Sie sind Serienhelden, Filmstars, Super-Blogger. Jung, gutaussehend und einflussreich. Doch Han Ji-Min (33), Taim al-Falasi (25) und Tao Guo (46) kennt in der Schweiz kein Mensch. In den sozialen Medien und in ihrer Heimat haben die Koreanerin, die Kuwaiterin und der Chinese aber Heldenstatus.
Zig Millionen verfolgen ihre Tweets, Facebook-Einträge oder Foto-Posts auf Instagram – täglich, rund um die Uhr. Ihre Follower sind jeweils begeistert, wenn die Idole auf Schweiz-Besuch sind und ihre Eindrücke und Bilder ins Netz stellen.
Dahinter steckt in den meisten Fällen Schweiz Tourismus. Um die Schweiz im In- und Ausland zu vermarkten, verfügt die Marketing-Organisation über ein Budget von 88,3 Millionen Franken, 52,7 Millionen davon trägt der Bund. «Unsere Swiss Friends aus Asien und Werbebotschafter twittern freiwillig während ihrer Schweiz-Reisen», sagt Sprecher André Aschwanden. Der finanzielle Aufwand halte sich in Grenzen. Nur selten werde eine Gage bezahlt.
Ins Detail gehen will Aschwanden nicht. Nur so viel: «Unser Beitrag sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.» Den Flug und die Übernachtung zahlen meist die Partner wie die Airline Swiss oder der jeweilige Hotelbetreiber.
Die Popularität der Internet-Weltstars ist für die Schweiz-Vermarkter Gold wert. «Ihre Werbung für die Schweiz ist unbezahlbar», sagt Manuel P. Nappo (44). Laut dem Social-Media-Experten der Hochschule für Wirtschaft Zürich wächst in Südostasien eine neue, junge, weltoffene und zahlungskräftige Generation heran, die sich an Vorbildern wie Tennisstar Roger Federer (35) oder Szene-Bloggern orientiert. «Diese Generation ohne Social Media zu erreichen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit», so Nappo.
Schweiz Tourismus baut auf die Touristen aus Korea, China, Indien und den Golfstaaten. Denn die hiesige Hotellerie und Gastronomie leidet unter den ausbleibenden europäischen Gästen (siehe unten, «Nur das Tessin legt richtig zu»).
Das asiatische Gästepotenzial ist laut Tourismus-Experte Christian Laesser (53) «unermesslich», zumindest in der Theorie. «Der Fokus auf die sozialen Medien ist wichtig und sinnvoll.»
Aschwanden von Schweiz Tourismus weiss: «Gäste aus Asien und den Golfstaaten nutzen leidenschaftlich die sozialen Netzwerke und posten auf ihren Profilen Selfies à gogo.» Die asiatischen Idole sähen die schöne Schweiz mit ihren Augen und teilten dies mit ihren Fans. «Sie ermuntern ihre Landsleute, es ihnen gleichzutun», schwärmt Aschwanden.
Ein Beispiel: Die Zahl der chinesischen Touristen in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren verfünffacht. Die von ihnen ausgelösten Übernachtungen stiegen auf 1,5 Millionen.
Im nächsten Jahr liegt der Fokus der Vermarkter auf Indien. Beim indischen Schauspieler Ranveer Singh (31) hinterliess die Schweiz in seinen Sommerferien einen bleibenden Eindruck – und er teilte ihn mit seinen Landsleuten. «Ganz offenbar hat der Bollywood-Star ein grosses Interesse für die Schweiz geweckt», sagt Schweiz-Tourismus-Sprecher Aschwanden.
Singh zeigt auf Twitter und Facebook Bilder mit Australierinnen auf dem Jungfraujoch. Man sieht den Inder auch im Fifa-Museum in Zürich oder beim Wasserskifahren. Immer im Schlepptau, aber schön im Hintergrund: ein Medientross. Einen Vertrag mit Schweiz Tourismus hat Singh nicht – noch nicht. Im August berichtete «Le Matin», dass der Schauspieler 2017 das Gesicht der Werbekampagne von Schweiz Tourismus in Indien sein werde. «Kein Kommentar», sagt Aschwanden. Sicher ist: Der Schweiz-Vermarkter wird alle Hebel in Bewegung setzen, um den Bollywood-Star unter Vertrag zu bekommen.
Nur das Tessin legt richtig zu
Der August brachte für die Hotels nicht die erwartete Wende. In den ersten acht Monaten 2016 verzeichnete die Schweiz 25 Millionen Logiernächte. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von einem Prozent.
Laut Bundesamt für Statistik generierten allein Deutsche 5,1 Prozent weniger Logiernächte. Auffallend auch: Die Übernachtungszahlen chinesischer Gäste brachen um fast 19 Prozent ein. Dieser Einbruch dürfte jedoch vorübergehend sein, sagen Tourismus-Experten. Derzeit lähme die Terrorlage in Europa die Reiselust der Chinesen.
Nur auf den Monat August bezogen steht das Tessin mit einem Plus von 29'000 Übernachtungen (+9,2%) gegenüber dem Vorjahresmonat am besten da. Gefolgt vom Wallis mit einem Plus von einem Prozent. Am meisten verloren hat Zürich mit minus 5,2 Prozent. Patrik Berger
Hier will die ganze Welt planschen!
Das Youtube-Video eines Reisebloggers über das Boutique-Hotel Villa Honegg in Ennetbürgen NW avanciert zum Internethit. Schon über 120 Millionen Mal wurde der Clip über den Hotelpool mit Blick auf den Vierwaldstättersee auf Social-Media-Plattformen angeklickt. «Der aktuelle Fall der Villa Honegg zeigt, wie immens wichtig die sozialen Medien für die Vermarktung der Schweizer Tourismuswirtschaft sind», sagt Social-Media-Experte Manuel P. Nappo. Er wundert sich, dass nicht mehr Betriebe in der Schweiz sich an die internetaffinen Generationen richten.
«Die Schweiz hat sensationelle Landschaften, die sind prädestiniert für visuelle Plattformen wie Instagram oder Snapchat», sagt Nappo. Die sozialen Medien eigneten sich besonders gut, um Dinge und Orte zu entdecken. Das hat auch der Honegg-Direktor erkannt. Herrschte zuvor Normalbetrieb, kann sich Peter Durrer (47) heute nicht mehr vor Anfragen retten, wie er sagt.
Federer lässt Appenzeller jubeln
Appenzell – Tennis-Ass Roger Federer (35) ist der berühmteste Wandervogel der Schweiz. Die Bilder von seinem Ausflug zum Seealpsee und zum Bergrestaurant Äscher gingen um die Welt. Federer hat auf Twitter 6,2 Millionen Follower. Auf Facebook gibt es 24,6 Millionen Fans seines Profils. Gratiswerbung fürs Appenzellerland! «Das Ganze war für uns ein Glücksfall», sagt Guido Buob (51), Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus Inner-rhoden. «Viele Medien haben die Fotos gezeigt.» Man stelle im Marketing aber bewusst das Produkt in den Vordergrund. «Umso mehr hat es uns gefreut, dass Federer das Appenzellerland mit Wandern gleichsetzt. Und sich nicht irgendwie verrückt inszeniert hat», sagt Buob. Appenzellerland Tourismus hat Federers Alpstein-Bilder geteilt. «Medial ausgeschlachtet haben wir seinen Besuch aber nicht. Wir wollten seine Privatsphäre wahren.» In den Tagen nach den Beiträgen seien nicht mehr Wanderer als sonst unterwegs gewesen. «Das Wetter ist eben doch noch wichtiger als Federer.» Patrik Berger