeiten eingeführt worden. «Bei Bedarf wird auch am Samstagmorgen gearbeitet.» Wenn nötig, werde man weitere Teilzeitangestellte beschäftigen.

Das dürfte bald so weit sein. Denn: «Wir stehen erst am Anfang. Das internationale Onlinegeschäft wird weiter wachsen», sagt Malte Polzin (42), E-Commerce-Experte beim Beratungsunternehmen Carpathia. «Dem Schweizer Handel tut das weh, er kämpft ums Überleben. Die Milliarden, die ins Ausland abfliessen, fehlen ihm.»

Noch würden heimische Händler in einer regelrechten Schockstarre verharren. «Sie machen sich zu wenige Gedanken, spielen die Karte Service viel zu wenig aus», sagt er.

In China würden vor allem Gadgets bestellt wie etwa Zubehör für Handys. «Auch Kleider und protzige Uhren. Bei grösseren Gegenständen wie etwa ­einem schnittigen Bike lohnt sich der Kauf in China dagegen häufig nicht. Die Transportkosten sind zu hoch.»

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