Es ist wohl die gefürchtetste Liste der Welt. Wer auf der Russland-Sanktionsliste des Office of Foreign Assets Control (Ofac) landet, ist so gut wie erledigt. Wer bei den Amerikanern als Feind gilt, mit dem will niemand mehr etwas zu tun haben, vor allem keine Bank.
Auf den ersten Blick vernünftig und richtig. Putins Netzwerk soll damit geschwächt und isoliert werden. Doch in der Schweiz scheint man vergessen zu haben, dass es auch noch einen Rechtsstaat gibt. Das zeigt der Fall von Bruno Koller.
Konten und Kreditkarten gesperrt
Der heute 67-Jährige erfuhr per SMS vom Ende seiner Firma, wie die «NZZ» kürzlich schrieb. Ein Geschäftspartner informierte ihn am 24. Februar 2023, dass er und sein kleines Zürcher Unternehmen Swisstec von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt wurden.
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Jahrelang hatte Koller zuvor Lasermaschinen produziert und auf der ganzen Welt verkauft. Plötzlich konnte er seine Kreditkarten nicht mehr nutzen, die Banken blockierten seine eigenen und die Konten der Swisstec. Die Firma konnte weder Rechnungen noch Löhne bezahlen.
Warum er auf der Liste steht und was ihm vorgeworfen wird, ist ihm bis heute nicht klar. Er erhält dazu keine Informationen von der US-Behörde. Offiziell heisst es nur etwas nebulös, er habe einen anderen Schweizer Geschäftsmann bei der Beschaffung «sensibler westlicher Technologien und Ausrüstung für russische Geheimdienste und das russische Militär» unterstützt.
«Ich habe nichts falsch gemacht»
Als Koller versucht, sich gegen die Sanktionen zu wehren, schickt ihm die US-Behörde bloss einen mehrseitigen Fragebogen. Der Beobachter konnte ihn einsehen. Koller und seine Firma kamen wohl als Beifang auf die Liste. Eigentlich haben die Amerikaner diesen anderen Schweizer Geschäftsmann wegen Deals mit Putins Militär im Visier.
Ohne grosse finanzielle Mittel und Anwälte in den USA scheint es kaum möglich, von der Liste zu kommen. Geschafft hat das hierzulande bislang nur die TradeXBank, die Nachfolgebank der russischen Sberbank mit Schweizer Sitz. Und vor kurzem erstmals eine Privatperson, Alexander Studhalter, ein Treuhänder aus Zug.
Koller ist weder Oligarch, noch hat er Millionen mit Geschäften in Russland verdient. Seit er mit seiner Firma in Konkurs ging, lebte er von seiner AHV-Rente und Pensionskassengeldern – alleinstehend in einer kleinen Gemeinde im Zürcher Unterland.
Er wird auch weder von der Schweiz noch von der EU sanktioniert. Es läuft kein Strafverfahren. «Ich habe nichts falsch gemacht», sagt er. Trotzdem ist nun auch die letzte Bank, bei der er ein Konto hatte, vor den Amerikanern eingeknickt – offenbar auf Druck der Schweizer Aufsichtsbehörde.
Nach Informationen der «SonntagsZeitung» sorgen die USA mit Vor-Ort-Besuchen dafür, dass ihre Sanktionen umgesetzt werden. Sie schicken dafür sogenannte Hunting Teams nach Bern. Diese «Jäger» sollen sich regelmässig mit Mitarbeitenden des Seco und der Finma treffen.
«Das Bargeld reicht nicht lange»
Bruno Koller erhält nun nicht einmal mehr seine Rente. «Ich kann Rechnungen oder ÖV-Tickets noch so lange bezahlen, wie ich Bargeld habe. Das reicht aber nicht lange.» Seine Pensionskasse schrieb ihm, «sämtliche Leistungen werden ausschliesslich durch Überweisung auf ein Konto bei einer Bank oder Postniederlassung in Schweizer Franken erbracht, welches auf den Namen der anspruchsberechtigten Person lautet».
Dasselbe bei der AHV: «Am Telefon hat mir jemand von der Ausgleichskasse mehrfach gesagt, eine Barauszahlung sei nicht möglich.»
Erst als der Beobachter um eine Stellungnahme bittet, scheint es plötzlich doch zu gehen. Bei der zuständigen Ausgleichskasse Zürich heisst es am Telefon, es sei wohl ein Fehler passiert. Und sie schreibt offiziell: «In Ausnahmefällen kann auch mal eine Barauszahlung der Rente vorgenommen werden. Dem Kunden wird in diesem Fall per Post ein Check zugestellt, welchen er bei einer Poststelle einlösen kann.»
Postfinance verliert vor dem Berner Handelsgericht
Unterstützung erhält Koller auch vom Handelsgericht des Kantons Bern. Dieses rügte in einem bislang unveröffentlichten Entscheid die Postfinance. Die staatsnahe Bank hatte ein Konto eines anderen von den USA sanktionierten Schweizer Rentners gekündigt. Er geriet wegen derselben Sache ins Visier der Ofac. Der Entscheid liegt dem Beobachter vor.
Die Postfinance hatte argumentiert, dass ihr «schwerwiegende Rechts- und Reputationsschäden» drohten und ein «massiver Abklärungsaufwand» bei jeder Kontobewegung bestehe. Darum verweigerte sie die Kundenbeziehung, auch wenn sie eigentlich eine gesetzliche Grundversorgungspflicht hätte.
Der Richter sah das anders. Es sei nicht klar, durch welche «konkrete Bestimmung oder Praxis der US-Behörden» eine solche Gefahr begründet sein sollte. Auch beim angeblichen «massiven Abklärungsaufwand» handle es sich lediglich um Rentenzahlungen. Der Richter wies die Postfinance an, «die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten und das Postkonto weiterzuführen».
Der Entscheid ist nicht rechtskräftig, hat aber aufschiebende Wirkung. Der Betroffene kann sich also über die Postfinance seine Rente auszahlen lassen. Sicher bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils. Ob er die Rente danach auch weiter erhält, entscheidet letztinstanzlich das Bundesgericht.
Es wäre das erste Urteil, seit sich der russische Oligarch Viktor Vekselberg vor zwei Jahren ein Konto bei der Postfinance vor dem höchsten Gericht erstritt. Seither hat sich die Gesetzeslage allerdings leicht geändert. Ein neues Urteil dürfte darum einen richtungsweisenden Charakter haben.