Schweiz importiert Hunderte Tonnen Rindfleisch und Soja
Die Zerstörung des Amazonas fängt auf unseren Tellern an

Unser Fleischkonsum ist eine direkte Ursache der verheerenden Brände, die im Amazonas wüten. Wer glaubt, mit dem Verzicht auf brasilianisches Steak sei das Problem gelöst, der irrt.
Publiziert: 25.08.2019 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2020 um 16:19 Uhr
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Die Schweiz importiert aus Brasilien Rindfleisch ...
Foto: imago/blickwinkel
Danny Schlumpf

Und plötzlich steht die Schweiz im Zentrum der Weltpolitik. Der Amazonas brennt – und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (64) verkündet den Abschluss des Abkommens der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit der Freihandelszone EFTA, zu der auch die Schweiz gehört. Soll die Schweiz angesichts des brennenden Regenwaldes ein solches Abkommen überhaupt unterzeichnen? Wie auch immer die Entscheidung lautet: Im Drama um den Regenwald steckt die Schweiz schon heute mittendrin.

Denn Auslöser des Feuers sind die Brandrodungen brasilianischer Rinderfarmer und Sojapflanzer. Mit den Rodungen schaffen die Farmer neue Weideflächen und Sojafelder. Von Brasilien aus gelangen die Rinder und Bohnen in die ganze Welt. Auch die Schweiz bezieht Fleisch und Soja aus Brasilien. Jedes Jahr landen rund 470 Tonnen brasilianisches Rindfleisch auf unseren Tellern. «Diese Importe sind deklariert», sagt Heinrich Bucher (58), Direktor der Branchenorganisation Proviande. «Der Konsument entscheidet selbst, ob er Steaks aus Brasilien oder der Schweiz kaufen will.»

Fleischverzicht kann helfen

Aber auch Schweizer Fleisch hat etwas mit Brasilien zu tun: Unsere Nutztiere werden mit Soja gefüttert – und 60 Prozent davon führt die Schweiz aus Brasilien ein. 150 000 Tonnen sind es jedes Jahr. «Das brasilianische Soja stammt aus verantwortungsbewusstem Anbau», sagt Stefan Kausch (50), Leiter der Geschäftsstelle von Soja Netzwerk Schweiz, zu dem unter anderem Migros, Coop, der Schweizer Bauernverband und WWF Schweiz gehören. «Wir haben Leitstandards, die besagen: Das Soja muss aus abholzungsfreien Gebieten kommen.»

Wird brasilianisches Soja wirklich verantwortungsvoll produziert? «Nein», sagt Fabian Molina (29), SP-Nationalrat und Co-Präsident der Entwicklungsorganisation Swissaid. «Da werden zwar Vereinbarungen getroffen, bei der sich alle Beteiligten auf die Einhaltung von Menschenrechten, Umweltschutz und den Verzicht auf Waldrodungen verpflichten.» Ob solche Standards auch eingehalten würden, werde allerdings selten überprüft. «Das betrifft Palmöl aus Indonesien genauso wie Rindfleisch und Soja aus Brasilien.»

Mercosur-Abkommen in der Kritik

Wie würde sich das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten auf die Soja- und Rindfleischimporte aus Brasilien auswirken? Würden die Zölle gesenkt und damit die Abholzung des Amazonas weiter angetrieben? Livia Willi, Mediensprecherin beim Seco, dem Staatssekretariat für Wirtschaft: «Da es sich hier um einen laufenden Verhandlungsprozess handelt, ist es uns nicht möglich, Angaben zu möglichen Konzessionen zu machen.»

Fabian Molina ist skeptisch: «Die Schweiz orientiert sich bei diesem Abkommen stark an demjenigen, auf das sich die EU mit den Mercosur-Staaten geeinigt hat. Und die EU bevorzugt Grossbauern, die die Brandrodung vorantreiben.»

Nachhaltiges Soja und Fleischalternativen

Wo also den Hebel ansetzen? «Auch in der Schweiz selber», sagt Bastien Girod (38), Nationalrat der Grünen. Er fordert Belege für die Nachhaltigkeit von importiertem Soja und die Streichung von Subventionen für Kraftfutter. «Ausserdem sollten wir Fleischersatzprodukte attraktiver machen.» Es könne doch nicht sein, dass diese immer noch teurer seien als Fleisch, findet Girod.

Damit sind die Brände im Amazonas natürlich nicht gelöscht. Aber wer löscht sie überhaupt? Präsident Bolsonaro jedenfalls nicht. Er habe keine Mittel dazu, liess er der Weltöffentlichkeit gestern ausrichten.

Zehn Milliarden Bäume verliert der Amazonas jedes Jahr. Ein Fünftel seiner ursprünglichen Fläche ist bereits verschwunden. Und jetzt steht er in Flammen. Steaks zum Znacht? Oder doch lieber Rösti?

Mercosur - Merco-was?

Mercosur ist die Abkürzung für Mercado Común del Sur, zu Deutsch «Gemeinsamer Markt des Südens». Es handelt sich hierbei um einen Binnenmarkt der Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Weitere Staaten wie Ecuador, Chile und Bolivien sind assoziiert.

Die Schweiz will ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten aushandeln. Denn so bekäme die Schweizer Wirtschaft Zugang zu einem Markt, der 260 Millionen Menschen und ungefähr 72 Prozent der Fläche Südamerikas umfasst. Hier liegt also ein gigantischer Absatzmarkt für die Schweiz.

Die EU ist schon weiter

Bis jetzt exportiert die Schweiz nur Waren und Dienstleistungen im Wert von vier Milliarden Franken in den Süden Amerikas. Das liegt gemäss des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse an den hohen Importzöllen. Durchschnittlich sieben Prozent Zoll muss zahlen, wer seine Waren im Mercosur-Raum verkaufen will. Es kann aber auch deutlich mehr sein – bis zu 35 Prozent. Solche Zölle würden mit einem Freihandelsabkommen schrittweise abgebaut.

Die EU hat mit den Mercosur-Staaten im Juni ein Freihandelsabkommen geschlossen. Das heisst: Schweizer Unternehmen sind gegenüber der EU-Konkurrenz massiv benachteiligt.

Schweiz auf der Zielgeraden?

Eine generelle Einigung wurde bereits erzielt, auch wenn noch nicht alle Details klar sind und noch nichts unterschrieben ist. Und dann muss auch das Parlament seinen Segen geben. Skepsis herrscht bei Linken und Bauern. Denn damit die Schweizer Maschinenindustrie und Dienstleister Südamerika erobern können, verlangen die Mercosur-Staaten im Gegenzug, dass ihre Agrarprodukte zollfrei in die Schweiz gelangen.

Und das ängstigt die Schweizer Bauern. Denn Brasilien und Argentinien sind Agrar-Riesen. Insbesondere bei der Rindfleisch-Produktion können es die hiesigen Landwirte nicht mit den Südamerikanern aufnehmen. (sf)

Mercosur ist die Abkürzung für Mercado Común del Sur, zu Deutsch «Gemeinsamer Markt des Südens». Es handelt sich hierbei um einen Binnenmarkt der Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Weitere Staaten wie Ecuador, Chile und Bolivien sind assoziiert.

Die Schweiz will ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten aushandeln. Denn so bekäme die Schweizer Wirtschaft Zugang zu einem Markt, der 260 Millionen Menschen und ungefähr 72 Prozent der Fläche Südamerikas umfasst. Hier liegt also ein gigantischer Absatzmarkt für die Schweiz.

Die EU ist schon weiter

Bis jetzt exportiert die Schweiz nur Waren und Dienstleistungen im Wert von vier Milliarden Franken in den Süden Amerikas. Das liegt gemäss des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse an den hohen Importzöllen. Durchschnittlich sieben Prozent Zoll muss zahlen, wer seine Waren im Mercosur-Raum verkaufen will. Es kann aber auch deutlich mehr sein – bis zu 35 Prozent. Solche Zölle würden mit einem Freihandelsabkommen schrittweise abgebaut.

Die EU hat mit den Mercosur-Staaten im Juni ein Freihandelsabkommen geschlossen. Das heisst: Schweizer Unternehmen sind gegenüber der EU-Konkurrenz massiv benachteiligt.

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Eine generelle Einigung wurde bereits erzielt, auch wenn noch nicht alle Details klar sind und noch nichts unterschrieben ist. Und dann muss auch das Parlament seinen Segen geben. Skepsis herrscht bei Linken und Bauern. Denn damit die Schweizer Maschinenindustrie und Dienstleister Südamerika erobern können, verlangen die Mercosur-Staaten im Gegenzug, dass ihre Agrarprodukte zollfrei in die Schweiz gelangen.

Und das ängstigt die Schweizer Bauern. Denn Brasilien und Argentinien sind Agrar-Riesen. Insbesondere bei der Rindfleisch-Produktion können es die hiesigen Landwirte nicht mit den Südamerikanern aufnehmen. (sf)

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